Wegen Lockdown: Landen bald tonnenweise Pflanzen im Müll?

20.4.2021, 11:15 Uhr
Die Gewächshäuser der Gärtnereien – hier ein Blick in die Erfurter Traditionsgärtnerei Schröpfer – sind voll, nur die Kunden bleiben aus. Ein Problem.

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa Die Gewächshäuser der Gärtnereien – hier ein Blick in die Erfurter Traditionsgärtnerei Schröpfer – sind voll, nur die Kunden bleiben aus. Ein Problem.

Die Gewächshäuser sind rappelvoll, auf den Pflanztischen stehen die Gemüsesetzlinge, Tomaten und Blumen dicht an dicht, sonst gähnende Leere – kein Kunde weit und breit in den riesigen, offenen Hallen, durch die der Wind zieht. Denn kaum ein Mensch hat derzeit den Nerv, für ein paar Salatpflanzen oder für einen Kräutertopf einen Schnelltest plus einen Termin in einer Gärtnerei zu machen.

Für die Gärtnereien in der Region kommt das einer Katastrophe gleich. "Normalerweise haben wir um die Jahreszeit 250 Kunden am Tag hier, jetzt sind es vielleicht über den ganzen Tag verteilt fünf", sagt Felix Jahn, Chef der Gärtnerei Jahn in Untersteinbach im Kreis Roth. Das Hauptgeschäft, das die Gartenbaubetriebe und Baumschulen im April und Mai normalerweise machen, fällt flach. "Das kriegen wir auch nicht mehr rein", betont Daniel Baldauf vom Erzeugerring für Blumen und Zierpflanzen, Sprecher von 94 Betrieben in Mittel- und Unterfranken.

Kontrollen sind für die Katz

Selbst das Angebot der Gärtnerei, bestellte Pflanzen zu liefern oder zur Abholung bereitzustellen, zieht nicht. "Die Leute wollen die Sachen sehen und beraten werden", sagt Felix Jahn. Zudem scheint es einfacher, sich andernorts mit Grünzeug einzudecken. Manch großer Händler nimmt es nämlich nicht so genau mit den Schnelltests und Terminen und winkt die Kunden mehr oder minder durch.

Und so könnte sich ein hässliches Bild aus dem letzten Lockdown wiederholen: Wenn die Gartenbetriebe nicht bald aufmachen dürfen, landet wieder alles auf dem Müll. Dieses Mal zwar nicht die Frühjahrsblumen, dafür Gemüsesetzlinge, Tomaten und Salate.

Denn die Platznot wird in den Betrieben jeden Tag größer: Die Pflanzen wachsen in die Höhe, manche Tomatensorte misst bald einen Meter, "sie müssten jetzt auseinander gestellt werden oder raus, aber wir verkaufen ja nichts", erklärt der 33-jährige Jahn. Doch wenn die Pflanzen weggeworfen werden müssen, bedeutet dies für den Gärtner einen hundertprozentigen Verlust, sagt Daniel Baldauf vom Erzeugerring.

"Eine zweite Chance gibt es für uns nicht. Wir haben ganz klar verderbliche Ware. Wir handeln nicht mit Kühlschränken, sondern mit Pflanzen", betont der Gartenbau-Ingenieur. "Wenn wir wenigstens wüssten, wann die grüne Branche wieder aufmachen darf, dann könnten wir manche Pflanzen im Wachstum bremsen", sagt er.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Hermann Berchtenbreiter, Präsident des Bayerischen Gärtnerei-Verbandes, hofft noch – und verhandelt. "Ein bis zwei Wochen haben wir noch, dann brennt’s", sagt er. Klagen gegen die Entscheidung der Regierung wolle sein Verband nicht, besser im Gespräch bleiben. "Wir haben sehr große, belüftete Flächen, das ist fast wie im Freien", lautet eines seiner Argumente. Anders als in manchem Laden.


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"Wir haben drei Hektar Platz, die Kunden verteilen sich", versichert auch Felix Jahn. Dennoch bangt er weiter um seinen Familienbetrieb, gegründet von der Großmutter, von den Eltern aufgebaut. "Eine Gärtnerei mit großen Flächen, die ein Mal aufgegeben wird, kommt nie wieder", konstatiert Berchtenbreiter. "Das ist auch ein Verlust für die Landschaft." Für Jahn, der etliche Mitarbeiter beschäftigt, ein Gedanke, den er verdrängt.

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