"Sicherheit ist das Wichtigste"

Vorbild für Nürnberg? Deshalb hat Stuttgarts Fernsehturm so viele Besucher

13.10.2021, 08:53 Uhr
Der Nürnberger Fernmeldeturm ist das höchste Bauwerk in Bayern und nach dem Berliner und dem Frankfurter der dritthöchste Fernsehturm in Deutschland.

© Michael Matejka Der Nürnberger Fernmeldeturm ist das höchste Bauwerk in Bayern und nach dem Berliner und dem Frankfurter der dritthöchste Fernsehturm in Deutschland.

Hallo, Herr Buck! Der Fernsehturm in Nürnberg ist seit 30 Jahren geschlossen, der in Stuttgart hat aber viele Besucher. Läuft bei Euch! Was genau macht Ihr Schwaben anders als wir hier in Franken?

Matthias Buck: Das hat wohl auch ein wenig mit unserer Geschichte zu tun. Ursprünglich war da bei uns ein herkömmlicher Stahlgittermast geplant, aber ein Bauingenieur namens Fritz Leonhardt hatte damals die Idee, das anders umzusetzen – und hat 1954 den ersten Stahlbetonturm der Welt in Stuttgart gebaut. Das fand aber nicht nur Zustimmung, sondern war ein Wagnis, für das sich partout keine Sponsoren finden lassen wollten. Nach langem Hin und Her hat der Südfunk das am Ende dann selbst gestemmt. Der Bau wurde verwirklicht und ein Riesenerfolg – und hat weltweit eine Turmbauwelle ausgelöst. 4,2 Millionen DM hat der komplette Turm damals gekostet, doch nach ein paar Jahren war das wieder drin.



Und das läuft bei Euch immer noch so gut?

Matthias Buck arbeitet seit 1987 als Betriebstechniker im Fernsehturm Stuttgart – dem weltweit ersten seiner Art in Stahlbetonbauweise mit Aussichtsplattform und Restaurant.

Matthias Buck arbeitet seit 1987 als Betriebstechniker im Fernsehturm Stuttgart – dem weltweit ersten seiner Art in Stahlbetonbauweise mit Aussichtsplattform und Restaurant. © SWR Media Services GmbH

Buck: Bis in die 1970er Jahre lief der Turm wie geschnitten Brot, dann flaute es ab. Wie überall steigen die Kosten, es wird immer schwieriger, sich neben all den anderen Attraktionen zu behaupten.

Wie darf man sich das heute bei Ihnen da oben vorstellen?

Buck: Wir haben zwei Aussichtsplattformen im Freien auf 150 und 153 Metern – die obere ohne hohe Brüstung, speziell für Kinder, damit die gut sehen können. Dann gibt es ein Café auf 147 Metern, wo man tagsüber Kaffee und Kuchen kriegt. Abends verwandelt sich das in eine Bar mit leckeren Drinks zum Sonnenuntergang. Wenn es Nacht wird, ist das ein beliebter Treffpunkt in Stuttgart.

Bis 2005 hatten wir auf 144 Metern ein Restaurant, aber dann kam der Brandschutz und wir haben unsere Küche da oben nicht mehr genehmigt bekommen. Deshalb gibt es seit 2005 eine Veranstaltungsebene, die man für verschiedene Events – von Familienfesten über Firmenpräsentationen hin zu Theaterveranstaltungen – buchen kann. Auch das wird sehr gut angenommen.



So wie ich das verstanden habe, gibt es bei uns in Nürnberg zwei Probleme: Brandschutz und der Personenaufzug, der bei einer Öffnung komplett neu gemacht werden müsste.

Buck: Die Schnellaufzüge schlagen bei uns auch ganz schön in die Kasse rein. Und das Problem mit dem Brandschutz kennen wir, da sind die Sicherheitsanforderungen bis ins Unendliche ausbaubar. Deshalb mussten wir 2013 von heute auf morgen für zweieinhalb Jahre schließen.

Wie das?

Buck: Der Brandschutz war uns nie egal. Wir waren da echt ziemlich gut und hatten immer schon viel Geld investiert. 2013 hatten wir gerade frisch saniert, da kamen schärfere Brandschutzregeln und wir mussten alles dicht machen.



Mitten im laufenden Betrieb?

Buck: Ja. Die Veranstaltungsebene ist ja eine Versammlungsstätte, und dafür gelten sehr strenge Vorschriften. Damals ging es um den zweiten Fluchtweg, der bei uns über eine Treppe führt. Das hat der Sachbearbeiter so nicht akzeptiert und hat das Problem weitergereicht, bis es beim damaligen Stuttgarter Oberbürgermeister ankam. Der saß ganz frisch im Amt, wollte kein Risiko eingehen und sagte "naja, wenn das nicht passt, dann müssen wir den Turm schließen". Gründonnerstag 2013 – ich weiß es noch ganz genau. Von jetzt auf gleich.

