"Frau Stern": Sterbenswillig, aber trotzdem quicklebendig

29.8.2019, 09:00 Uhr

© Neue Visionen

Trotz des Raucherhustens. Der Arzt, bei dem sie nach Möglichkeiten der Sterbehilfe fragt, hat außer ihrer verblüffenden Gesundheit noch ein weit schlagenderes Argument dagegen: "Ein deutscher Arzt, der eine jüdische KZ-Überlebende tötet!?"

Filmemacher Anatol Schuster, der vor zwei Jahren mit seinem Spielfilmdebüt "Luft" erfolgreich war, kam bei der Recherche für einen geplanten Kurzfilm auf die Idee, mit der Oma der Freundin seines Kameramanns Adrian Campean einen Spielfilm rund um das Thema "selbstbestimmtes Sterben" zu drehen. Angesiedelt im Berliner Szeneviertel Neukölln und inspiriert von einer mit der Filmerei vertrauten jüdischen Dame mit beneidenswerter Vita, glücklicherweise ohne KZ.

Und wie das bei jungen deutschen Filmemachern so üblich ist, wurde daraus auch eine ausgiebige Selbstdarstellung, respektive das Vorführen der ihnen nahestehenden Bohème, die sich den selbstbewussten Alten schon immer näher fühlte als der spießigen Elterngeneration.

So hat Frau Stern in ihrer Enkelin Elli (Kara Schröder) ein "Schätzchen", das sich um sie sorgt. Die in der Kneipe, in der sie jobbt, der Oma den Wein hinstellt und dafür sorgt, dass ihr Dealer auch bei der Großmutter mit Gras vorbeischaut. Eine Berliner Altbauidylle, mit Bewohnern im Durchschnittsalter von 25, die wenig mit der Berliner Wirklichkeit zu tun hat. Sommer ist auch dauernd.

Wäre da nicht die Hauptperson Ahuva Sommerfeld, der der Film gewidmet ist, nach dessen Fertigstellung sie mit 81 Jahren starb. Mit rauchgebeizter Stimme und sparsamen Texten gibt sie ihrem eigensinnigen Beharren auf dem Recht, sein eigenes Ende zu bestimmen, Glaubwürdigkeit, obwohl es ihr noch prima geht. Was gar nicht so einfach ist, wenn man mal drüber nachdenkt – obwohl Frau Stern sogar eine Pistole in die Finger kriegt.

Dem Filmemacher Anatol Schuster ist zu Frau Sterns ernsthafter Suche nach einem Ausgang aus ihrem glücklichen Leben so wenig eingefallen wie zur Sinnsuche seiner jungen fröhlichen Menschen, über deren Tätigkeiten sehr wenig mitgeteilt wird. Angesichts der inspirierten Bildgestaltung von Kameramann Campean zwischendurch wird’s wohl was mit Kunst sein. (D/79 Min.)

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