"So wie du mich willst": Von den Fallstricken der Online-Liebe

8.8.2019, 08:00 Uhr

© Alamode

In "So wie du mich willst" ("Celle que vous croyez") spielt Juliette Binoche so einen Menschen: Claire Millaud ist in ihren 50ern, eine kluge, schöne und stolze Frau, jedoch latent einsam. Nach 20 Ehejahren und zwei gemeinsamen Kindern hat ihr Mann sie für eine Jüngere verlassen. Jetzt arbeitet Claire als Literaturprofessorin in Paris, hat ein eigenes Leben und eine durchaus amüsante Affäre mit einem jungen Mann namens Ludo, der ihr Sohn sein könnte, über den Sex hinaus allerdings nur wenig Interesse an ihr zeigt.

Um ihrem Lover ein wenig hinterher zu spionieren, legt sich Claire bei Facebook ein Fake-Profil an, für das sie sich mit ein paar geklauten Fotos in die 24-jährige, wunderschöne Clara Antunès verwandelt. Alex, Ludos Mitbewohner, beißt prompt an und verliebt sich in das virtuelle Traumgeschöpf. Doch auch Claire spürt jene fiebrige Erregung, wenn der Alltag plötzlich wieder ein süßes Geheimnis birgt. Es entspinnt sich eine Online-Liebesgeschichte, die recht bald nach Verlängerung ins reale Leben verlangt – wo die Lüge dann natürlich sofort auffliegen würde. Claire muss eine Entscheidung treffen.

Juliette Binoche ist wieder einmal eine Wucht. Die wunderbar-wandelbare und nicht nur zuletzt vielbeschäftigte Schauspielerin rockt auch dieses Drama quasi im Alleingang. In einem Moment sieht sie jung und zerbrechlich aus, schon im nächsten müde und alt ... bevor mit einem Mal wieder ihre Kampfeslust erwacht. Diese Claire ist keine Heldin, die man uneingeschränkt mag.

Auch das Drehbuch (basierend auf einer Romanvorlage von Camille Laurens) ist famos. In den pointierten Dialogen steckt viel Wahrheit. Für die findet Regisseur Safy Nebbou symbolkräftige Bilder, die nie ins Bedeutungsschwangere kippen. Die Szene, wenn Claire und Alex zum ersten Mal im echten Leben aufeinandertreffen und er sie schlichtweg nicht sieht, obwohl sie direkt vor ihm steht und ihn mit den Augen verschlingt, ist unglaublich.

Doch in "So wie du mich willst" geht es nicht nur ums Älterwerden und um die Fallstricke der Online-Liebe. Die heimliche Stärke des im Rückblick erzählten Films ist, dass er ständig in Bewegung bleibt und gerade gegen Ende ein paar überraschende Haken schlägt. Nebbou erzählt sein Liebesdrama wie einen Thriller – und hält den Spannungsbogen bis zuletzt oben. Französisches Kino vom Feinsten. (FR/101 Min.)

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