Toyota: Elektrisch ohne Euphorie

2.11.2019, 14:41 Uhr
Toyota: Elektrisch ohne Euphorie

© Hersteller

"China", sagt Alain Uyttenhoven, "hat alles verändert". Uyttenhoven steht als Chef Toyota Deutschland vor, auch der Blick seines Unternehmens muss sich auf den wichtigen Absatzmarkt im Reich der Mitte richten, das nur gut 800 Kilometer von Japan entfernt liegt.

Konsequent hat die chinesische Autokratie ihrem Land die Hinwendung zur Elektromobilität verordnet. Auch deshalb powert VW bei den BEVs, den "battery electric vehicles", auch deshalb muss Toyota handeln. Dabei hatte der größte japanische Hersteller der batterieelektrischen Mobilität bislang konsequent die kalte Schulter gezeigt. Derzeit führt Toyota kein einziges BEV im Programm, bei den Plug-in-Hybriden hält nur der Prius PHEV die Stellung.

Stattdessen hat sich das Unternehmen mit "normalen", nicht an der Steckdose aufladbaren Hybriden einen grünen Ruf erworben, wobei freilich durchaus darauf hinzuweisen ist, dass das Modellprogramm auch Spritschlucker wie den mächtige XL-Pick-up Tundra oder den großen Geländegänger Land Cruiser umfasst.

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Elektrischer City-Flitzer

BEV, jetzt also doch: Auf der Tokyo Motor Show 2019 (bis 4. November) zeigt Toyota einen ultrakleinen, zweisitzigen und maximal 60 km/h schnellen City-Flitzer im Smart-Stil, der mit einer Akkuladung 100 Kilometer weit stromert. Bereits 2020 soll das Mini-Mobil in Japan auf den Markt kommen. Und auch jene Showcars, bei denen es eigentlich um Künstliche Intelligenz geht - der Toyota LQ beispielsweise und der flügeltürige Lexus LF-30 - fahren mit Akku an Bord, ebenso wie die diversen Studien autonomer Shuttlebusse oder Lieferroboter, der Scooter und Sedgeways sowie des nicht ganz ernst zu nehmenden elektrischen Hexenbesens "E-Broom".

Für 2022 oder 2023 kündigt Toyota-Entwicklungschef Shigeki Terashi zudem eine Elektro-Plattform an, auf der dann E-Autos verschiedener Größen entstehen könnten, ein kompaktes Modell für Europa beispielsweise oder ein SUV beziehungsweise eine Limousine für die USA. Auch verschiedene Plug-in-Hybride sind avisiert, im nächsten Jahr startet zunächst das Kompakt-SUV RAV4 mit extern aufladbarer Batterie, 2021 kommt mit dem Nachfolger des RX das erste Lexus-PHEV (Plug-in Hybrid Vehicle) auf den Markt.

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Zweifel beim Chefentwickler

Nach tiefer Überzeugung oder gar Euphorie hört es sich freilich nicht an, wenn Terashi auf das Thema batterieelektrische Mobilität zu sprechen kommt. In der Stadt gesteht er den E-Mobilen noch eine gewisse Sinnhaftigkeit zu. Ansonsten aber hält der Chefentwickler mit seiner Meinung nicht hinterm Berg: Die Batterien der Elektroautos seien zu schwer, die Ladezeiten zu lang, Kälte und Hitze seien Reichweitenkiller – vor allem aber kämen die BEVs viel zu teuer und seien insofern auch als Geschäftsmodell für den Hersteller in Frage zu stellen. Bevor nicht Festkörperbatterien – Vorteile: weniger Gewicht, kürzere Ladezeiten, höhere Reichweiten – reif für die Massenproduktion sind, was wohl noch mindestens zehn Jahre dauern wird, hält Terashi erkennbar wenig vom batterieelektrischen Hype.

Folglich sind auch Toyotas BEV-Aktivitäten weit von einer elektrischen Großoffensive entfernt, wie sie Volkswagen, Dauerkonkurrent um den Titel des weltweit größten Automobilherstellers, in medienwirksamer, aber nicht risikofreier Vehemenz verfolgt. Abgesehen von der Situation in China will Toyota einfach nur vorbereitet sein, wenn (noch mehr) europäische Städte Sperrzonen für Verbrenner einrichten oder wenn sich Flottenquoten für emissionsfreie Modelle ergeben beziehungsweise verschärfen.

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Man beobachte die Märkte, sagt Terashi, und was er derzeit hinsichtlich Elektromobilität sieht, gefällt ihm nicht. 2018 sind weltweit 1,21 Millionen batterieelektrischer Autos verkauft worden, der Löwenanteil – 3,3 Prozent – in China. Nur 37.000 BEVS – oder 1,1 Prozent – wurden in Deutschland unters Volk gebracht. Und die beachtlichen 31,2 Prozent (oder 46.000 Einheiten), die auf Norwegen entfallen, hatten ausschließlich mit den überaus großzügigen E-Subventionen zu tun, die das skandinavische Land gewährt - und damit, dass dort nahezu 80 Prozent des Stroms mit umweltfreundlicher Wasserkraft erzeugt wird und zu günstigen Preisen aus der Steckdose fließt.

Koexistenz der Antriebsarten

Solange kein Land den Schalter komplett umlege und den Verbrenner verbiete, so stellt Terashi klar, werde Toyota bauen, was die Kunden wollen und was zur Situation im jeweiligen Land passe, Punkt - eine friedliche Koexistenz aller Antriebsarten also.

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Hier steht für Toyota weiterhin klar der Hybrid im Fokus. Der "normale" wohlgemerkt - denn sich beim Plug-in mit zig Extra-Kilos an Batteriegewicht zu belasten, um schlussendlich eine elektrische Reichweite von 50 Kilometern zu erzielen, ist nach Ansicht von Chefentwickler Terashi ökologisch wenig sinnstiftend. Die neue, für Ende 2020 erwartete neue Generation des Kleinwagens Yaris wird ausschließlich mit Hybridantrieb erhältlich sein. Daneben vertraut man auf die Brennstoffzellentechnologie als sinnvollere Form der Elektromobilität, die ebenfalls in Tokio gezeigte zweite Generation der Wasserstofflimousine Mirai kommt 2020 auf den Markt.

Keine Sorge wegen CO2

Anders als die europäischen Premiumhersteller hat es Toyota letztlich nicht nötig, im großen Stil Elektroautos auf den Markt zu bringen. Am Horizont des Jahres 2020 droht bekanntlich der Flottengrenzwert von 95 g/km CO2, wer den reißt, muss mit hohen Strafzahlungen rechnen. "Darüber brauchen wir uns keine Gedanken machen", sagt Toyota-Deutschland-Chef Uyttenhofen – dank des umfangreichen Hybrid-Angebots sei der Grenzwert bereits jetzt so gut wie erfüllt.

Ulla Ellmer

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