Tote liegen im Wasser

Friedhöfe in ganz Franken: Wachsleichen verwesen nicht

21.10.2021, 17:04 Uhr
Es klingt unappetitlich und ist ein Problem: Auf etlichen Friedhöfen, auch im Raum Roth/Schwabach, gibt es Gräber, in denen die Toten auch nach Jahren nicht verwest sind.

© Hans-Joachim Winckler, NN Es klingt unappetitlich und ist ein Problem: Auf etlichen Friedhöfen, auch im Raum Roth/Schwabach, gibt es Gräber, in denen die Toten auch nach Jahren nicht verwest sind.

Im ersten Augenblick klingt es ziemlich unappetitlich, bei näherer Betrachtung ist es ein Problem: Auf dem Friedhof in Katzwang gibt es Gräber, in denen die Toten auch nach Jahren nicht verwest sind. Grund ist der stellenweise recht hohe Grundwasserspiegel. Ganze Gräberreihen sind davon betroffen. Erdbestattet kann in den betreffenden Bereichen jedenfalls keiner mehr werden. Was noch möglich ist, sind Urnenbestattungen, denn zum einen sind die Leichen dabei verbrannt, zum anderen liegen Urnen nur etwa 80 Zentimeter tief, statt der für Särge üblichen mindestens 1,80 Meter.

Der Friedhof in Katzwang wurde 1880 angelegt und rund 100 Jahre später erweitert. An einigen Stellen gibt es Probleme mit dem Boden. Lehm im Untergrund verhindert, dass das Wasser ablaufen kann.  

Der Friedhof in Katzwang wurde 1880 angelegt und rund 100 Jahre später erweitert. An einigen Stellen gibt es Probleme mit dem Boden. Lehm im Untergrund verhindert, dass das Wasser ablaufen kann.   © Reinhold Schaufler, NN

Das Problem auf dem Katzwanger Friedhof ist bekannt. „Das ist eine uralte Sache, keine neue Geschichte Wir wissen, an welchen Stellen wir keine Erdbestattungen mehr machen dürfen“, erklärt Pfarrer Joachim Nötzig. Die Schwierigkeit: wenn zu wenig Wasser im Boden sei, passiere nichts, wenn zu viel Wasser im Boden sei, passiere auch nichts. Auf dem Katzwanger Friedhof gibt es offenbar Stellen, die über wasserführenden Bodenschichten liegen. Der Friedhof sei 1880 angelegt worden, so Pfarrer Nötizig.

Fischbach ist ganz schlimm

Aber nicht nur Katzwang ist vom hohen Grundwasserspiegel betroffen, auch auf anderen Friedhöfen besteht das Problem. „Das gibt es immer wieder. In Nürnberg-Fischbach ist es ganz schlimm“, berichtet die Schwabacher Bestatterin Sigrun Alter.

Rednitzhembach hatte ein Problem mit seiner Friedhofserweiterung. Dort wurde eine ehemalige Wiese aufgefüllt, und im Auffüll-Material befand sich offenbar reichlich Lehm. Während im oberen Teil des Friedhofs alles in Ordnung war, zeigte sich bald, dass im aufgefüllten unteren Teil einiges im Argen lag. Lehmlinsen hinderten das Wasser am Versickern.

Anfangs ließ die Gemeinde Löcher im Durchmesser von zehn Zentimetern bohren – und gab schließlich auf. In der linken Hälfte des neuen Teils ließ sie dann eine Drainage verlegen. Im rechten Teil ließ die Gemeinde den Boden austauschen, wie Bürgermeister Jürgen Spahl und Geschäftsleiter Klaus Helmrich erläutern.

Sarg rein, Pumpe aus

Marianne Spachmüller, die Ehefrau des Kammersteiner Mesners, erinnert sich, dass sie an einer Beerdigung auf dem Friedhof in Abenberg teilgenommen hat. Das Wasser sei aus dem Grab abgepumpt worden, und erst als der Sarg hinabgelassen war, habe jemand die Pumpe abgeschaltet. Dass es auf dem Friedhof an manchen Stellen Schwierigkeiten gebe, bestätigte Horst Binder von der Abenberger Stadtverwaltung: „Vor allem im unteren Bereich. Das ist bekannt, das weiß man!“

Auch der Friedhof in Dietersdorf gilt als problematisch, wegen des schweren Bodens dort.

Neuer Friedhof am Hang

Der alte Friedhof in Barthelmesaurach stand ebenfalls mehr oder weniger im Wasser – mit den bekannten Problemen. Der neue Barthelmesauracher Friedhof liegt am Hang, dort ist der Wasserabfluss gewährleistet.

Roth („Roth am Sand“) hat heutzutage kein Problem mehr mit Wasser in Gräbern, doch auf dem Friedhof rund um die Kreuzkirche war es vor 30 oder 40 Jahren schon so, dass manche Särge im Wasser standen. Manche Friedhofsverwaltungen behelfen sich auch damit, dass sie die Liegezeit der Toten verlängern auf 20 oder 30 Jahre.