Brutal.

Buck: Sicherheit ist das Wichtigste, da brauchen wir nicht diskutieren. Trotzdem muss man auf der anderen Seite aber immer auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen: Wenn sich die ganze Geschichte am Ende gar nicht mehr trägt, dann bleibt der Turm halt zu. Mit einem sehr guten Team haben wir damals aber ein Konzept entwickelt, das von den Behörden akzeptiert wurde. So haben wir es geschafft, 2016 als erster Fernsehturm, der aus Sicherheitsgründen geschlossen wurde, wieder aufzusperren. Und das haben wir auch gebührend gefeiert. Habt Ihr in Nürnberg ein Drehrestaurant?



Ja.

Buck: Da haben die Brandschützer gleich zu uns gesagt: Wenn das der Fall ist, dann wird es schwierig. Weil sich da ja nicht das ganze Stockwerk dreht, sondern eine Art doppelter Boden, auf dem die Tische und Stühle stehen. Brandschutztechnisch ist das ein schwieriger Fall...

Ein Problem bei uns in Nürnberg ist auch die Lage: Unser Turm liegt nicht wirklich zentral.

Buck: Wir liegen auch nicht in der Stadtmitte, sondern in einem Vorort. Aber mit U-Bahn und Stadtbahn ist man vom Hauptbahnhof in zehn bis 15 Minuten da. Die Anbindung ist gut.

Gehört Euer Turm auch der deutschen Funkturm-GmbH?

Buck: Nein. Der SWR – früher Süddeutscher Rundfunk – ist die einzige Rundfunkanstalt in Deutschland, die selbst einen Turm besitzt, der nicht nur Sendeturm, sondern auch Ausflugsziel ist. Das ist einzigartig und basiert auf besagter Entstehungsgeschichte.

Euer Turm steht unter Denkmalschutz?

Buck: Schon seit 1986.



Bei uns in Nürnberg ist dieser Status ganz frisch. Der Plan ist, mit dieser Auszeichnung Fördertöpfe anzuzapfen, um den Turm wieder flott zu bekommen. Bringt Denkmalschutz insofern etwas?

Buck: (Lacht) Finanziell hab ich da nicht so den Einblick, aber ich sage es mal so: Modernisierungstechnisch ist das manchmal herausfordernd. Wobei wir tatsächlich gerade dran sind, auf die Vorschlagsliste fürs Weltkulturerbe zu kommen – eine Initiative vom Stuttgarter Wirtschaftsministerium. Und allein schon dieser Vorschlag war für den Fernsehturm eine Aufwertung: Man redet mal wieder über ihn! Wenn das klappen würde, allein nur auf diese Vorschlagsliste zu kommen – das wäre für uns ein Riesenerfolg. Auf dieser Liste stehen sonst ja meistens nur richtig alte Bauwerke. In diesem Fall würde uns das Thema Denkmalschutz dann auch wirklich mal etwas bringen.

Wo wir hier in Nürnberg schon ein wenig neidisch sind: Die Queen war mal zu Besuch bei Euch auf dem Turm.

Buck: Ja, in den 1960er Jahren. Aber das mit ihr reicht ja eigentlich noch viel weiter zurück: Ihre Krönung 1952 war die erste große Live-Übertragung im deutschen Fernsehen, doch die konnte in Stuttgart keiner anschauen, weil man in der Stadt, die in einem Talkessel liegt, das Signal nicht empfangen konnte. Deshalb musste hier ein Sender gebaut werden. Mit besagter Idee, den ersten Stahlbetonturm der Welt zu errichten, hat sich das dann aber nochmal weiter verzögert, so dass auch die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 hier in Stuttgart nicht übertragen wurde. 1956 ging der Fernsehturm endlich in Betrieb, und 1963 schaute dann die Königin vorbei, was natürlich bis heute ein Highlight ist. Da gibt es auch eine lustige Episode: Damit das auf den Bildern auch alles schön aussieht, wurde damals der Rasen grün angesprüht. Hinterher haben sich die Bodyguards der Königin gewundert, dass sie Farbe an ihren Schuhen hatten.



Wer war sonst noch so da?

Buck: Ach, alles an Prominenz. Fernsehen und Hörfunk sind regelmäßig bei uns zu Gast, der SWR interviewt oben immer wieder Stars. Auch die Schuhmacher-Brüder waren früher privat Stammgäste, weil ihr Manager das Restaurant betrieben hat. Mit dem Michael Schuhmacher habe ich immer Fußball geguckt.

Stimmt das Gerücht, dass Ihr Eurem Turm jedes Jahr ein Geburtstagsständchen singt?

Buck: Ja, das passiert tatsächlich (lacht). Wir alle, die wir hier arbeiten, mögen unseren Turm wirklich recht gerne.

Was singt man da dann so?

Buck: "Hoch soll er leben" natürlich!

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