"Elektrisches Fahren ist nicht die einzige Lösung"

14.3.2019, 00:00 Uhr

© ule, Kia

Auf dem Genfer Automobilsalon zeigt Kia ausschließlich in irgendeiner Form elektrifizierte FahrzeugeGlauben Sie tatsächlich an eine elektrische Zukunft?

Ich glaube, dass das elektrische Fahren ein Teil unserer Zukunft sein wird. Ich glaube dagegen nicht daran, dass es die einzige Lösung ist. Wir werden in Zukunft für verschiedene Bedürfnisse verschiedene Antriebskonzepte brauchen.

Wie kann das aussehen?

Ich kann mir vorstellen, dass wir für die Langstrecke dauerhaft Brennstoffzellen zum Einsatz bringen werden, und zwar markenübergreifend. Dies allein aus dem Grund, dass hier die Infrastruktur relativ einfach aufzubauen ist. Es gibt keine Reichweiteneinschränkung, so dass man Mobilität weiterhin so betreiben kann, wie man es heute gewohnt ist. Ich glaube andererseits aber auch, dass es innerstädtisch tatsächlich Sinn macht, rein batterieelektrisch zu fahren. Selbstverständlich hängt das dann immer davon ab, wie der Strom gewonnen worden ist. Letztlich wird es einen Mix der Antriebskonzepte geben.

Wo steht Kia bei alternativen Antrieben?

Da haben wir schon heute eine extrem starke Position. Im vergangenen Jahr sind knapp zwölf Prozent aller in Deutschland verkauften Kia-Neuwagen in irgendeiner Form elektrifiziert gewesen - Mildhybride noch gar nicht eingerechnet, wir reden hier nur von Hybrid-, Plug-in-Hybrid- und rein elektrischem Antrieb. Damit erreichen wir in diesem Segment einen Marktanteil von fast sieben Prozent. Wenn man das mit den 1,9 Prozent Marktanteil vergleicht, die wir im Schnitt in Deutschland haben, dann sind wir bei alternativen Antrieben schon top aufgestellt.

Und was ist noch zu erwarten?

Sie sehen heute auf der Messe das Facelift des Niro, sowohl was den Plug-in-Hybrid als auch den normalen Hybrid betrifft. Mit dem e-Soul führen wir außerdem unser zweites elektrisches Fahrzeug ein. Da kommt also eine Menge, und wir werden nicht aufhören. Die gesamte Ceed-Palette wird als Mildhybrid aufgelegt, den Sportage bieten wir heute schon in dieser Form an. Und wir werden sicherlich auch noch weitere rein elektrische Fahrzeuge bringen. 2020 folgt zudem ein Brennstoffzellenmodell.

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Wie sieht es mit Plug-in-Hybrid für den Ceed-Kombi SW und das geplante SUV-Coupé aus?

Das kann ich für den Sportswagon bestätigen, alles andere ist noch in der Entscheidung.

Ein Thema in Genf ist die Mikromobilität. Hierzu sehen wir keinen Beitrag von Kia.

Auch wir stellen Überlegungen an, welche Bereiche des Marktes abzudecken sind. Ich glaube, es gibt zunächst einmal den Trend, dass im Kleinwagensegment viele Anbieter verschwinden werden, weil die aufwendigeren Maßnahmen zur Schadstoffreduktion hier nicht immer wirtschaftlich umzusetzen sind. Wir sind im sogenannten A-Segment weiter vertreten und werden es auch bleiben. Ich möchte aber auch auf keinen Fall ausschließen, dass wir uns in die untere Richtung weiterentwickeln. Im Augenblick ist das jedoch noch Zukunftsmusik.

Hat der Kia-Kleinwagen Picanto also noch eine Zukunft?

Natürlich. Selbstverständlich.

Bei VW sieht man das aber anders , was den up! und womöglich sogar den Polo betrifft.

Da denkt Kia nicht so.

Noch einmal zu den Antriebstechnologien: Wie zukunftsfähig ist der Verbrennungsmotor?

Wir brauchen den Diesel, wir brauchen den Benziner, es wird nicht ohne gehen. Eine ganz einfache Rechnung: Wenn wir davon ausgehen, dass in fünf Jahren 15 Prozent der in Deutschland verkauften Neuwagen elektrisch sind – und das wäre schon recht viel –, dann heißt das im Umkehrschluss: 85 Prozent haben noch einen Verbrenner, möglicherweise in elektrifizierter Form. Ich glaube, es macht keinen Sinn, den NOx- und auch den CO2-Ausstoß verbessern zu wollen, indem ich ausgerechnet auf den größten "Brocken" im Markt keinen Wert mehr lege und hier die Technologie nicht mehr voranbringe. Dabei wird sie uns noch die nächsten 20 Jahre begleiten. Wir werden also weiter daran arbeiten, unsere Verbrenner noch effizienter zu machen, aber natürlich auch bei den alternativen Antrieben nicht nachlassen, bei denen wir einer der führenden Hersteller sind.

Das heißt, dass die Zukunft des Diesels bei Kia nicht in Frage gestellt wird?

Nein. Wir stellen die Zukunft des Diesels überhaupt nicht in Frage. Im Gegenteil, wir entwickeln ihn weiter.

Glauben Sie dann auch an eine größere Renaissance des Diesels?

Es wird sicherlich keinen fünfzigprozentigen Marktanteil des Diesels mehr geben. Wir sehen aber heute schon wieder einen Anstieg, insbesondere im Flottengeschäft. Man muss einfach neidlos anerkennen, dass ein moderner, nach Euro 6d-Temp sauberer Diesel sowohl beim Verbrauch als auch bei CO2 und NOx optimal aufgestellt ist. Im Moment gibt es da noch keine Alternative.

