VW Caddy: "Nutzi" nur dem Namen nach

27.10.2020, 20:58 Uhr
VW Caddy:

© Hersteller

Über 40 Jahre ist es her, dass der erste Caddy auf der Bildfläche erschien. Man schrieb das Jahr 1978, und das Fahrzeug, das sich da vorstellte, war ein Pick-up auf Basis des Golf I.

2020 ist der Caddy auf den Modularen Querbaukasten (MQB) des Volkswagen-Konzerns umgestiegen und pflegt einen engen Verwandtschaftsgrad zum aktuellen Golf 8. Als praktischer Kastenwagen mit dem programmatischen Namen "Cargo" wendet er sich zwar nach wie vor an Handwerker, Liefer- oder Pflegedienste. Ebenso, dann als Kombi und Van, sind aber auch Familien beziehungsweise Freizeitsportler mit ambitioniertem Platzbedarf seine Zielgruppe. Zu jeweils 50 Prozent, schätzt Andre Bertelsmeier, Leiter Produktmarketing bei VWN, dürften sich die Verkaufszahlen zwischen beiden Welten aufteilen.

Funktionale Bauweise

Als "charismatisch" preist VW das Design des Neuen. Große Worte, denn zum optischen Aufreißer kann der Caddy schon aufgrund seiner funktionalen Bauweise nicht werden. Attraktiver ist die Generation V aber allemal geworden, mit optionalen LED-Scheinwerfern, leicht ausgestellten Kotflügeln, einem modern gestalteten Heck samt großem Fenster und schmalen Rückleuchten. Licht in den Innenraum lässt optional ein 1,4 Quadratmeter großes Panoramadach.

Pflegeleichtes Hartplastik ist im Cockpit nach wie vor der zentrale Werkstoff, der Wunsch nach soften Oberflächen sei aus Umfragen unter der pragmatisch denkenden Kundschaft nicht hervorgegangen, sagt Bertelsmeier. Billig sieht das Interieur indes nicht aus, wie auch die Verarbeitungsqualität ohne Fehl ist. Vom Golf übernimmt der Caddy die umfangreiche Digitalisierung und die Online-Services; als auch wörtlich zu nehmende ganz große Lösung gibt es das "Innovision-Cockpit", das ein volldigitales Instrumentarium mit dem 10-Zoll-Top-Navigationssystem "Discover Pro" kombiniert. Konventionelle Bedienelemente verschwinden dann weitestgehend, auch zugunsten der – nicht unumstrittenen – "Slider" für Lautstärke- und Temperaturregelung.

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Vom frugalen "Nutzi" hat das dann nichts mehr, zumal der Kunde das Leben mit dem Caddy auch mit Ambientelicht, dem schlüssellosen Start- und Schließsystem ('Keyless Access') oder einer elektrischen Zuziehhilfe für die Schiebetüren und die Heckklappe verhältnismäßig luxuriös gestalten kann.

Die Funktionalität bleibt freilich erhalten. Wie gehabt, gewährt der Caddy unkomplizierten Zustieg über die erwähnten Schiebetüren, der auf 2,76 Meter verlängerte Radstand eröffnet fürstliche Platzverhältnisse, ungemein viel Luft über dem Scheitel inklusive. Der Kofferraum nimmt 1213 Liter auf.

Dritte Sitzreihe

Auf Wunsch gibt es eine dritte Sitzreihe mit zwei zusätzlichen Sitzplätzen, die – wie auch das Gestühl in Reihe zwei – nicht nur klapp- und "wickelbar" sind, sondern sich auch flugs und flexibel ausbauen lassen. Wir haben es nicht ausprobiert, aber ein Fahrrad aufrecht zu transportieren, soll dann kein Problem sein. Speziell beim "Cargo" lässt sich eine Europalette quer ins Heck einladen.

