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Phänomen Wwoof: Deshalb arbeiten Reisende so gern in ihrem Urlaub

21.9.2021, 10:59 Uhr
Phänomen Wwoof: Deshalb arbeiten Reisende so gern in ihrem Urlaub

© Foto: Michael Matejka

Wwoof - was wie der lautmalerische Ausdruck eines Hundebellens klingt, entpuppt sich als Abkürzung für ,,WorldWide Opportunities on Organic Farms". Übersetzt ins Deutsche heißt es so viel wie "Weltweite Möglichkeiten in der Bio-Landwirtschaft". Dahinter steckt ein ebenso simples wie ausgeklügeltes Konzept: Ökologische Betriebe und Selbstversorgerhöfe registrieren sich auf der Plattform von WWOOF, um ihre Art zu leben und zu arbeiten an andere Menschen weiterzugeben.

Die Freiwilligen, sogenannte Wwoofer, können über das Portal Informationen zu den Höfen erhalten und mit ihnen einen Aufenthalt vereinbaren. Meist wird an fünf Tagen in der Woche zwischen vier und sechs Stunden gearbeitet, das entscheiden die Höfe individuell. Ein Verbleib ist oft schon ab einem Wochenende und bis zu mehreren Monaten möglich. Im Gegenzug erhalten die Wwoofer auf den Höfen Kost und Logis.

Diese Art, seine freie Zeit zu gestalten, entwickelt sich zu einem Trend. "Bei immer mehr Menschen entsteht das Bewusstsein, dass es Alternativen zu dem braucht, wie wir heute leben", sagt Jan-Philipp Gutt, Vorsitzender von WWOOF Deutschland. Seit der Gründung im Jahr 1992 nehmen die Mitgliedszahlen stetig zu. Immer mehr Menschen verbringen ihre Wochenenden und Ferien auf einem der WWOOF-Höfe. Aber warum arbeitet man freiwillig in seiner Freizeit?

Andere Welten

"Für mich ist das Beste am Wwoofen, andere Lebenswelten kennenzulernen", sagt die Japanerin Yurie Kubo, die bereits in Deutschland und Großbritannien mit WWOOF unterwegs war. Außerdem sei es für viele "wie ein Abenteuer", erläutert Philipp Gutt, der selbst 2007 das erste Mal wwoofte. "Man erhält Zugang zu einer bislang fremden Welt, erlebt spannende Dinge und lernt neue Menschen kennen." Dabei zeigen die verschiedenen WWOOF-Höfe, "wie alternative nachhaltige Lebensstile aussehen können". Dadurch, so Gutt, werden viele verschiedene "Ideen und Ansätze erlebbar".

Die internationale Organisation, die in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag feiert, hat sich bereits in 132 Ländern etabliert. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie war ungewiss, wie es mit dem Konzept weitergehen würde. Doch das Interesse blieb groß. Im Jahr 2020 stiegen die Mitgliedszahlen sogar leicht. Allerdings wwoofen mehr Menschen im eigenen Land, anstatt ins Ausland zu reisen.

Aus der Oberpfalz nach Kanada

Das beobachtet auch Thomas Wehr. Im Familienbetrieb der Bio-Vollwert Bäckerei in Stöckelsberg sind seit 2011 Menschen aus der ganzen Welt zu Gast. Der Bäckermeister selbst wwoofte im Jahr 2007 in Kanada – und war begeistert. Zurück in der Oberpfalz wollte er "den kulturellen Austausch ansiedeln, Erfahrungen teilen und die Gastfreundschaft zurückgeben", die er selbst auf seinen Reisen erleben durfte, erinnert sich der 37-Jährige. Ungefähr 60 Frauen und Männer haben seitdem Familie Wehr besucht. Vom Unternehmensberater aus Paris über die "klassischen Ökos", die mit dem Fahrrad anreisten, bis zur Rentnerin, die inzwischen mehrmals im Jahr zu Gast ist.

Prinzipiell kann jeder wwoofen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Einkommen. Die größte Gruppe sei jedoch "weiblich, zwischen 20 und 30 Jahre alt und mit studentischem Hintergrund", sagt Vorstand Gutt. Die 31-jährige Yurie Kubo bekam damals den Tipp von einer Freundin, die selbst bei der Bäckerei Wehr gewwooft hatte. Sie kündigte ihren Bürojob in Tokio, um Bäckerin zu werden, und blieb fünf Wochen bei den Wehrs. "Ich hatte zwar ein Zimmer, in das ich mich zurückziehen konnte, aber es gab auch immer einen Platz am gemeinsamen Tisch für mich", sagt Kubo, während sie an eben jenem Tisch sitzt.

Von jedem Kontinent

Das große einladende Möbelstück steht in der Küche der Wehrs. Eigentlich wäre es viel zu groß für die dreiköpfige Familie, wäre es nicht vielmehr ein Treffpunkt im Vier-Generationenhaus. Hier saßen schon Menschen von jedem Kontinent, kochten, aßen und tauschten sich aus. Genau das macht WWOOF für Thomas Wehr aus: "Offenheit gegenüber Neuem, gegenseitiges Vertrauen und der respektvolle Umgang miteinander." Ihm ist es ein Anliegen, seine "Begeisterung für Backtradition weiterzugeben und das traditionelle Bäckerhandwerk weiterleben zu lassen".

Yurie Kubo aus Japan hat nach dem Wwoofen eine Ausbildung zur Bäckerin begonnen, kehrte währenddessen zur Bäckerei Wehr zurück – und blieb. Wwoofen aber möchte sie "total gerne" wieder.

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