Reisemobile von Roadfans: Smartphone als Schlüssel

5.5.2021, 18:21 Uhr
Reisemobile von Roadfans: Smartphone als Schlüssel

© roadfans

Manchmal muss es ein unerfreuliches Erlebnis sein, damit daraus etwas Positives erwächst. Die Cousins Joscha Stephan (34) und Jan Philipp Harmes (29) haben eine derartige Geschichte zu erzählen: 2016 sollte es für Stephan ein Wochenendtrip an den Gardasee sein, gemeinsam mit ein paar Freunden, spontan, flexibel und ungebunden, also: mit dem Wohnmobil.  Gute Idee? Ja, aber mit unerwarteten Hürden verbunden, was die Fahndung nach einem geeigneten Feriendomizil auf Rädern betraf. Die von den Anbietern eingeforderte lange Mindestmietdauer erwies sich als das eine, starr festgezurrte Abhol- und Abgabezeiten als das andere Problem. Vor allem aber streifte Stephan vergebens auf der Suche nach Online-Buchungsmöglichkeiten durchs Internet.

Kontaktfrei zum Reisemobil

Der maximale Frust mündete in eine Geschäftsidee: Joscha Stephan und Jan Philipp Harmes beschlossen, ihren eigenen Wohnmobil-Verleih zu gründen, einen, bei dem vieles anders sein sollte, moderner nämlich, und onlinefokussierter. Im April 2017 gingen die jungen Niederrheiner mit Roadfans an den Start. Das Konzept: So gut wie alles funktioniert digital; von der Buchung über die Besichtigung und die Einweisung per Erklärvideo bis hin – und das ist das eigentlich Besondere - zur Fahrzeugübernahme und -rückgabe. Denn: Wie man es vom Carsharing kennt, lassen sich die Reisemobile unkompliziert mit dem Smartphone öffnen und schließen. Rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Und kontaktlos, was in den Zeiten der Pandemie ein besonders relevantes Kriterium ist.

Aus dem einstigen Start-up-Status ist Roadfans längst herausgewachsen. Aus sieben Fahrzeugen und einem Standort in Mönchengladbach sind inzwischen rund 500 Campingbusse und Wohnmobile verschiedenster Bauart geworden, die deutschlandweit an acht Stationen bereitstehen, unter anderem in Köln, Hamburg und München, gute Ausgangspunkte also für Reisen in die Niederlande, nach Skandinavien und gen Süden.

Reisemobile von Roadfans: Smartphone als Schlüssel

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Durchgecheckt und desinfiziert

Durchweg handelt es sich bei den Reisemobilen um Neufahrzeuge, "nach einem Jahr werden sie über unsere Plattform weiterverkauft", erklärt Joscha Stephan. Wenn es der Kunde will, bekommt er sein – vorab immer durchgechecktes, gereinigtes und desinfiziertes - "Rolling Home" komplett ausgestattet, mit Küchenset, Gasgrill oder E-Bikes, auch das Haustier darf mit an Bord. Europaweites und unbegrenztes Highspeed-WLAN ist als Zusatzoption buchbar, was die Navigation über Google Maps ebenso sicherstellt wie das Unterhaltungsprogramm via Netflix oder Spotify.

Die Mietpreise bewegen sich zwischen 80 und 150 Euro pro Tag, 300 Freikilometer pro Tag inklusive, ein Durchschnittswert, denn letztlich  zählen die summa summarum erreichten Gesamtkilometer. Eine Mindestmietdauer gibt es nicht, das Mindestmietalter beträgt 21 Jahre, auf Nachfrage können jüngere Interessenten aber zumindest eines der kleineren Fahrzeuge erhalten, wie es heißt.

Junges Publikum

Ohnedies ist die Klientel von Roadfans vergleichsweise jung. "Normalerweise sind die Mieter von Reisemobilen eher über 50, unser Publikum verteilt sich aber sehr gleichmäßig über die Altersgruppe 28 bis 55 Jahre", sagt Stephan. Das digitale Geschäftsmodell zieht Jungvolk an; hinzu kommt, dass der bei dieser Klientel ohnehin populäre Outdoor- und Campingurlaub durch Corona noch weiteren Zuspruch erfahren hat.

Überhaupt die Pandemie. Als Corona 2020 die Reisebranche heimgesucht hat, sei das zunächst "eine sehr schwere Zeit gewesen", erinnert sich Joscha Stephan. Zig Stornierungen tagtäglich, bis man Ende April "fast nichts mehr in den Auftragsbüchern gehabt“ habe. Doch mit den ersten Öffnungssignalen im Mai sei „das Geschäft explodiert": Plötzlich erwiesen sich die weitgehend kontaktfrei möglichen und daher risikoarmen Ferien im Wohnmobil als die Urlaubsform der Stunde. "Ende Mai waren wir für den Rest des Jahres praktisch ausgebucht", sagt Stephan.

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Was der Sommer 2021 bringt, ist im Augenblick unklar. Noch sind viele Campingplätze geschlossen, noch ist unkompliziertes Reisen nicht wirklich möglich. Trotzdem haben WoMo-Urlauber vergleichsweise gute Karten – in einem autarken Fahrzeug mit eigener Küche und Sanitäreinrichtung sind sie nicht unbedingt auf einen Campingplatz angewiesen. "Unsere Kunden fahren derzeit kürzere Touren, oft übernachten sie beispielsweise auf Restaurantparkplätzen", sagt Stephan. Als Sicherheitsnetz spannt Roadfans die Möglichkeit, eine Buchung bis 14 Tage vor Reiseantritt kostenfrei in einen Gutschein umwandeln zu können.

Expansion geplant

Doch aktuell zeichnen sich erste Lockerungen und Öffnungsschritte ab, ein Silberstreif am Horizont. Und so blickt das Unternehmen optimistisch auf die kommenden Monate – und auch darüber hinaus. Bis 2022 soll die Flotte auf mindestens 1000 Fahrzeuge wachsen, dazu sind weitere Standorte geplant, in Berlin, Stuttgart oder Frankfurt etwa, aber auch im Ausland. Wien und vermutlich Amsterdam machen 2022 den Anfang, sukzessive sieht die Agenda eine europaweite Expansion vor, mit Stationen in beliebten Urlaubsregionen wie Spanien, die sich bequem mit dem Flugzeug ansteuern lassen. Und spätestens 2022 sollen über die Roadfans-Plattform Stellplätze an schönen Fleckchen wie Weingütern oder Bauernhöfen zu buchen sein.

Familiärer Hintergrund

Von bescheidenen 50.000 Euro in 2017 ist der Umsatz auf 10 Millionen Euro im vergangenen Jahr gestiegen. Zahlen, die auch die weitreichende Entscheidung der Gründercousins bestätigen, ihre bisherigen Jobs für das eigene Unternehmen aufzugeben. Joscha Stephan war zuvor im Marketing der BMW Group tätig, Jan Philipp Harmes arbeitete an seiner Dissertation im Bereich Produktionsplanung. Und einen familiären Hintergrund gibt es auch: Der gemeinsame Großvater der Cousins, ein Schreinermeister, hatte nach dem Zweiten Weltkrieg damit begonnen, selbst Wohnmobile zu bauen. Dass das unerfreuliche Urlaubs-Erlebnis vom Gardasee nicht nur zu einer gewinnbringenden Geschäftsidee geführt hat, sondern auch zu einem ganz neuen Lebensentwurf, ist da vielleicht vorgezeichnet gewesen.

Ulla Ellmer