Wer noch mehr Platz braucht, kann den Caddy Anfang 2021 auch als "Maxi" mit extrabreiten Schiebetüren ordern. Er streckt sich um 35 Zentimeter über das 4,50 Meter lange Standardmodell hinaus. Beim Cargo Maxi vergrößert sich der Laderaum von 3,1 auf 3,7 m3, durch die Schiebetüren ist eine zweite Europalette zuzuladen.

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Beim Fahrwerk räumt die neue Generation mit einem Charakteristikum der Vorgänger auf: Nach wie vor bleibt es zwar bei einer robusten und belastbaren Starrachse, doch sie ist nunmehr längslenkergeführt und die bislang verbauten Blattfedern werden von einer Schraubenfeder-Konstruktion ersetzt. Die Maßnahmen verbessern den Fahrkomfort spürbar. Zur Agilität und dem geschmeidigen Abrollverhalten des Golf können sie trotzdem nicht verhelfen, Schadstellen im Asphalt werden noch immer mit einer gewissen Robustheit weitergegeben, hier bleibt der Caddy denn doch Nutzfahrzeug.

Neue Fahrassistenten

Verlassen kann sich der Fahrer auf insgesamt 19 Fahrassistenten, von denen fünf neu sind, darunter der serienmäßige Abbiegeassistent, der Unfälle beim Kreuzen der Gegenfahrbahn vermeiden hilft, ferner der "Travel Assist" für assistiertes Fahren über den gesamten Geschwindigkeitsbereich und der Anhängerrangierassistent "Trailer Assist".

Motorseitig führt die Preisliste zum Bestellstart im November drei Ausbaustufen des mittels aufwendigem Twindosing-System abgasbereinigten Zweiliter-TDI auf: 55 kW/75 PS (nur "Cargo"), 75 kW/102 PS und 90 kW/122 PS. Daneben wird es einen 1,5-l-TSI-Turbobenziner mit 84 kW/114 PS geben. Alle Motoren entsprechen der Abgasnorm Euro 6d-ISC-FCM.

Als Alternative zum Sechsgang-Handschalter lässt sich ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe buchen. Auch die Option "Allradantrieb" ist in Vorbereitung.

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Im kommenden Jahr folgt eine Erdgasvariante (TGI, 96 kW/130 PS). Und für 2022 ist ein Plug-in-Hybrid avisiert, von dem Produktmarketing-Chef Bertelsmeier sagt, dass er eine Weiterentwicklung der im Golf e-Hybrid eingesetzten Technologie darstellen wird und maximal 100 Kilometer elektrischer Reichweite ermöglichen könnte.

Campen im Caddy

Das Preisspektrum für den Caddy Kombi Eco Profi mit 102-PS-Diesel beginnt bei 25.044 Euro, für den Caddy Cargo EcoProfi mit 75-PS-TDI werden mindestens 20.863 Euro aufgerufen, 16 Prozent MwSt jeweils inklusive.

Passgenau zum Beginn der Reisesaison 2021 bekommt der Caddy Beach einen Nachfolger: Der in zwei Längen erhältliche und als Wohnmobil zulassungsfähige Camper "California" lässt sich mit Miniküche, Panoramaglasdach und Zelt wohntauglich ausgestalten. Gleichfalls 2021 ergänzt der "PanAmericana" das Programm – ein Crossover aus Van und SUV, der dem Caddy dann auch die Globetrotter als ganz neue Zielgruppe erschließen soll.

Ulla Ellmer

VW Caddy in Kürze:

Wann er kommt: Verkaufsstart Ende November

Wen er ins Visier nimmt: Opel Combo, Citroën Berlingo, Renault Kangoo, Fiat Doblo

Was ihn antreibt: Zweiliter-TDI mit 55 kW/75 PS, 75 kW/102 PS und 90 kW/122 PS. 1,5-l-TSI-Turbobenziner mit 84 kW/114 PS

Was er kostet: Caddy Kombi ab 25.044 Euro, Caddy Cargo ab 20.863 Euro

Was noch kommt: Erdgas-Variante, Plug-in-Hybrid. Reisemobil-Variante "California", Crossover "Panamericana"