Fahrbericht: VW Multivan T6.1

24.6.2020, 16:58 Uhr
Fahrbericht: VW Multivan T6.1

© Hersteller

Wie er aussieht: Klassisch kastig wie seit nunmehr sechs Modellgenerationen. Die Feinheiten des Facelifts von 2019, das den Bulli vom T6 (der streng genommen auch nur ein ausführliches Update des T5 gewesen ist) zum T6.1 befördert hat, werden wohl nur ausgemachte Kenner verifizieren – den vergrößerten Kühlergrill beispielsweise und überhaupt die schärfer modellierte Frontpartie.

Ansonsten bleibt alles beim Alten, und das ist gut so. Warum an einer Ikone herumdoktern, die sich stilistisch bewährt hat? Auch der T6.1 wird in zwei Radständen und somit zwei Außenlängen (5,30 und 4,90 Meter) angeboten, wir haben uns mit der 4,90-Meter-"Kurzversion" beschäftigt. Zudem gibt es vier Grundmodelle, neben dem nutzfahrzeugartigen Transporter, dem bis zu neunsitzigen Shuttle-Dienstleister Caravelle und dem Reisemobil California übernimmt der von uns gefahrene Multivan die Rolle des komfortablen Business- und Familientransporteurs im Programm.

Fahrbericht: VW Multivan T6.1

© ampnet/Volkswagen

Wie er eingerichtet ist: In Generation T6.1. entwickelt der Multivan moderne multimediale Fähigkeiten. Optional installiert VW im Bulli das "Digital Cockpit" mit volldigitaler Instrumentierung, das – der Raumgröße geschuldet – zwar weniger opulent wirkt als beispielsweise im Golf, das sich aber ebenso variabel konfigurieren lässt, dem dienlich ist die "View"-Taste im Multifunktionslenkrad. 

Das Top-Infotainment "Discover Pro" transportiert seine Botschaften über einen 9,2-Zoll-Touchscreen. Einen klassischen Lautstärkeregler gibt es dann nicht mehr, leider. Dafür reagiert der Bus auf Gestensteuerung und hört aufs Wort, Befehle nimmt er auf den Zuruf "Hey Volkswagen" entgegen. Und dank einer fest integrierten eSIM pflegt der Bulli permanenten Online-Kontakt, was den Zugriff auf die Online-Dienste von "We Connect" ermöglicht.

Uns gegenüber verstummte der Multivan allerdings einmal völlig; um Radio und Navi wieder zum Reden zu bekommen, war ein Neustart des Multimediasystems erforderlich.

So sehr sich der Bulli bei aller funktionalen Sachlichkeit auch um ein wohnlich-feines Ambiente bemüht: Speziell der Armaturenträger weist ihn nicht eben als Luxusliner aus, viel Hartplastik verbrämt die Instrumente und die offenen Ablagen. Eine Mercedes V-Klasse wirkt da edler.

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Wie viel Platz er hat: Die kubische Form generiert eine nahezu unschlagbare Raumfülle. Toll die Aussicht von der charakteristisch aufrecht-erhabenen Sitzposition aus, praktisch die großen Cupholder, die vielen Ablagen und der Multifunktionstisch (Serie ab "Highline"-Ausstattung), wunderbar reisebequem die beiden drehbaren Einzelsitze in zweiter Reihe und die zum Bett umbaubare Dreier-Sitzbank mit Schubladen und Durchreiche ganz hinten, alles in Schienen eingelassen und daher verschiebbar. Auch der Ausbau ist möglich, allerdings mit einem Kraftaufwand verbunden, den man sich nicht mal so nebenbei antut. Das Kofferraumvolumen von 657 bis 4300 Litern sollte kaum je an die Grenzen dessen bringen, was man auf seinen motorisierten Wegen mitführen möchte.

Was ihn antreibt: Im Multivan dieselt es ausschließlich. Stärkste Ausbaustufe des Zweiliter-Vierzylinder-TDI ist der Biturbo mit 146 kW/199 PS, der immer mit einem 7-Gang-DSG kooperiert. Gestartet wird der Selbstzünder klassisch per Zündschlüssel, zunächst hört er sich etwas kernig an, um später zu einer moderaten Tonlage zu finden.

Der Doppelturbo-Diesel erweist sich als perfekte Antriebsquelle, stets leistungsbereit, ohne erkennbare Mühen beschleunigt er den Bulli bis auf die Reisegeschwindigkeit von maximal 201 km/h. Drehmomenttechnisch – 450 Newtonmeter – kann der TDI aus dem Vollen schöpfen, das zahlt sich bei schnellen Überholmanövern aus und an Autobahn-Anstiegen auf, beides Herausforderungen, die der Multivan mit souveräner Lässigkeit bewältigt.

