Cooler als die Killer

"The Outfit" im Kino: Ein diskreter Maßschneider nimmt es mit der Mafia auf

2.6.2022, 09:23 Uhr
Im Atelier des Herrenschneiders Leonard (Mark Rylance) gehen die Gangster aus der Unterwelt ein und aus.

© Focus Features Im Atelier des Herrenschneiders Leonard (Mark Rylance) gehen die Gangster aus der Unterwelt ein und aus.

Sonst hätte der Schneider Leonard (der britische Theaterstar und Oscar-Preisträger Mark Rylance) gegen seine Widersacher aus der Unterwelt Chicagos auch kaum eine Chance. Der scheinbar Sanftmütige überlistet die gewieften Gangster immer wieder.

Der Anfang des Films plätschert noch so dahin. Liebevoll bearbeitet der äußerst akkurat gekleidete Leonard im Winter 1956 in seinem kleinen Chicagoer Geschäft die feinen Stoffe, sinniert dabei über den Umgang mit Messer, Schere und Kreide.

Ansonsten verliert er kein Wort zu viel, auch nicht gegenüber seiner Assistentin Mable (Zoey Deutch). Dieses ruhige Ambiente bekommt jedoch schnell Risse – dubiose Männer in eleganter Kleidung erscheinen. Sie wollen keinen neuen Anzug, sondern werfen Päckchen in einen ominösen Briefkasten im Schneideratelier.

Einen zweiten Hinweis darauf, dass nicht alles so ist, wie es scheint, liefert Mable. Sie ist heimlich liiert mit einem dieser dubiosen Herren namens Richie (Dylan O'Brien), obwohl sie sich bei Leonard eher abfällig über ihn geäußert hat. Die nächsten Überraschungen: Richie ist ein Killer, steht eines Nachts mit seinem Kollegen Francis (Johnny Flynn) vor der Tür des Ateliers und bittet Leonard um einen Gefallen. Kurz darauf gibt es einen Toten – die erste von letztlich vielen Leichen.

Cooler als die Killer

Die einzige Konstante in dem Film, der fast ausschließlich im Schneideratelier spielt, ist Leonard, so scheint es. Stets behält der gebürtige Brite die Contenance und findet höflich die richtigen Worte – egal, ob er gerade auf seinem Ateliertisch mit Nähgarn und -nadel die Schusswunde in Richies Bauch zusammenflickt oder ob ihm ein Gangster aus der Unterwelt eine Pistole vors Gesicht hält. Mehrmals steht sein Leben auf der Kippe und der Zuschauer fragt sich: Warum kann ein Schneider Kriminelle so gut manipulieren? Und wieso ist er cooler als die Killer? Die Antwort liefert der Film erst kurz vorm Abspann, es ist die überraschendste von vielen Wendungen.

Mit "The Outfit" hat der Oscar-prämierte Drehbuchautor Graham Moore sein Regiedebüt abgeliefert, der Thriller lief dieses Jahr auf der Berlinale. Mark Rylance spielt den sympathischen, aber etwas undurchsichtigen Herrenschneider mit gewohnt hoher Perfektion, auch die Nebenrollen in dem kammerspiel-ähnlichen Stück sind bestens besetzt. Die Story lebt von der Schauspielkunst und ihren unerwarteten Entwicklungen, wenn auch manchen Dialogen etwas weniger Pathos gut getan hätte. Fazit: Spannende und trotz der vielen Leichen relativ unblutige Unterhaltung für einen netten Kinoabend. (106 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

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