Gefangen im goldenen Käfig

"Spencer" im Kino: Drei entscheidende Tage im Leben von Lady Di

13.1.2022, 10:27 Uhr
Einsam in Sandringham: Kristen Stewart als Diana in "Spencer".

© DCM Einsam in Sandringham: Kristen Stewart als Diana in "Spencer".

Zum Beweis, dass es ein schönes Weihnachtsfest war, werden die Gäste in Sandringham, dem Landsitz der britischen Queen, vom strengen Oberaufseher Major Gregory (Timothy Spall) gewogen. Im Idealfall haben sie am Ende drei Pfund zugenommen. "Ich werde mein Bestes geben, so wie ich immer mein Bestes gebe", kommentiert Diana das verhasste Ritual.

Natürlich wird sie noch dünner werden. Das wenige, das sie von den im Militärkonvoi angelieferten und von einer Küchenkompanie zubereiteten Speisen zu sich nimmt, würgt sie gleich wieder aus ihrem schmalen Körper heraus.

Von einem Leben im goldenen Käfig erzählt der chilenische Regisseur Pablo Larraín in "Spencer" – "eine Fabel nach einer wahren Tragödie", die sich auf die drei Festtage 1991 konzentriert. Es ist das letzte Weihnachten, das Diana, Princess of Wales und geborene Spencer, im Kreise der Windsors verbringt, bevor sie sich von Charles (Jack Farthing) trennt.

Intime Porträt einer Frau

Larraín und Drehbuchautor Steven Knight hatten kein Doku-Drama im Sinn, stattdessen zeichnen sie das intime Porträt einer Frau, die rund um die Uhr unter Beobachtung steht, der die Paparazzi auch in Sandringham (als Kulisse diente Schloss Nordkirchen im Münsterland) nachjagen, die an der emotionalen Kälte der königlichen Familie und ihres untreuen Ehemanns langsam zugrunde geht – und die trotz ihres labilen Zustands aufbegehrt.

Kristen Stewart spielt das großartig. Wie kongenial sich der ehemalige "Twilight"-Star Blick, Habitus und Selbstinszenierung Dianas angeeignet hat, ist gleich zu Beginn zu erleben. Da sieht man sie im offenen Porsche Cabrio durch die winterliche Landschaft Norfolks fahren. Sie ist entgegen den Sicherheitsauflagen allein unterwegs und hat sich verirrt. An einer Raststätte bittet sie mit schüchternem Augenaufschlag um Hilfe und weiß natürlich die Blicke der verstummten Besucher auf sich.

Dass sie wegen des unerlaubten Ausflugs als letzte zum Nachmittags-Tee kommt – noch nach der Queen, ein krasser Protokollbruch –, ist ihr egal. Später zum Dinner lässt sie sich von ihrer Zofe Maggie (Sally Hawkins), neben den geliebten Söhnen William und Harry die einzige Vertraute, von der sie die ersehnte Zuneigung erfährt, widerwillig das blassgrüne Kleid anziehen, das zu diesem Anlass für sie ausgewählt wurde. Beim Essen, wie ein wortloses Tribunal inszeniert, reißt sie sich die Kette, die ihr Charles geschenkt hat – die gleiche, die er auch seiner Geliebten Camilla Parker Bowles schenkte –, vom Hals und stopft die dicken Perlen mit der Suppe in sich hinein.

Die Szene ist von ihr halluziniert und eine der Horrorvorstellungen, die Diana in Sandringham heimsuchen. Nachdem sie in ihrem Zimmer ein Buch über Anne Boleyn gefunden hat, erscheint ihr die im 16. Jahrhundert wegen angeblichen Ehebruchs enthauptete Königin als Geist und eigenes Ich. Und als sie einmal nachts in ihr verlassenes, mit Stacheldraht umzäuntes Elternhaus – ihrem lebenslangen Sehnsuchtsort gleich neben Sandringham – eindringt, überlappen sich die Erinnerungen an eine glückliche Kindheit mit abgrundtiefer Verzweiflung.

Finaler Befreiungsschlag

Mehr als die wahnhaften Momente betont "Spencer" jedoch die trotz ihrer psychischen Fragilität wachsende Selbstermächtigung Dianas. Als sie dagegen protestiert, dass Charles William das Schießen auf Fasanen beibringt, erklärt er ihr: "Es muss zwei von dir geben, den echten Menschen und den, von dem man Fotos macht. Das gilt für alle von uns. Dazu gehört auch, dass wir Dinge tun, die wir hassen." Diana will das nicht akzeptieren und verdirbt der Jagdgesellschaft auf so gründliche Weise den Spaß, dass man nur wünschen kann, dies hat sich wirklich zugetragen. Ebenso wie der finale Befreiungsschlag.

Wie in "Jackie" über die Witwe von US-Präsident John F. Kennedy in den ersten Tagen nach dem Attentat erzählt Larraín in "Spencer" radikal aus der subjektiven Perspektive seiner Hauptfigur und von deren Umgang mit den Erwartungen ihrer Umwelt. Auch wenn vieles Erfindung ist, entsteht dabei doch eine intime Nähe von großer Wahrhaftigkeit. Mit viel Empathie stellt uns der Film Diana als eine liebesbedürftige, aber auch starke, selbstbewusste und schlagfertige Frau vor, die sich im königlichen Leben verirrt hat. Die Porsche-Szene zu Beginn hat da durchaus Symbolcharakter. (111 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

Verwandte Themen


Keine Kommentare