Verhärtete Fronten

Im Film "Das Lehrerzimmer" wird eine Lehrerin zur Ermittlerin in einer Diebstahlserie

3.5.2023, 18:57 Uhr
Die wunderbare Leonie Benesch ("Babylon Berlin") spielt in "Das Lehrerzimmer" die engagierte junge Lehrerin Carla Nowak, die alles richtig machen möchte.

© Judith Kaufmann/Alamode/dpa Die wunderbare Leonie Benesch ("Babylon Berlin") spielt in "Das Lehrerzimmer" die engagierte junge Lehrerin Carla Nowak, die alles richtig machen möchte.

Mit einer braunen Umhängetasche kommt Lehrerin Carla Nowak in den Raum. Ihre Kollegen sind schon da. Einer von ihnen, so heißt es, habe "die Thematik" schon grob umrissen: An der Schule wird seit geraumer Zeit geklaut. Am Tisch sitzen zwei Kinder, die offensichtlich dazu gebracht werden sollen, jemanden zu verpfeifen. Nowak behagt die Situation nicht.

Der Film "Das Lehrerzimmer" zeigt etliche Szenen wie diese, die sich schon beim Zusehen unangenehm anfühlen. Regisseur Ilker Çatak erzählt von einer Schule, irgendwo in Deutschland, und von einem Konflikt, der aus dem Ruder läuft. Man kann darin auch einen Kommentar auf die heutige Debattenkultur sehen. Leonie Benesch ("Der Schwarm", "Babylon Berlin") spielt die Lehrerin. Carla Nowak unterrichtet Mathematik und Sport und scheint noch relativ neu an der Schule. Dass immer wieder Gegenstände verschwinden, treibt die Lehrerschaft um. Ein Lehrer denkt sogar über einen Privatdetektiv nach. Die Jungs einer Klasse werden bald aufgefordert, ihre Geldbörsen auf den Tisch zu legen. Das sei natürlich freiwillig, sagt die Schulleiterin, "aber wer nichts zu verbergen hat, der braucht sich auch keine Sorgen machen".

Sie überschreitet eine Grenze

Verdächtigt wird dann ein Junge namens Ali, seine Mutter stellt später klar, sie habe ihm das Geld gegeben. "Geld in der Tasche zu haben, ist doch keine Straftat." Carla stört es, dass allein die Schülerschaft ins Visier gerät, denn auch manche Kollegen scheinen ihr zwielichtig. Sie wird also selbst aktiv und überschreitet eine Grenze: Sie lässt im Lehrerzimmer heimlich die Kamera ihres Laptops mitlaufen und ihr Portemonnaie in der Jacke. Als sie den Raum verlässt, entstehen brisante Bilder.

Regisseur Çatak hat schon mit "Es gilt das gesprochene Wort" gezeigt, dass er ungewöhnliche Storys aufgreifen und damit viel erzählen kann. Auch sein neuer Film entfaltet einen ziemlichen Sog, obwohl sich die Geschichte nur in der Schule abspielt. Er zeigt einen Mikrokosmos zwischen Papierstapeln im Lehrerzimmer und Sportmatten in der Turnhalle. Eine Welt, an die sich viele noch erinnern, auch wenn ihre Schulzeit schon lange zurückliegt.

Der Film erzählt etwas über Dynamiken, die zwischen Menschen entstehen können. Die Lehrerin wolle die Kinder schützen und tue etwas, was einen Schneeballeffekt nach sich ziehe, sagte Çatak dem Sender "Arte". Dann gehe es um viel mehr als nur um Diebstähle. Auch durch soziale Medien wie Twitter gebe es keinen Dialog mehr. "Es geht nur noch darum, Recht zu haben und auf der richtigen Seite zu stehen. Und die andere Person klein zu machen." Das Modell Schule sei ein guter Ort, um Gesellschaft im Kleinen abzubilden, sagte er weiter. Für ihn sei es wichtig, wie verhalte sich ein Mensch in Stresssituationen? Und wie, wenn er eine Entscheidung treffen müsse? Das sage sehr viel über den Charakter aus.

Auseinandersetzung mit Machtstrukturen und Vorurteilen

Seine Intensität verdankt der Film auch den Schauspielerinnen und Schauspielern, beispielsweise Eva Löbau in einer zentralen Rolle. Für die Recherche haben sie Zeit an Schulen verbracht und sich den Lehreralltag angeguckt. Ihnen sei aufgefallen, dass dort vieles parallel geschehe.

"Das Lehrerzimmer" ist aber auch eine Auseinandersetzung mit Machtstrukturen und Vorurteilen, mit dem eigenen Kompass und menschlichem Miteinander. Er zeigt, wie sich Dinge verselbstständigen und Fronten zwischen Menschen formieren. Sehenswert! (94 Minuten)

In diesen Kinos läuft der Film.