IAA 2019: War's das?

11.9.2019, 21:10 Uhr
IAA 2019: War's das?

© Mercedes

Die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt blickt auf eine glorreiche Vergangenheit zurück. Es gab Zeiten, da ist die IAA die wichtigste Automesse der Welt gewesen. Das hat sich geändert. Während die Auto China in Peking oder die Shanghai Auto Show boomen, scheint die einst stolze IAA zu verblühen. Kamen im Jahr 2007 noch eine Million Besucher, pilgerten 2015 nur noch 931.700 und 2017 lediglich 810.00 Messegäste an den Main. 2019 dürfte sich dieser Trend weiter fortsetzen, denn die IAA verliert an Attraktivität. Fast 30 Automobilhersteller haben der Show eine Absage erteilt, darunter strahlkräftige Marken wie Aston Martin und Rolls Royce, aber auch die großen französischen Hersteller von Renault über Peugeot bis hin zu Citroen sowie die meisten Asiaten - Mazda ist ebensowenig mit einem Stand vertreten wie Nissan, Mitsubishi, Toyota und Kia. Auch Fiat-Chrysler und Volvo fehlen.

Nur vier Hallen für die Autos

"Das könnte die letzte IAA gewesen sein", raunen sich Journalisten und Fachbesucher zu, während sie auf dem weitläufigen Messegelände durch deutlich luftiger besetzte Hallen laufen, von denen nur noch vier überhaupt von Automobilherstellern besetzt sind.

Symptomatisch erscheint der IAA-Auftritt von Mercedes. Pflegten die Schwaben die Frankfurter Festhalle regelmäßig in einen mehrstöckigen, pompösen Tempel für ihre Produkte zu verwandeln, hat sich die Marke diesmal ins Erdgeschoss zurückgezogen.

IAA 2019: War's das?

© ule

War's das also mit der IAA? Sicher scheint, dass es mit der Messe im heutigen Format nicht weitergehen kann und wird. Es sei ihm nicht wirklich eine Freude zu sehen, wie viele Hersteller fehlen, sagt Seat-Chef Luca de Meo. Die spanische Marke gehört zu den IAA-Remainern. Die Präsenz in Frankfurt sei für Seat nie zur Debatte gestanden, erklärt de Meo, man sei sie dem wichtigen deutschen Markt und seiner Kundschaft einfach schuldig. "Andererseits sehen wir schon, dass sich etwas ändern muss", meint der Manager, das Format müsse sich wohl neu erfinden, dem Besucher eventuell mehr Show als Auto bieten.

Unattraktiv für die Jungen?

Deutlichere Worte findet Ulrich Selzer, Chef von Opel Deutschland. "Wenn sich da nichts tut, sind wir in zwei Jahren weg", sagt er. Autos nur anzuschauen – das sei vor allem für die junge, über Youtube und ereignisreiche Messe-Spektakel wie die Kölner Gamescom sozialisierte Generation zu wenig. "Wie viele Besucher unter 35 Jahren sehen Sie denn?", fragt Selzer und fordert mehr Mitmachmöglichkeiten, mehr Action. Auch der veranstaltende Verband der Automobilindustrie (VDA) müsse sich bewegen, es sei beispielsweise ein hochgradig bürokratischer Akt, einen Fahrparcours im Freigelände errichten zu dürfen. So, wie die IAA jetzt sei, zahle sie sich für einen Automobilhersteller schlicht nicht mehr aus. Digitale Möglichkeiten, potenzielle Käufer gezielt zu erreichen, werden von vielen Managern als effektiver und preisgünstiger eingestuft.

Als IAA-Exiteer habe man rund fünf Millionen Euro gespart, schätzt Steffen Cost und führt dabei die Kosten für Standmiete, Messebau sowie die teils horrenden Messepreise an, die Hotels für die Unterbringung auswärtiger Gäste verlangen. Cost ist Geschäftsführer von Kia Deutschland, die Europazentrale des Unternehmens grenzt direkt ans Messegelände, mehr Heimspiel geht eigentlich nicht. Dennoch haben sich die Koreaner dazu entschlossen, ihr neues SUV-Coupé XCeed lieber extern für Probefahrten zur Verfügung zu stellen.

Dass Umweltschützer und Klimaaktivisten angekündigt haben, die IAA für Protestkundgebungen einschließlich Autobahn-Blockaden zu nutzen, dürfte den Besucherschwund noch weiter zu befördern – wer hat schon Lust auf eine komplizierte Anreise und obendrein darauf, sich am Abend womöglich als Klimaschädling in den "Tagesthemen" wiederzufinden?

Erschwingliche Elektroautos

Dabei scheinen sich die Protestler bei aller berechtigten Sorge ums Klima nur unzureichend mit dem beschäftigt zu haben, was auf der IAA 2019 geboten wird. Schon hat die Messe begonnen, ihr Gesicht zu verändern. Sie widmet sich dem Mobilitätswandel, es gibt im Freigelände diverse Parcours, darunter einen für E-Bikes und E-Scooter, Jaguar lässt schon 11- bis 17-jährige ans Steuer seines Luxus-Stromers I-Pace. Vor allem aber sind in den Hallen viele, viele Elektroautos zu sehen, von denen etliche – und das ist neu – zumindest einigermaßen erschwinglich für ein breites Publikum erscheinen.

