"Zu jeder Zeit" blickt auf die Ausbildung von Krankenpflegern

2.5.2019, 20:28 Uhr

Es beginnt ganz einfach: Mit Händen unter Wasser. Denn das Allererste, was junge Krankenpflegerinnen lernen, ist, dass es drei Zustände gibt: dreckig, sauber und steril. Und nur steril ist gut genug. Denn in ihrem Job geht es stets um Gesundheit. Und manchmal sogar um Leben und Tod. Oder anders gesagt, um lachen, weinen, Spritzen setzen. Das zeigt der ungewöhnliche Dokumentarfilm "Zu jeder Zeit", der angehende Krankenpfleger und –pflegerinnen durch die Höhen und Tiefen ihrer Ausbildung im Lernkrankenhaus "La Croix Saint-Simon" im französischen Montreuil begleitet.

Es sind junge Männer und Frauen aus unterschiedlichsten Kulturen, die sich in diesem Kurs zusammengefunden haben, um gemeinsam zu lernen. Und zu lachen und zu leiden. Denn dass ihre Ausbildung eine hochemotionale Sache ist, merken die Teilnehmer spätestens, als sie lernen müssen eine Spritze zu setzen: "Eine schnelle Bewegung, 90 Grad", grinst der Ausbilder und befördert das Gerät elegant in den vorbereiteten Dummy. Für die Schülerinnen ist das weit schwieriger. Was ist, wenn jemand Linkshänder ist? Wenn die Nadel danebengeht?

Obwohl bei diesen Trockenübungen viel gekichert und herumgealbert wird, spürt man den großen Respekt, den alle Beteiligten an den Tag legen. Die Auszubildenden sind hochmotiviert, die Trainer gründlich und immer bereit, mit den Schülerinnen und Schülern das Erlebte zu reflektieren.

Wie wichtig das ist, merkt man im zweiten Teil der Dokumentation: Hier gehen die Azubis in Krankenhäuser und Heime. Statt Dummies und grinsenden Kollegen sitzen plötzlich kranke, alte Menschen und verletzte Kinder vor ihnen. Neben all dem Fachwissen und praktischem Geschick ist nun auch viel emotionale Stärke von den angehenden Pflegern gefragt. Denn das Umfeld im Arbeitsalltag ist oft nicht so wohlwollend, wie in der Schule.

Begegnung mit dem Tod

Der dritte Teil des Films begleitet die Auszubildenden wieder zurück zu ihren Lehrern und zeigt, wie sie das im Praktikum erlebte verarbeiten: die Begegnungen mit dem Tod, Konflikte mit Hierarchien und die stete Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen. Viele brechen in diesem Moment in Tränen aus.

Der französische Regisseur Nicolas Philibert, bekannt für seine einfühlsamen und zurückhaltenden Dokumentationen, legt hier einen Film vor, der auf den ersten Blick karg und schlicht wirkt: Es gibt keine Interviews, keine Schauwerte, keine Musik und auch keine Hauptperson. Und dennoch – und das ist Philiberts große Kunst – erreicht einen dieser Film emotional! Als Zuschauer bekommt man das Gefühl, selbst Teil dieses Kurses zu werden. Am Ende hat man nicht das Porträt einer Person gesehen, sondern das einer Ausbildung.

Selbst wer mit Pflege nichts am Hut hat, ist gut beraten sich "Zu jeder Zeit" anzusehen. Denn die Sorgfalt, die Reflexionsbereitschaft und Achtsamkeit, die Azubis und Ausbilder hier an den Tag legen, wünscht man sich auch für viele andere Berufe. Auch für die weit besser bezahlten. (F/105 Min.)

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