Wer in Nürnberg auf gewohntem Weg zu seinem Lieblingscafe will, erlebt derzeit zum Teil eine böse Überraschung. Da hat die Stadt doch plötzlich den Durchgang gesperrt. Wie weiter?, fragt sich da nicht nur unser Kolumnist Florian Mangold.
Wer wie ich die Winterruhe liebt, für den ist nicht nur der April der grausamste Monat, wie T.S. Eliot gedichtet hat, sondern das ganze Frühjahr. Da krabbelt über die Gardine im Wohnzimmer plötzlich eine Ameise – und die Lebenserfahrung sagt, dieses Insekt kommt selten allein.
Über Nacht tauchen sie plötzlich auf: Schilder, die den Werk versperren.
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Junge, tatendurstige Wespen durchkreuzen meinen Luftraum und suchen Material für ihr Nest, das bis zum Spätsommer auf Flugzeugträgergröße wachsen soll - als Basis für nervige Angriffsflüge auf Speisen und Getränke aller Art.
Auch rund um die Hallerwiese gibt es immer mal wieder überraschende Absperrungen.
© Jo SeuÃ
Nicht nur aus jeder noch so feinen Ritze zwischen Pflastersteinen drängen innovationsfreudige Pflanzen, als Berufsfahrer bin ich auch mit einer anderen Form von Wildwuchs konfrontiert, der das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat: Über Nacht wachsen Straßensperren heran, die Baustellen ankündigen; Fahrbahnen von Hauptverkehrsstraßen verengen sich urplötzlich auf eine Spur und sind der Anlass für stattliche Staus und beherzte Wendemanöver von genervten Autofahrern an ungeeigneter Stelle.
Die Erfahrung lehrt: Es gibt quasi keinen Ort, an dem nicht plötzlich ein Baustellenschild auftauchen kann.
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Solche Nacht-und-Nebel-Aktionen betreffen aber auch Fuß- und Radwege. An den Pegnitztunneln sowohl an der Wöhrder wie an der Hallerwiese versperren mir nichts dir nichts Schilder und Bauzäune wie grimmig dreinschauende Türsteher den Durchgang. Niemand wurde vorab informiert, niemand weiß warum, die Sperre hat wie eine selbstgeschaffene Realität einen Teil des Stadtraums erobert - und damit abgeschnitten. Beliebte Treffpunkte oder Cafes und Gaststätten sehen sich über Nacht vom Lebensstrom der Menschen abgeschnitten und haben kaum noch Besucher.
Leider sind Baustellenschilder meistens nicht so originell wie dieses Park-Schild.
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Die Stadt kommuniziert offensichtlich nach dem Motto: Ist doch nicht unser Problem, die Bürger zu informieren - oder gar die Inhaber von betroffenen Betrieben.
Wo Baustelle ist, sagen Dir andere, wo es langgeht.
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Oft tut sich auf den Straßen oder Wegen nach der Sperrung wochenlang erst mal nichts: kein Bagger gräbt, kein Bauarbeiter schwingt eine Schaufel - und falls doch, weiß niemand darüber Bescheid, wie lange die Arbeiten dauern sollen.
Auch mit Warnlampen ist nicht zu spaßen.
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Ich vermute, dass einige findige Mitarbeiter der Stadtverwaltung bzw. des Servicebetriebs Öffentlicher Raum (SÖR) das Prinzip von Ephraim Kishons „Blaumilchkanal“ weiterentwickelt haben. In der Story reißt ein Verrückter mit einem Presslufthammer die wichtigste Straße von Tel Aviv auf und erzeugt damit ein riesengroßes Chaos - auch bei den dortigen Behörden, die vergeblich zu ermitteln versuchen, warum es diese Baustelle überhaupt gibt.
Für Passanten und Flaneure verheißt dieses Schild nichts Gutes.
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Solche Erfahrungen macht manch einer leider auch hier - nur dass SÖR womöglich so raffiniert vorgeht und es nur bei Schildern und Sperren belässt. Das ist viel billiger, als eine Baustelle real zu beginnen, aber als Hindernis ebenso effektiv. Auf einen schönen, barrierefreien Sommer, liebes Nürnberg!