Grabhüllen in Thalmässing

Besonders schwierig ist die Lage auf dem Friedhof in Thalmässing. Seit rund 20 Jahren verwendet man dort „Grabhüllen“, wie Pfarrer Frank Zimmer auf Anfrage mitteilte. Weil das Wasser so hoch steht, wird der Sarg in eine erdbefüllte Grabauskleidung aus beschichtetem Geotextilgewebe mit integrierter Be- und Entlüftung gelegt. Er ist also vom Mutterboden getrennt durch die Grabhülle. Nach Absenken des Sarges werden die Seitenräume verfüllt und der Sarg mit Erde überdeckt.

Insgesamt umgeben 1,5 Kubikmeter Erde den Sarg in der Grabhülle. Die zwei Luftverteiler sorgen dafür, dass Sauerstoff von oben an den Sarg gelangt. Damit gehören Wachsleichen der Vergangenheit an, verspricht der Hersteller, selbst wenn Wasser permanent im Grabraum steht.

Gut möglich, dass es noch mehr Friedhöfe in der Umgebung gibt, auf denen zumindest stellenweise das Grundwasser hoch steht. Nur: Hausieren geht damit niemand. Diese Information wird nicht „an die große Glocke gehängt“, sondern eher unter den Teppich gekehrt.

Immer mehr Urnenbestattungen

Nach und nach löst sich dieses Problem auch von selbst, denn es gibt immer mehr Urnenbestattungen. „65 bis 70 Prozent“, schätzt Bestatterin Sigrun Alter. Bei Urnen ist es egal, wie hoch das Grundwasser steht.

Zur „Anlage von Friedhöfen, Leichenhäusern und Grüften“ hat das Bayerische Staatsministerium des Innern bereits am 8. Juli 1911 eine Bekanntmachung erlassen. Sie richtet sich an die Regierungen, die Kreisverwaltungsbehörden und die Gesundheitsämter. Darin heißt es: „Leichen, die der Erde übergeben werden, fallen für gewöhnlich der Zersetzung anheim. Die Zersetzung erfolgt in der ersten Zeit unter dem Einfluss der auf der Oberfläche und im Innern der Leiche vorhandenen Bakterien und Pilze, später auch unter dem Einfluss verschiedener Tierarten (Insektenlarven und Würmer); sie setzt immer eine gewisse Feuchtigkeit des Bodens voraus. Die Zersetzung unter reichlichem Sauerstoffzutritt führt zur vollständigen Verbrennung der organischen Bestandteile des Körpers und wird als Verwesung bezeichnet; sie liefert als Endprodukte unschädliche Stoffe.“

„Wenn Leichen unmittelbar im Wasser oder in einem ganz mit Wasser durchtränkten Boden liegen, kommt es zur Bildung von Leichenwachs; zu Leichenwachs umgewandelte Leichen oder Leichenteile bilden eine fettige Masse und bedürfen zum vollständigen Zerfall außerordentlich langer Zeit.“

„Der Boden soll so beschaffen sein, dass die Verwesung der Leichen möglichst rasch erfolgt“, heißt es weiter, „dies ist bei einem Boden der Fall, der zeitweise durch Oberflächenwasser durchfeuchtet wird, die Hauptmasse des Wassers aber nur kurze Zeit zurückhält und dann wieder der Luft ungehinderten Zutritt gewährt; als völlig einwandfrei ist ein Boden jedoch erst dann zu bezeichnen, wenn er auch im Stande ist, die Zersetzungsprodukte zurückzuhalten und zu verhindern…Für die Eignung eines Bodens zur Anlage von Gräbern kommt auch sein Grundwasserstand in Betracht…Es ist unter allen Umständen zu vermeiden, dass die Grabessohle vom Grundwasser erreicht wird oder dass Särge in jene Zone zu liegen kommen, bis zu der das Wasser aufsteigt.“ Ein Erwachsenengrab soll mindestens 1,80 Meter tief sein. 1,80 Meter ist „einfach tief“, für Doppelbestattungen sind 2,40 Meter nötig.

Leichen bleiben erhalten

An den kritischen Stellen verwesen die Leichen nicht so, wie sie sollten. Man spricht von „Wachsleichen“. Oft sind bei ihnen auch nach Jahrzehnten Liegezeit noch die Gesichtszüge erkennbar. Ihr Gewebe verseift, weil kein Sauerstoff an die Leichen kommt, die im Wasser liegen. Nicht nur ein permanent hoher Grundwasserspiegel könne dies verursachen, Kunststoff-Kleidung und möglicherweise auch Antibiotika in der Leiche würden die ordnungsgemäße Verwesung be- oder verhindern.

Bei sehr günstigen Bodenverhältnissen verwest die Leiche eines Erwachsenen in vier bis sieben Jahren, unter ungünstigen Umständen erst in 15 bis 30 oder gar noch mehr Jahren. Ein andauernd hoher Grundwasserstand über fast wasserundurchlässigen Schichten verhindert den normalen Verwesungsprozess in feuchter Erde durch Sauerstoffabschluss. Verwesung ist ein aerober Prozess, nötig ist dafür Sauerstoff. Nach Haut, Muskeln, Organen und Bindegewebe verwesen zuletzt die Haare und die Fingernägel eines Menschen. Zum Schluss bleiben nur noch die Knochen übrig.

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