Wie er sich fährt: Trotz seiner Dimensionen spielerisch einfach, überraschend easy lässt sich der große Wagen selbst durch die Stadt bewegen.  Ein Dasein als Sportler ist dem Bulli nachvollziehbarerweise nicht vorherbestimmt, und doch meistert er kurvige Landstraßen problemlos, stemmt sich erfolgreich gegen Schräglagen und bleibt stets sicher beherrschbar. Das Fahrwerk (auf Wunsch adaptiv) bügelt Flicken im Asphalt zuvorkommend aus, der gebotene Komfort prädestiniert den Multivan überzeugend für die Langstrecke.

Weil der T6.1 im Unterschied zum Vorgänger eine elektromechanische statt einer hydraulischen Servolenkung nutzt, ziehen etliche neue Fahrassistenten ein, vom Spurhaltesystem über den Park- und Ausparkassistenten bis hin zum Trailer Assist, der bei Rangiermanövern mit Anhänger unterstützt. Serienmäßig an Bord befindet sich ein Seitenwindassistent.

Wer sich gelegentlich über unwegsames Geläuf arbeiten oder winterlichen Straßenverhältnissen stellen muss, kann auch auf eine Allradversion zurückgreifen.

Fahrbericht: VW Multivan T6.1

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Was er verbraucht: Wunderdinge sollte man keine erwarten, man hat es immerhin mit einem Zweitonner zu tun. Mit sehr, sehr sachtem Gasfuß gelang es uns zwar, den Multivan auf unserer Sparrunde auf 6,8 l/100 km zu drücken. Ansonsten sind aber Werte mit einer 9 vor dem Komma der Regelfall.  

Was er bietet: Wer auf den stärksten Diesel Wert legt, muss mindestens die Comfortline-Ausstattung wählen. Serienmäßig mitgeliefert werden dann neben Zweizonen-Klimaautomatik, einfachem Radiosystem, Müdigkeitserkennung und Seitenwindassistent das Licht & Sicht-Paket (unter anderem mit Regensensor), Sonnenschutzrollos im Fahrgastraum und Leichtmetallräder. Man ahnt: Da bleibt noch viel Luft für Extras, vom Fahrerassistenzsystem-Paket (2213 Euro) über die Rückfahrkamera (303 Euro) und dem Top-Navi "Discover Pro" (1675 Euro) bis hin zu elektrischen Schiebetüren (2034 Euro). Recht reichlich bestückt ist das "Highline"-Modell, unter anderem mit LED-Scheinwerfern, Dreizonen-Klimaautomatik, Digitalcockpit, elektrischen Schiebetüren, Zuziehhilfe für die Heckklappe, Ledersitzen und Alurädern.  

Fahrbericht: VW Multivan T6.1

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Was er kostet: Ab 60.155 Euro, als "Highline" ab 73.805 Euro.

Was wir meinen: Der Multivan T6.1 bietet eine enorme Raumfülle, ein hohes Maß an Variabilität, moderne Konnektivität, eine zeitgemäße Vielfalt an Assistenzsystemen und, nicht zuletzt dank seiner leistungsfähigen Dieselmotorisierung, überzeugende Langstreckentauglichkeit. Abstriche gilt es bei der Materialanmutung zu machen. Und der Preis ist eine Herausforderung.

Übrigens: Im nächsten Jahr kommt die ganz neue Bulli-Generation T7, dann auch mit Mild- und Plug-in-Hybrid-Antrieben. Der T 6.1 soll aber vorerst weitergebaut werden.

Ulla Ellmer

 

Die Daten des VW Multivan T6.1 2.0 TDI

Hubraum 1968 ccm, Zylinder 4, Leistung 146 kW/199 PS bei 3800 - 4000/min, max. Drehmoment 450 Nm bei 1400 - 2400/min, Spitze 201 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 10,1 sec, Normverbrauch innerorts 7,8 – 7,5, außerorts 6,0 – 5,7, kombiniert 6,6 – 6,3 l/100 km D, Testverbrauch 9,4 l/100 km, CO2-Emission 174 - 167 g/km, Schadstoffklasse Euro 6d-Temp, Energie-Effizienzklasse B, Länge 4,90 m, Breite 1,90 m ohne, 2,30 m mit Außenspiegeln, Höhe 1,97 m, Kofferraum 657 - 4300 l, Kraftstoff-Tank 70 l, AdBlue-Tank 13 l, Leergewicht 2093  kg, zulässiges Gesamtgewicht 3080 kg, Zuladung 987 kg kg, Anhängelast 2500 kg (gebremst), 750 kg (ungebremst). 7-G-DSG, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 18 (KH), 24 (VK), 23 (TK). Preis ab 60.155 Euro.

Update:
Am 30. Juni hat Volkswagen Nutzfahrzeuge bekanntgegeben, Privatkunden beim Kauf eines neuen Multivan 16 Prozent Mehrwertsteuer zu "schenken". Die Aktion gilt für private Einzelkunden, die nicht vorsteuerabzugsfähig sind, und ist bis zum 30. September 2020 befristet. Der Einsteiger Multivan 6.1 "Family" mit 81 kW/110 PS starkem Diesel kostet demnach ab 31.000 Euro, der von uns gefahrene Multivan "Comfortline" mit Top-Diesel (146 kW/199 PS) sollte ab 50.550 Euro erhältlich sein.