Grünkohl? Was der Franke nicht kennt, isst er nicht!

4.12.2008, 00:00 Uhr
Grünkohl? Was der Franke nicht kennt, isst er nicht!

© dpa

Das mag einerseits an dem etwas unanständig klingenden Namen der traditionellen Beilagenwurst, nämlich «Pinkel» liegen, andererseits ist das Klima verantwortlich. In der nördlichen Küstenregion gedeiht Grünkohl nun einmal am besten – und daher vermuten Forscher, dass er in Norddeutschland seinen Ursprung hat, erläutert Bettina Tammen von der Tourismus und Marketing GmbH in Oldenburg, einem Zentrum der Grünkohl-Liebhaber.

Andernorts, beispielsweise hier in Franken, kommt das Gemüse selten auf den Tisch. «Bei Grünkohl gibt es ganz klar ein Nord-Süd-Gefälle», sagt Rosemarie Kolep von der in Hamburg erscheinenden Zeitschrift «essen & trinken». Die Bremer nennen den Grünkohl Braunkohl, andere Namen sind «Oldenburger Palme», Kraus- oder Winterkohl. Gerade dieser Name kommt nicht von ungefähr. Denn am besten schmeckt der Grünkohl, wenn er nach dem ersten Frost geerntet wird.

«Das ist zum einen wichtig, um das Ungeziefer vom Kohl runter zu bekommen», sagt Hildburg Abel vom «Bümmerstedter Krug» in Oldenburg. Ihr Restaurant kocht den Kohl für das jährliche Oldenburger Grünkohl- Essen der Bundesregierung in Berlin. «Zum anderen trägt der Frost dazu bei, die Stärke im Kohl in Zucker umzuwandeln, sonst ist er zu bitter.» Den gleichen Effekt gibt es aber, wenn der Kohl vor der Verwendung künstlich gefrostet wird.

Gegen den Einsatz von erntefrisch eingefrorenem Grünkohl aus dem Tiefkühlregal spricht nach Ansicht von Kolep daher nichts – zumal die Zubereitung von frischem Grünkohl aufwendig ist. «Sie müssen die Blätter zuerst blanchieren, dann abstreifen und können erst dann die Rohmasse weiterverarbeiten», erklärt die Ernährungswissenschaftlerin.

Er lässt sich lange lagern

Im Kühlschrank ist frischer Kohl bis zu einer Woche haltbar. Wird er zu lang gelagert, bekommt er gelbe, welke Blätter. Der «Bümmerstedter Krug» verwendet für seine Grünkohl-Gerichte gerne relativ grob gehackte Blätter, etwa einen mal einen Zentimeter groß. «Dann wird er nicht so suppig, sondern sämig», sagt Inhaberin Abel.

Dafür werden zunächst klein gehackte Zwiebeln in einem großen Topf angedünstet und mit Fleischbrühe aufgefüllt. «Die Brühe bringt den Geschmack in den Kohl.» Dann kommen die zerkleinerten Blätter dazu. Das Ganze muss etwa zwei Stunden (!) kochen. Gewürzt wird mit Senf, Salz, Pfeffer und einer Prise Piment. Die Bekömmlichkeit lässt sich durch Kümmel, Anis und Fenchel steigern.

Zum Andicken verwendet Abels Küche Hafergrütze, mit Haferflocken geht es aber auch. «Was noch zum Kohl-Essen gehört, ist natürlich eine ordentliche Fleisch- und Wurstplatte», sagt Tammen. Viele Rezepte schreiben daher vor, dass Schweinebauch oder Speck direkt mit dem Kohl in den Topf gehören. Nach einer Dreiviertelstunde kommen Kasselerscheiben dazu, in den letzten zwanzig Minuten Kochwürste und Pinkel. Letztere werden eigens für die Grünkohlsaison hergestellt. Sie bestehen aus gewürzter Grütze mit Speckwürfeln, Bauchfleisch und Zwiebeln. Diese Masse wird in eine Wursthaut – den Pinkeldarm – gestopft.

Salz- oder Bratkartoffeln runden das Mahl ab. Der Hauptzweck dieses Gerichts habe über Jahrhunderte darin gelegen, sich über die Wintermonate hinweg etwas «anzufuttern», sagt Tammen. Heute ist die Deftigkeit nicht mehr jedermanns Sache. Aber auch in der gehobenen Küche ist Grünkohl zum Beispiel zu Lamm, Gänsekeule oder sogar Ente à l‘Orange verbreitet. «Und man muss Grünkohl ja nicht mit fetten Beilagen kombinieren – man kann ihn auch als Suppe essen oder vegetarisch zubereiten», rät Kolep. Für die fleischlose Variante wird der Kohl mit Gemüsebrühe angesetzt und zum Beispiel mit Orangensaft, abgeriebener Orangenschale und Orangenfilets verfeinert: «Das gibt eine schöne Frische.»

Dazu: Bier und kalter Korn

Dem norddeutschen Brauchtum gemäß werden zu Grünkohl herbes Bier und kalter Weizenkorn gereicht. Abel empfiehlt allerdings eher einen trockenen Rotwein: «Mir schmeckt das besser, außerdem wurde er früher traditionell dazu getrunken.» Und bekömmlicher als Bier sei er obendrein.

Grünkohl hilft im Winter der Gesundheit. Er gehört – wie alle Kohlsorten – zu den gesündesten Gemüsen überhaupt. Er enthält viel Vitamin C, Eisen, Beta-Karotin und Ballaststoffe. Seine Bioaktivstoffe, die so genannten Glukosinolate, stärken darüber hinaus die Abwehrkräfte. Im Winter jede Woche ein Kohlgericht zu essen, hält die Ernährungswissenschaft daher für sinnvoll. Nina C. Zimmermann, dpa

Keine Kommentare