"Kroos": Im blubbernden Nichts

4.7.2019, 09:00 Uhr

© NFP/Broadview Pictures

Ronaldo erscheint am Bildrand. Gianni Infantino wanzt sich in den Fokus. Neymar und Messi tauchen auf, Maradona und Iniesta. Robbie Williams erzählt Witze im Versace-Pullover, scheinbar ohne Grund. Die Fußball-Intelligenzija erklärt den Mittelfeldspieler Kroos, dem die Kamera teilweise unangenehm nah folgt. Und doch bleibt nach einer hübschen, etwas beliebigen ersten Stunde des Dokumentarfilms "Kroos" eine entscheidende Frage: Warum eigentlich?

Kroos ist einer von Deutschlands erfolgreichsten Fußballern, ist Weltmeister, viermal Champions-League-Sieger und gerade einmal 29 Jahre alt. Er ist aber auch ein wenig langweilig. So wie viele sein Spiel empfinden – trotz spektakulärer Auftritte wie beim 7:1 gegen Brasilien im WM-Halbfinale, trotz des Lobes seiner Trainer, seiner Kollegen, trotz der Titel und Trophäen. In 110 Minuten wird Kroos als treuer Ehemann und liebevoller Familienvater inszeniert, der lieber zu Hause mit einem aufblasbaren Einhorn im Pool planscht als unter seinesgleichen zu feiern. Seine Frau Jessica versucht zu erklären, dass er emotional sei, aber nie so wirkt, er wird als "typisch deutsch" beschrieben, bei Real Madrid nennen sie ihn den "Ice Man".

Kroos bleibt einem lange fremd in "Kroos". Trotzdem ist zumindest interessant, was der Viel-und-Alles-Filmer Manfred Oldenburg (Stalingrad, Strauß, Springer, "die Aldi-Story") zusammengetragen hat, was vor allem an den Bildern von Kameramann Johannes Imdahl ("Nowitzki. Der perfekte Wurf") liegt, die man glaubt, so noch nicht gesehen zu haben. Man ist dabei in den Hinterzimmern von Galas, des Estadio Santiago Bernabéu, auf dem Trainingsgelände und auf der Terrasse von Opa Heinz und Oma Gudrun. Gegensätze sollen aufgezeigt werden: dort der Greifswalder FC, da Real Madrid, hier Opa Heinz, da Uli Hoeneß, der in der Rolle als Bösewicht brilliert, die Anfänge des Fünfjährigen auf grobkörnigem Material und in HD der große Fußball, der einem so gar kein bisschen sympathischer wird. Nur was hat das mit Toni Kroos zu tun? Warum gibt es diesen Film überhaupt?

Das erfährt man in der an Überraschungsmomenten keineswegs armen zweiten Halbzeit, wenn Vater Roland reflektiert, Mutter Birgit einen zu Tränen rührt und Toni für Jessica ein Lied singt (von Pur, mit Hartmut Engler, was sich sehr viel schrecklicher liest als es auf der Leinwand wirkt). Der Film wird wärmer, "Kroos" nahbarer. In einem Nebensatz beschreibt der Philosoph Wolfram Eilenberger den Fußball als "blubberndes Nichts". Das bleibt er, bis zum Abspann. Kroos muss man dann nicht verstanden haben. Aber man versteht, warum man ihm einen Film gewidmet hat. (D/110 Min.)

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