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Es kommt immer noch vor, dass Kia als Discountmarke assoziiert wird. Ärgert Sie das?

Nein, das ist eher ein Ansporn für uns. Wir wissen, dass wir uns heute mit den Produkten, die wir anbieten, vor niemandem verstecken müssen. Ich glaube, dass wir beim Design, bei der Qualität, bei den Innovationen sehr, sehr weit und absolut wettbewerbsfähig sind. Unser großes Potenzial, und das würde ich eher positiv sehen, ist momentan aber in der Tat noch die Markenbekanntheit. Dabei geht es um Menschen, die die Marke Kia gar nicht kennen oder aber falsch einordnen. Es gibt da einen Effekt, den wir immer haben, wenn jemand das erste Mal in einem Kia-Modell fährt, ganz egal in welchem. Er steigt immer aus und sagt: Boah, das hätte ich von Kia niemals erwartet. Es ist unser Job, das zu verändern, die Marke bekannter zu machen und so zu positionieren, dass sie zu den Produkten, die wir heute schon haben, passt. Aber das wird noch Jahre in Anspruch nehmen.

Wenn Menschen angesichts der Sportlimousine Stinger feststellen, dass sie ja "gar nicht wie ein Kia aussieht": Ist das für Sie Grund zur Freude oder zur Frustration?

Ich glaube, auch das wird sich jetzt relativ schnell ändern. In den letzten drei, vier Jahren sind wir extrem designlastig geworden, ja, wir stehen fast schon für Design. Wir sind einer der Hersteller, der die meisten Designwettbewerbe im deutschen Markt gewinnt. Das hilft uns, die Marke zu entwickeln, aber auch dieser Prozess dauert einfach. Insofern gibt es natürlich noch Menschen, die sagen, dass ein Stinger oder ein ProCeed nicht wie ein Kia aussieht. Design ist aber trotzdem ein Herz unserer Marke.

Aktuell hat Kia in Deutschland einen Marktanteil von 1,9 Prozent. Sind Sie damit schon zufrieden?

Ja, wir sind damit zufrieden. Seit mehr als vier Jahren wachsen wir stärker als der Markt. Letztes Jahr hat unser Wachstum 2,7 Prozent betragen, während der Markt stabil gewesen ist. Es sind keine riesigen Sprünge, die wir machen, aber es geht sehr nachhaltig voran. Natürlich könnte man auch schneller wachsen, und es gibt verschiedene Vertriebskanäle wie das Autovermietgeschäft, die uns das sehr einfach machen würden. Aber es hätte seinen Preis – was die Restwerte betrifft oder auch die Nachhaltigkeit. Wir setzen also lieber auf langsames, dafür aber stetiges Wachstum.

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Der Marktanteil der Konzernschwester Hyundai liegt ungefähr doppelt so hoch wie der von Kia.

Für uns ist Hyundai ein ganz normaler Wettbewerber wie alle anderen auch. Wir haben andere Vertriebsstrategien, und wir haben auch andere Fahrzeuge. Die Modellpalette ist absolut nicht gleich. Hyundai hat beispielsweise den sportlichen i30 N, wir haben dagegen den Stinger und den ProCeed. Insofern ist das für uns ein ganz normaler Wettbewerb.

Braucht Kia die Siebenjahresgarantie als vertrauensbildende Maßnahme?

Die sieben Jahre machen Kia einmal mehr einzigartig. Wir sind der einzige Hersteller, der das anbietet. Und ja: Natürlich hilft uns das auch, bei Kunden Vertrauen aufzubauen, die bislang keinen Kontakt zur Marke Kia hatten. Es beweist aber vor allem eines: Wir stehen zu unserem Produkt und haben eine hervorragende Qualität. Sieben Jahre Garantie geben Sie nur, wenn Sie es sich auch leisten können. Denn das kann teuer werden, ist es für uns aber glücklicherweise überhaupt nicht.

Volvo hat groß Schlagzeilen damit gemacht, die Höchstgeschwindigkeit seiner Neuwagen auf 180 km/h zu begrenzen. Was halten Sie davon?

Ich persönlich glaube, dass wir in Deutschland nach wie vor auf ein allgemeines Tempolimit verzichten sollten. Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob es Bereiche gibt, in denen ein Tempolimit sinnvoll ist und auch eingesetzt werden sollte. Aber ganz ehrlich: 180 km/h Tempolimit, das ist nicht Fisch und nicht Fleisch, das hat nichts mit Sicherheit zu tun und nichts mit Schadstoffemissionen, das ist irgendwo dazwischen. Ich glaube nicht, dass das wirklich Sinn macht.

Ist solch ein "integriertes Tempolimit" eine Bevormundung der Kunden?

Es gibt ja schon eine Art Selbstverpflichtung zur Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit, die allerdings erst in höheren Bereichen einsetzt, bei 250 km/h. Dabei machen aber nicht alle Hersteller mit. Nein, von einer Bevormundung würde ich nicht sprechen. Aber ich glaube, eine Begrenzung auf 180 km/h würde nichts verändern. Wir sehen, dass in Deutschland die Unfallzahlen im Vergleich zu den Fahrzeugen, die auf der Straße sind, keinesfalls höher, sondern niedriger sind als in Nachbarländern, in denen es ein Tempolimit gibt. Das hat auch mit Aufmerksamkeit und Konzentration zu tun. Wenn ich permanent auf einer Autobahn mit Tempo 120 vor mich hinfahre, ist die Gefahr einfach groß, dass die Konzentration nachlässt. Bisher kann man nicht nachweisen, dass in Deutschland aufgrund eines nicht vorhandenen Tempolimits mehr Unfälle entstehen.

Das Interview führte Ulla Ellmer

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