Mercedes GLS: Das Kingsize-SUV

25.6.2019, 12:49 Uhr
Mercedes GLS: Das Kingsize-SUV

© Hersteller

Wie sich die Maßstäbe doch verschieben. Die USA sind ein weites Land, die Wasatch Mountains im US-Bundessaat Utah von grandioser Wucht. Vor den Farmen und Wohnhäusern parken vorzugsweise Pick-ups im XXL-Format. Ein Umfeld, in dem der stattliche 5,21 Meter lange und gut 2,5 Tonnen gewichtige GLS überhaupt nicht wie die Wuchtbrumme wirkt, als die er in europäischen Städten vermutlich wahrgenommen werden dürfte.

S-Klasse unter den SUVs

Trotz seiner schieren Größe sieht das Daimler'sche Dickschiff erstaunlich elegant aus. Der GLS ist der üppigste und luxuriöseste Mercedes-Geländewagen; Andreas Zygan – Entwicklungsleiter SUVs – spricht von der "S-Klasse unter den SUVs". Seit 2015 firmiert der ursprünglich als GL eingeführte Fullsizer denn auch als GLS. Wenn es ums Abräumen der ebenso solventen wie platzhungrigen Kundschaft geht, steht der große Mercedes allerdings nicht mehr allein da, mit dem X7 hat BMW unlängst einen schlagkräftigen Konkurrenten auf die Räder gestellt.

Aus gutem Grund, denn die Großformate spülen ordentlich Geld in die Kasse. Wie der X7 ist auch der GLS ein echter Ami, gebaut wird er in Tuscaloosa/Alabama. Die USA hat Mercedes als größten Absatzmarkt im Visier, gefolgt von China.

Sieben Sitze für die Soccer-Mum

Bis zu sieben Sitzplätze sollen sicherstellen, dass die Soccer-Mum nebst den eigenen Kids auch noch diverse Buddies an Bord nehmen kann. Standard in den USA ist allerdings die sechssitzige Bestuhlung, zwei komfortable Einzelsitze – auf Wunsch beheizt, klimatisiert und mit Massagefunktion - ersetzen in diesem Fall die Dreier-Rückbank in zweiter Reihe. Die mittlere Sitzreihe lässt sich elektrisch um zehn Zentimeter in der Länge verschieben. Fürstliche Beinfreiheit findet man dort vor, selbst ganz hinten sind Passagiere bis zu einer Körpergröße von 1,95 Metern noch bequem untergebracht. Eine gewisse Gelenkigkeit sollten sie allerdings mitbringen, um sich zu ihren Plätzen vorarbeiten zu können.

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Bis zu elf USB-Anschlüsse binden Smartphones oder Laptops ein, das MBUX-Fond-Entertainment stellt außerdem zwei 11,6-Zoll-Touchscreens bereit, optional gibt es ein 7-Zoll-Android-Tablet samt Docking-Station, und die gleichermaßen aufpreispflichtige Fünf-Zonen-Klimaautomatik platziert die Passagiere in jeweils individuellen Klimazonen.

Um der Kundschaft umständliches Hantieren mit diversen Verstellmechanismen zu ersparen, lassen sich sämtliche Sitze entweder einzeln oder komplett per Knopfdruck umlegen bzw. – Reihe drei – im Ladeboden versenken. Dann tun sich die unendlichen Weiten eines völlig ebenen, 2,20 Meter langen und 2400 Liter großen Kofferraums vor. Selbst bei voller Bestuhlung bleibt noch ein 470-Liter-Gepäckabteil übrig. Zum Vergleich: Ein VW Golf stellt 380 Liter bereit. Um Beladung und Ein- bzw. Ausstieg zu erleichtern, senkt die serienmäßige Luftfederung den großen Wagen ab.

Verständnisvolles Infotainment

Fahrer und Beifahrer blicken auf die digitale Breitbildlandschaft des Widescreen-Cockpits, das sich trotz seiner vielfältigen Möglichkeiten nach verhältnismäßig kurzer Einarbeitungszeit erfreulich intuitiv bedienen lässt. Dies gilt auch für das aktuell upgedatete MBUX-Infotainmentsystem, personalisierbar und zudem buchstäblich verständnisvoll, da es auf umgangssprachlich formulierte Sätze  - "Hey Mercedes, stelle die Sitzheizung auf Stufe drei", "Hey Mercedes, ich habe Hunger" – kundig reagiert, beispielsweise nahegelegene Restaurants vorschlägt und zuvorkommenderweise auch gleich die Navigation startet.

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Seine Bestimmung wird das Bigsize-SUV vorzugsweise auf der Langstrecke finden. Über die pfeilgeraden US-Interstates gleitet der GLS denn auch leise, sanft und mit dem Komfort einer rollenden Lounge dahin. Wie zuvor schon der Midsizer GLE bekommt auch der GLS optional das aktive Fahrwerk "E-Active Body Control", das mit Hilfe elektrisch betriebener Hydraulikpumpen lästigen Wank-, Nick- und Hubbewegungen entgegenarbeitet. Speziell im Gelände führt das dazu, dass der GLS erstaunlich ungerührt über rumpeliges Terrain hinweggeht.

