Run auf die Reisemobile

25.8.2019, 20:37 Uhr
Run auf die Reisemobile

© Hersteller

In der Pkw-Branche scheinen Automessen zu einem Auslaufmodell zu werden. Selbst ein Gipfeltreffen wie die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt leidet unter einer Vielzahl von Absagen. Sorgen, die in der Caravaning-Szene unbekannt sind. Der 58. Caravan-Salon vom 30. August bis 8. September platzt mit 600 Ausstellern und 2100 präsentierten Freizeit-Fahrzeugen von mehr als 130 verschiedenen Marken wieder aus allen Nähten.

Größter Treiber des seit Jahren anhaltenden Caravaning-Booms ist das Geschäft mit den Reisemobilen, was sich in einer Flut von Produkt-Neuheiten niederschlägt. Die Trends haben sich dabei kaum verändert. "Kompakte Fahrzeuge, Konnektivität und Komfort bestimmen die Szenerie", erklärt Daniel Onggowinarso, der Geschäftsführer des Caravaning-Verbandes CIVD. "Campingbusse ohne Bad werden stärker nachgefragt. Und natürlich hat die größere Auswahl an Basis-Fahrzeugen spürbar den Markt belebt."

Der California bleibt Marktführer

Tatsächlich haben zuletzt die Camper und Kastenwagen am stärksten von dem Run auf die Reisemobile profitiert und mit einem Anteil von 40 Prozent an den Gesamtzulassungen die teilintegrierten Fahrzeuge (37,7 Prozent) überholt. Unangefochtener Marktführer bei den Campingbussen ist weiterhin der VW California, dessen facegeliftete Version T6.1 in Düsseldorf Premiere feiert. Die Konkurrenz wird allerdings größer. So präsentiert Mercedes-Benz seinen überarbeiteten Camper Marco Polo nebst der abgespeckten Horizon-Variante ohne Camping-Einbauten, Ford will gemeinsam mit Westfalia im Frühjahr 2020 einen sechs Meter langen Big Nugget mit Nasszelle an den Start schicken, und Citroen bietet den Jumper Biker Solution speziell für Motorradfahrer an –mit einer rudimentärer Campingausstattung zwar, dafür können die Bikes im Innenraum transportiert werden.

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Mit dem Crosscamp taucht sogar ein neuer Player im Campingbus-Segment auf. Der Ableger der Erwin-Hymer-Gruppe ermöglicht damit auch Toyota einen Einstieg in den hiesigen Freizeitmarkt. Der Crosscamp wird bei Dethleffs in Allgäu gefertigt, basiert auf dem Proace Verso mit Aufstelldach, variablem Innenraum und herausnehmbarer Küche und ist quasi der Zwillingsbruder des Pössl Campsters, der auf dem baugleichen Citroen Spacetourer sehr erfolgreich unterwegs ist. So erfolgreich, dass als Ergänzung nun auch ein Vanster debütiert, ohne Möblierung, dafür aber schon zu Preisen ab 28.000 Euro.

Mercedes Sprinter im Mittelpunkt

In allen anderen Kategorien, von den Luxusliners im Lkw-Format einmal abgesehen, rückt beim Neuheiten-Rundgang unweigerlich der Mercedes Sprinter in den Mittelpunkt. Der Stuttgarter Transporter hat seit seinem Start vor zwei Jahren viel neues Terrain erobert, weil die Triebkopf-Variante den Aufbauherstellern von teil- und vollintegrierten Fahrzeugen entgegenkommt, weil erstmals platz- und gewichtsparender Vorderradantrieb möglich ist und weil bestes Infotainment mit dem Multimediasystem MBUX, eine Vernetzung als "Smart-Home" (MBAC) und eine ganze Armada von Assistenzsystemen verfügbar ist. Ein gutes Dutzend auch internationaler Aufbauhersteller bringt über 20 Sprinter-Neuheiten mit nach Düsseldorf.

Besonders scheint der Sternen-Transporter die Kastenwagen-Ausbauer inspiriert zu haben. Die Marke Hymer schickt mit dem Duo Car S, das eine ungewöhnliche, zum Doppelbett umbaubare Längscouch an Bord hat, und dem Free S600 mit Aufstelldach gleich zwei Camper-Vans an den Start. Westfalia zeigt die Neuauflage des Klassikers James Cook mit einem mutigen Heck-Slide-out und bietet als erster das Mercedes MBAC-System in Serie an, und Frankia  gibt mit dem Yucon auf Sprinter-Basis sein generelles Kastenwagen-Debüt und wird damit zum Vollsortimenter.

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Bei der Traditionsmarke Bürstner feiert der Sprinter wiederum als teilintegriertes Fahrzeug Lyseo M Harmony-Line sein Comeback. Premium-Hersteller Carthago stellt die Vollintegrierten Chic e-line und c-line vor. Und international wird die Geschichte mit den Laika-, Rapido- und Kabe-Premieren aus Italien, Frankreich und Schweden.

Den VW Crafter, der als eigener Grand-California-Ausbau gewiss einen starken Auftritt haben wird, stellt der Sprinter damit deutlich in den Schatten. Dafür gewinnt das Crafter-Schwestermodell MAN TGE an Boden. Nach dem bereits im Vorjahr eingeführten Knaus Van TI Plus will jetzt auch Westfalia den Sven Hedin auf Basis der MAN-Variante anbieten, und auch die polnische Marke Balcamp baut einen Kastenwagen in der MAN-Version aus.

Ducato mit sauberem Diesel

Beherrschendes Basisfahrzeug bei den Reisemobilen bleibt dennoch der Fiat Ducato, der nun endlich mit Euro-6d-temp-konformen Dieselmotoren und AdBlue-Abgasreinigung ausgerüstet ist und außerdem mit einer vernünftigen 9-Gang-Automatik geordert werden kann. Hier stehen die wichtigsten Neuheiten bei Knaus-Tabbert mit den Integrierten Knaus Live I und Weinsberg Cara-Core, der bei der Einsteigermarke schon ab 55.990 Euro zu haben sein wird.

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Oder bei Eura Mobil mit der neuen Baureihe Contura, der als teilintegrierter Ableger des Luxusliners Integra in der Oberklasse angreifen soll. Er wird sowohl auf Ducato-Basis oder mit einem Sprinter-Fahrgestellt angeboten.

Die Hobby-Werke setzen dagegen bei ihrer teilintegrierten Debüt-Baureihe Optima Ontour auf den preisgünstigeren Citroen Jumper. Damit sinkt der Einstieg in die Welt der Teilintegrierten bei den Nordlichtern deutlich unter die 50.000-Euro-Marke. Der ungewöhnliche Grundriss T65 HKM mit großer Mittelsitzgruppe und Stockbetten im Heck für maximal sechs Mitfahrer bietet sich dabei als Alternative zum Alkoven an.

Michael Lennartz

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