NN-Kollege erinnert sich: "Darum war Rock im Park 2013 besonders für mich"

5.6.2020, 16:14 Uhr
NN-Kollege erinnert sich:

© sehr privat

Ach, Freddy, so schön, schön war die Zeit. Doch 13 Jahre als ständiges Mitglied einer - mit Verlaub - ziemlich unübersichtlichen und - mit Verlaub - nicht immer liebenswerten Gemeinschaft der Rock-im-Park-Gänger: da machen sich Ermüdungserscheinungen breit. Ich für meinen Teil spüre sie schon länger. Ist es also vielleicht gar nicht mal schlimm, dass 2020 kein 14. RiP für mich und ein soundsovieltes für die anderen stattfinden wird? …What the…?! Frei nach Charlton Heston: Nimm Deine dreckigen Pfoten weg, Du verdammter Fahrstuhlmusik-Affe!

Es ist nie (nie!) besser, wenn Rockmusik nicht stattfinden kann. Gebt mir ein paar Saiten, eine Trommel, eine ehrliche Stimme – and you know it’s gonna be: allright. Gitarrenlastige Songs, gerne elektrisch verstärkt, sind das, was ich mag; Rock im Park bietet sie mir an, unschlagbar ortsnah, in unschlagbarer Dichte, für einen unschlagbar günstigen beziehungsweise hohen Preis.


Hier geht es zu unserem fiktiven Rock im Park 2020 Liveblog


Ich habe seit 2006 jede Festivalausgabe in Nürnberg mitgemacht, in den ersten Jahren als verwirrt-freundlicher Schüler von ganz weit weg, seit 2013 als verwirrt-freundlicher Journalist von NN’s Gnaden. Seitdem habe ich mehr von dem vergessen, was in all der Zeit zwischen Stadion und Luitpoldhain geschah, als so mancher RiP-Debütant überhaupt noch lernen kann. Nicht aber meinen Einstand im nordbayern-Ticker-Team vor nunmehr sieben Jahren.

Hier, am 7. Juni 2013, einem Freitag, begann mein Leben einen eigenwilligen Haken zu schlagen – als kurz nach Mittag das Handy klingelte. Freilich in einer höchst privaten Situation, dem unnachahmlich blauen Zwielicht im unbeschreiblich drückenden Klima eines gut gefüllten Dixie-Klos. Es klingelte also. Am Apparat: die große Liebe. An Neuigkeiten: ein positiver Schwangerschaftstest.

"Hallo, bin da."

Habe seltsame Erinnerungen an diesen verrückten Nachmittag am Dutzendteich. Wenn ich ihnen glaube, war meine erste Reaktion, unnötigen Mageninhalt loszuwerden. Die Zweite war der Schritt zurück ins Freie, mit dunkler Brille in die gleißende Sonne. Die Dritte war der Gang zum Zeltplatz, um mir ein oder zwei Plastikschnapsgläschen randvoll billigem Rum zu genehmigen. Ich meine, dass ich nicht auch nur ein Wort mit meinen Freunden/Mitcampern gewechselt habe - oder zu wechseln imstande war. Die vierte und letzte Erinnerung war ein 35-Minuten-Dauerlauf des womöglich unsportlichsten Menschen der Welt zurück nach Hause, Richtung Aufseßplatz.

Meine Ticker-Beiträge 2013 enden sodann auch schon am Freitagvormittag ziemlich abrupt - nach einem „Hallo, bin da“. Und ich habe damals weder Airbourne, Tocotronic, Clutch, Kate Nash noch The Prodigy oder Selig gesehen.

Leicht bis mittelschwer verstört kehrte ich am Samstagnachmittag mit der künftigen Mutter meines künftigen Kindes aufs Gelände zurück. Es gelang uns, unser enormes Geheimnis für ungefähr sieben Minuten zu bewahren – als die Herzdame das Angebot eines frisch gezapften Bieres aus dem selbstkühlenden Tucher-Fass dankend ablehnte. Erste Reaktion aus dem Freundeskreis: „Schwanger oder wat?“


Hier gibt es alle Infos zu Rock im Park


Mit dem Wissen, dass bald ein paar ernsthafte Veränderungen anstehen würden, und einer von der Centerstage herüberschallenden „Ich will nicht nach Berlin“-Proklamation des damals brandneuen wie brandheißen Kraftklubs, genossen wir am Abend die Leichtigkeit der Sportfreunde Stiller, bekamen eine tadellose Rockshow von Green Day serviert und spazierten zu Seed’schen Bässen im Mondschein nach Hause. Dann ist RiP sowieso am schönsten: Dämmerung über dem Dutzendteich, wenn alle noch die Gitarren eines Tages im Ohr haben, während die Frösche am Ufer den Beat einer Sommernacht vorgeben.

Keine Exzesse

Für das Sonntags-Line-Up hätte ich keinen Mord begangen, Cro, Fettes Brot und 30 Seconds To Mars waren mir genauso egal wie die Broilers oder der knüppeldick angerichtete Kuschelrock von Bullet For My Valentine. Die Faszination, die ein Fritz Kalkbrenner auf andere ausübt, blieb mir fremd. Fred Durst von Limp Bizkit, einst peinliche Jugendsünde, inzwischen nette Nostalgie-Schlagertruppe geworden, meinte noch: eines Tages würde ich die Dinge auf seine Weise sehen - und zwar auf dem Highway (?). Wir machten uns lieber auf den Heimweg. Kein Exzess, keine große Geste, nur zwei Leute und eine Currywurst zum Mitnehmen in einer lauen Nürnberger Nacht.

Welche Konzerte in 13 Jahren waren die wildesten? Welche Bands haben mich überwältigt, welche maßlos enttäuscht? Wann wurde es abseits der Bühnen richtig bizarr, wie war das noch, als ich auf dem Zeltplatz vor Lachen kurz vor’m Herzkasper stand? Welche Lieder haben wir gesungen? Wie viele Drinks genommen, Festivalfreundschaften geschlossen, Herzen, Willen, Knochen und Gesetze gebrochen? Wie viele Zigaretten habe ich geraucht? 400? 500? 1000?


Kommentar: Warum ich Rock im Park vermisse


Ich kann viele dieser Fragen nicht mehr beantworten. Manchmal bin ich auch zu müde, um mich noch zu erinnern. Aber das Wesentliche werd ich nie vergessen. Wenn ich heute in die Augen meiner 6-jährigen Tochter schaue, verblasst die Mehrheit jener denkwürdigen Momente, die ich mit der Musik, dem Feiern, den Bildern und dem Schreiben bei Rock im Park verbinde. Denn egal wie schön, wie golden diese Erinnerungen waren: Matilda ist die Bessere.

Verwandte Themen