Schwarze Komödie

"Nebenan": Unfeine Enthüllungen mit Daniel Brühl

15.7.2021, 09:46 Uhr
Beste Freunde werden diese beiden Männer höchstens im richtigen Leben: Peter Kurth (links) und Daniel Brühl schlagen sich in "Nebenan" prächtig.

© Amusement Park Film GmbH/Reiner Bajo Beste Freunde werden diese beiden Männer höchstens im richtigen Leben: Peter Kurth (links) und Daniel Brühl schlagen sich in "Nebenan" prächtig.

Als Schauspieler hat Daniel Brühl ein fieses kleines Problem. Egal, ob er in "Good bye, Lenin!" oder Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" auftritt, ob er Niki Lauda darstellt oder den Bösewicht Zemo im Marvel Universum – in welche Rolle er auch schlüpft, er geht nie ganz in seinen Figuren auf, irgendwie ist da immer Daniel Brühl.

Da zeugt es von ordentlich Selbstironie, dass er in seinem Regiedebüt "Nebenan" nach einem Drehbuch von Bestsellerautor Daniel Kehlmann mit genau diesem Dilemma spielt. "Man sieht immer nur Sie", mault der provokante Zeitgenosse Bruno (Peter Kurth), den der Schauspieler Daniel (Brühl selbst) kurz vor dem Abflug zum Casting in London in seiner Stammkneipe am Prenzlauer Berg trifft.

Genau wie der echte Brühl hat auch der auf eine Superheldenrolle scharfe Star im Film deutsch-spanische Wurzeln. Der Rest speist sich aus dem Klischee-Fundus über Schauspieler: Geld spielt für Daniel keine Rolle, er steht auf der sonnigen Seite der Straße, ist von sich überzeugt, eitel und ich-bezogen, den Smalltalk der Filmbranche beherrscht er aus dem Effeff, den Bezug zum Leben der anderen hat er dagegen fast verloren.

In ein solches Psychogramm ist die Fallhöhe gleichsam eingepreist. Und ein Widersacher schnell skizziert. Kneipenbruder Bruno ist nicht nur unmittelbarer Nachbar des erfolgsverwöhnten Schauspielers, sondern auch das genaue Gegenteil – das Ostberliner Urgestein hat DDR und Stasi live erlebt, den Job und seine Frau verloren und die Gentrifizierung des Prenzlauer Bergs hautnah mitbekommen.

Als gefrusteter Wende-Verlierer kommt er etwas angestaubt daher. Doch das befeuert den Konflikt zwischen den zwei unterschiedlichen Männern, um den es in diesem kleinen, nicht unsympathischen Kammerspiel gehen soll.

Es geht ans Eingemachte

Zwischen den beiden entspinnt sich ein Tête-à-Tête, das ans Eingemachte rührt. Bruno will sich für sein Schicksal – vermutlich stellvertretend, da ist der Film wie auch an einigen anderen Stellen etwas unsauber – an Daniel rächen. Wirklich klar wird die Motivation für seinen scharfen Affront nicht. Als gewissenhafter Stalker weiß er alles über die Familie und ihre kubanische Nanny, unfeine Enthüllungen, die Daniels Höhenflug abrupt bremsen könnten, inklusive...

Rein schauspielerisch ist die Vorlage für Brühl und Kurth, der sich bereits in "Berlin Babylon" und dem Boxerfilm "Herbert" als Charakterdarsteller empfahl, ein Fest. In dem nicht nur verbalen Duell am Tresen loten ihre Figuren die Lebenslügen des jeweils andern aus, provozieren, beschimpfen und bedauern sich. Ein Streitgespräch mit Witz und Pointen, das immer wieder neue Nahrung bekommt. Bis Daniel sein Leben vom Kopf auf die Füße stellen muss.

Für den Zuschauer halten sich Drama und Spannung in Grenzen, nichtsdestotrotz ist "Nebenan" eine kleine schwarze Komödie, die über eineinhalb Stunden gut unterhält und zwei beherzten Schauspielern eine Bühne gibt. Fast mutet sie an wie eine Fingerübung für den Regie-Neuling. Mal sehen, was da noch kommt. (92 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

Verwandte Themen


Keine Kommentare