Humorvoll sentimentale Geschichte

Der Wald, das einsame Haus, die Träume: Petzoldsche Motive in "Roter Himmel"

20.4.2023, 16:00 Uhr
Ferien an der Ostsee - und alles kommt ganz anders als gedacht. Szene mit Thomas Schubert als Leon und Paula Beer als Nadja aus dem Film "Roter Himmel".

© Christian Schulz Ferien an der Ostsee - und alles kommt ganz anders als gedacht. Szene mit Thomas Schubert als Leon und Paula Beer als Nadja aus dem Film "Roter Himmel".

Der junge Schriftsteller Leon (Thomas Schubert) steckt bei der Arbeit an seinem zweiten Buch fest. Spätestens, wenn er den Titel verrät, ist klar: Er sollte noch mal gründlich nachdenken - "Club Sandwich"? Schon dieses Detail zeigt, wie Christian Petzold sich in "Roter Himmel" auch mal für Humor der etwas tapsigeren Art nicht zu schade ist.

Petzold ("Barbara", "Undine") muss mit seinem inzwischen 18. Spielfilm niemandem mehr etwas beweisen. Im Gegenteil: man spürt so etwas wie eine neue Leichtigkeit im Blick auf seine Figuren und deren menschlichen Irrwege. "Roter Himmel" ist ein veritabler Sommerfilm. In dem Ferienhaus, in dem sich Leon gemeinsam mit seinem alten Freund Felix (Langston Uibel) einquartiert, um in Ruhe sein Buch auf den richtigen Weg zu bringen, wähnt man sich bisweilen eher in Frankreich denn an der deutschen Ostseeküste.

Die Jahreszeitenfilme Eric Rohmers bilden den klaren atmosphärischen Bezugspunkt für die komödiantischen Verwicklungen zwischen fünf Menschen in dem von Wald umgebenen Haus in Strandnähe.

Wobei: Allzu viel verwickelt sich in der zunächst sanft dahinschwebenden Geschichte gar nicht, außer dass Leon - von Thomas Schubert mit schönster Miesepetrigkeit gespielt - sich immer mehr in sein Gehäuse vom unverstanden-zerquälten Schriftsteller zurückzieht, während um ihn herum das Leben passiert.

Felix und er haben das Haus nämlich zu ihrer Überraschung nicht für sich allein: Nadja (Paula Beer), die an der Strandpromenade Eis verkauft, ist auch da. Und sehr zum Unmut des schlaflosen Leon bekommt sie nächtlichen Besuch von Rettungsschwimmer Devid (Enno Trebs). Auch steht der Besuch von Leons Verleger Helmut (Matthias Brandt) an, der mit "Club Sandwich" hart ins Gericht gehen wird.

Und ringsum brennt der Wald

Die amourösen Konstellationen zwischen den jungen Leuten erweisen sich als sehr beweglich, nur Leon ist starr und isoliert sich. Wenn Nadja ihn etwa auffordert, mit an den Strand zu gehen, verbarrikadiert sich Leon hinter einem gestelzten "Die Arbeit lässt das leider nicht zu" - dabei fühlt er sich in Wahrheit immer mehr zu ihr hingezogen.

Es ist eine Lust zu verfolgen, wie Petzolds Regie und Hans Fromms Kamera liebevoll und zugleich etwas spöttisch - und darin gewissermaßen Nadjas Verbündete - Leons hilflose Manöver in Szene setzen. So finden sie Momente voller Situationskomik, etwa wenn er heimlich in Nadjas Sachen stöbert und dann aus Angst vor Entdeckung zu seinem Laptop rennt und so tut, als sei er seit Stunden in seinen Text vertieft. Als unterschwellige Bedrohung die ganze Zeit präsent sind die Waldbrände, die sich ringsum ausbreiten. Nach all der Leichtigkeit bekommt "Roter Himmel" zuletzt dadurch eine dramatische Wendung. Den Film durchziehen Motive der deutschen Romantik, die zudem typisch Petzoldsche Motive sind: der Wald, das einsame Haus, die Träume.

Die Geschichte vom endlosen Kreisen um sich selbst, von Sehnsucht und Eifersucht, während man gegenüber dem Rest der Welt so lange blind bleibt, bis die Katastrophe da und alles zu spät ist - sie passt nur zu gut in unsere Zeit. Umso beeindruckender die Zärtlichkeit und Nonchalance, mit der Petzold eine so humorvoll sentimentale Geschichte ins Desaster und dieses wiederum in die Sphäre der Kunst überführt.

In diesen Kinos läuft der Film.

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