Freischaukeln aus der Sanddüne

Überhaupt wird das Luxus-SUV dem "G" in Namen bemerkenswert souverän gerecht. Bei Heber City, wo alles ein bisschen wie in der Schweiz aussieht, sind anspruchsvolle Trails für Geländefahrzeuge freigegeben, deren Herausforderungen – felsige Trümmer, Wasserdurchfahrten, steile Downhills – der serienmäßig allradgetriebene GLS in vertrauenerweckender Gelassenheit meistert. Wer ambitioniert klettern will, kann das Offroad-Paket mit Low-Range-Geländeübersetzung buchen, das mittels Offroad-Score zudem die fahrerische Leistung bewertet. Und wer sich im Sand festgefahren hat, darf auf den Freischaukel-Modus hoffen, mit dessen Hilfe sich der GLS selbstständig aus der misslichen Lage befreit.

Überhaupt steckt, meist gegen Aufpreis, alles an Assistenzsystemen im GLS, was der Kunde von einem Luxusliner erwartet. Das Top-SUV aus dem Mercedes-Stall erahnt Staus oder zähfließenden Verkehr im Voraus und reduziert vorsichtshalber das Tempo, im Stau selbst übernimmt der GLS dann selbst, wobei er bis zu einer Minute nach Stillstand automatisch wieder anfährt und außerdem beim Bilden einer Rettungsgasse unterstützt. Und der Anhängerrangier-Assistent hilft beim Umgang mit dem Zugpferd, das immerhin bis zu 3,5 Tonnen auf den Haken nehmen kann.

Schon sauber nach Euro 6d

Nach Deutschland kommt der GLS zunächst dieselnd. Wir fanden: Der 243 kW (330 PS) starke Dreiliter-Reihensechszylinder im GLS 400d ist die Idealbesetzung. Überaus kultiviert, laufruhig und leise macht er sich ans Werk, schöpft drehmomenttechnisch aus dem Vollen (700 Nm) und kooperiert bestens mit der unauffällig arbeitenden 9-G-Automatik. Im tempotechnisch reglementierten Utah reichten ihm dabei etwa 8,5 l/100 km. Ein paar Pferdestärken weniger bringt die kleinere Ausbaustufe 350d mit 210 kW (286 PS) auf den Prüfstand. Beide Diesel tun bereits der Abgasnorm Euro 6d Genüge, die erst ab Januar 2020 verbindlich wird.

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Anders als der BMW X7 kommt der Mercedes GLS auch als Achtzylinder nach Deutschland, allerdings erst Anfang nächsten Jahres. Der GLS 580 holt sich aus vier Litern Hubraum 360 kW (489 PS), über 48-Volt-Technologie mit integriertem Startergenerator (ISG) "boosten" sich da noch weitere 22 PS dazu. Beim Drehmoment (700 Nm) addieren sich 250 Boost-Nm obendrauf. Natürlich ist der teilelektrifizierte V8 in Sachen Leistung die Königslösung und wird die Mehrheit der US-Käufer für sich gewinnen. In Deutschland, wo der Sprit bekanntlich nicht ganz so billig ist, dürfte ihn hingegen kaum einer kaufen.

Jede Menge Luxus, Platz im Überfluss, feinste Fahrleistungen, obendrein Kompetenz im Gelände – das hat seinen Preis. Unter 85.924 Euro ist beim GLS 350d nichts zu machen, der empfehlenswerte 400d fährt erst ab 90.396 Euro vor. Beim 580, dessen Preis noch nicht feststeht, dürfte da noch Luft nach oben sein.

Mit Waschanlagen-Funktion

Eine ganze Stange Geld also für ein sicherlich großartiges und auch großes Auto - zu groß womöglich für deutsche Städte. Zumindest in einer Situation kann sich der GLS aber auch klein machen: In der Waschanlage. Hier werden nicht nur die automatischen Scheibenwischer deaktiviert und es schließen Panoramadach sowie die Scheiben. Obendrein klappen auch die Außenspiegel ein und die Luftfederung fährt in die höchste Stellung, so dass sich die Spurbreite auf platzsparende Maße verringert.

Ulla Ellmer

Mercedes GLS in Kürze:

Wann er kommt: Bereits bestellbar, zum Jahresende beim Händler

Wen er ins Visier nimmt: BMW X7

Was ihn antreibt: Sechszylinder-Diesel mit 210 kW (286 PS) und 243 kW (330 PS)

Was er kostet: Ab 85.924 Euro

Was noch kommt: V8-Benziner mit 360 kW (489 PS), AMG-Variante, Maybach-Version

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