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Natürlich zählen zu den Messe-Neuheiten auch Fahrzeuge wie die Neuauflage der Gelände-Ikone Land Rover Defender oder Modelle, die der angesagten Gattung der SUV-Coupés angehören, das Mercedes GLE Coupé beispielsweise, der neue BMW X6 oder der Audi Q3 Sportback. Das wichtigste Auto auf der IAA aber ist der VW I.D. 3, das Volks-Elektroauto von VW, das sozusagen der stromernde Golf werden soll und zum Einstiegspreis von 30.000 Euro Reichweiten von mindestens 330 Kilometern bietet. Gesellschaft bekommt der I.D. 3 von Mitbewerbern wie dem Opel Corsa-e, dem frisch überarbeiteten Hyundai Kona Electric, dem charmanten Retro-"Elektriker" Honda-e oder dem Mini Cooper SE, ebenso wie vom Skoda Citigo e iV, dem Seat Mii electric, den ausschließlich elektrifizierten Smarts oder dem neuen, reichweitenstärkeren VW e-up!.

Hätte ein Gros der Konkurrenz der IAA nicht den Rücken gekehrt, würden sich auf dem Frankfurter Messegelände noch der Peugeot e-208, der renovierte Nissan Leaf oder die Produkte der Volvo-Tochter Polestar präsentieren.

Als teure Gegenentwürfe zu den vergleichsweise günstigen E-Mobilen drehen sich beispielsweise der mindestens 152.000 Euro kostspielige Porsche Taycan oder die Mercedes-Studie EQS im Scheinwerferlicht, die einen Ausblick auf eine elektrifizierte S-Klasse gewährt. Und dann sind da noch die Chinesen – Byton stellt das 4,88 Meter lange Elektro-SUV M-Byte mit seinem spektakulären, sich nahezu über die gesamte Fahrzeugbreite ziehende XXL-Display vor, 2021 soll der große Crossover in Deutschland starten.  

Wasserstoff hat Zukunft

Wissen lassen die Hersteller zudem, dass sie auch die Brennstoffzelle als Alternative zum batterielektrischen Antrieb nicht abgeschrieben haben, sondern im Gegenteil weiter forcieren. Opel beruft sich darauf, im PSA-Konzern die Zuständigkeit für die Wasserstofftechnologie innezuhaben und kündigt an, demnächst einen Versuchsträger des Vans Zafira Life mit Fuel-Cell-Antrieb vorzustellen. BMW wiederum zeigt das Concept Car i Hydrogen Next und stellt ein Brennstoffzellen-Auto für 2022 in Aussicht. Dabei arbeitet man eng mit den Wasserstoffspezialisten von Toyota zusammen.

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Zu Nebendarstellern geraten auf der IAA die konventionellen Neuheiten, von denen es durchaus interessante zu sehen gibt – die Kompakt-SUVs Mercedes GLB und Ford Puma beispielsweise, aber auch dennunmehr frontgetriebenen 1er BMW, den facegelifteten und im Sinne der CO2-Reduktion ausschließlich mit Dreizylindern ausgestatteten Opel Astra, den bereits erwähnten Land Rover Defender, den auf robust getrimmte Audi A1 Citycarver oder die Neuauflage des Hyundai-Kleinwagens i10.

Platz für Oldtimer

Nicht jeder beklagt übrigens den Ausstellerschwund.. Schon seit Jahren haben sich beispielsweise die Oldtimer-Freunde der Motorworld Group um eine IAA-Präsenz bemüht, immer hätten sie einen abschlägigen Bescheid bekommen, sagt der junge Shuttlefahrer, der in einem farbenfrohen Hippie-Bulli fußlahme Journalisten über das IAA-Gelände chauffiert. 2019 darf sich nun die "IAA Heritage by Motorworld" auf den 11.000 Quadratmetern der zentral gelegenen Halle 4.0 ausbreiten – des einen Leid, des andern Freud.

Ulla Ellmer

Nach den Fachbesuchertagen am 12. und 13. September hat die IAA vom 14. bis 22. September täglich von 9 bis 19 Uhr fürs Publikum geöffnet. Am Freitag, 20. September, gibt es von 11 bis 21 Uhr den sogenannten „After Work Day“.

Das Tagesticket kostet am Wochenende 15 Euro und werktags 13 Euro. Schüler, Studenten und Azubis zahlen 8,50 Euro. Ein Nachmittagsticket kommt auf 9 Euro. Die Preise gelten für den Online-Kauf, an der Tageskasse werden – mit Ausnahme des Schüler/Studenten/Azubi-Tickets –jeweils zwei Euro mehr verlangt.

 

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