Umbenennung

Hindenburgstraße: Darf man das heute noch?

27.10.2021, 16:00 Uhr
Hindenburgstraße: Darf man das heute noch?

© Foto: Thomas Scherer

Die Staatsstraße 2409 ist das Sorgenkind im Cadolzburger Straßennetz. Täglich rollen hier 16 000 Fahrzeuge durch die Gemeinde. Zur Entlastung wurde eine Umgehung gefordert. Mitfahrbänke, Fahrbahnquerungen und sogar autonome Busse wurden ins Spiel gebracht. Nun kam auf Anregung eines Bürgers eine neue Diskussion auf: die Umbenennung der Straße.

Ab dem Rathaus, an Geschäften, Unternehmen und Wohnhäusern vorbei bis zur Abzweigung nach Ammerndorf und Zautendorf heißt die Staatsstraße seit dem Jahr 1937 Hindenburgstraße. Ortschronist Hans-Werner Kress hat recherchiert, dass von 1689 bis Mitte des 20. Jahrhunderts der Name Baumgasse gebräuchlich war. Teilabschnitte hießen Bahnhofstraße oder Brandstätterstraße. 1937 beschloss der Gemeinderat eine Umbenennung vieler Straßen in Cadolzburg. Gewisse Persönlichkeiten sollten geehrt werden.

Einige dieser Namen wurden 1946 rasch entnazifiziert. Die Hindenburgstraße aber blieb. Dabei ist Hindenburg nicht nur der Name eines Zeppelins, der 1937 beim Start in Lakehurst, USA, vom Himmel fiel. Der Straßenname bezieht sich auf Paul von Hindenburg, von 1925 bis zu seinem Tod 1934 Reichspräsident der Weimarer Republik.


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Dass der Militärführer und Politiker Hindenburg in der deutschen Geschichte keine weiße Weste trägt, ist schon einigen Kommunen aufgefallen. Die Stadt Darmstadt benannte im Jahr 2019 nach langjährigen Forderungen ihre Hindenburgstraße um, Hannover tat dasselbe 2020 und Trier 2021.

Der Cadolzburger Bauausschuss behandelte den Antrag des Bürgers auf Umbenennung erstmals im April. Laut Bürgermeister Bernd Obst gab es teils ablehnende Stimmen. Es gebe wichtigere Themen, hieß es. Doch den Antrag einfach per Brief ablehnend zu bescheiden, war Obst zu wenig. Er wollte und will transparent mit dem Antrag umgehen.

So wurden zunächst zwei Gutachten eingeholt: von Hans-Werner Kress sowie vom Kreisheimatpfleger Thomas Liebert. Beide empfehlen eine Namensänderung. Der Bauausschuss beschloss darauf im Juni, die 317 Bewohnerinnen und Bewohner der Hindenburgstraße nach ihrer Meinung zu fragen.

In einem Brief mit den Gutachten gibt die Kommune zwei Möglichkeiten zum Ankreuzen: "Die Hindenburgstraße sollte aufgrund des geschichtlichen Hintergrundes umbenannt werden" Oder: Sie "soll nicht umbenannt werden." Anschließend ist Platz für eine Begründung oder einen Kommentar.

Aufwändige Adressänderungen

Im Anschreiben weist Obst darauf hin, dass einige Städte in Deutschland den Weg der Umbenennung gegangen sind. Als Warnung formuliert die Gemeinde, dass eine Umbenennung "in erster Linie Sie als Eigentümer, Anwohner oder Gewerbetreibende trifft". Teils kostenpflichtig müssten Ausweispapiere und Fahrzeugscheine geändert werden. Für Gewerbetreibende könne das "weitreichende Folgen" etwa bei Briefpapier oder Internetseiten haben.

Auf die Gutachten wird im Anschreiben zwar verwiesen, eine Einschätzung aber wird nicht gegeben. Das sei bewusst so formuliert worden, sagt Obst auf Nachfrage. Die Anwohner sollten sich selbst ein Bild machen. Die Gemeinde wolle kein Ergebnis empfehlen, so Obst.

Zugleich macht Obst im Gespräch klar: "Die Stellungnahmen der Gutachter sind deutlich." Thomas Liebert setzt sich auf sechs Seiten sehr ausführlich mit dem Mythos und der Person Hindenburg auseinander. Im Ergebnis hält er die Benennung von Straßen, öffentlichen Plätzen oder Schulen nach Hindenburg für "äußerst problematisch". Liebert folgert: "Eine Umbenennung der Hindenburgstraßen in Cadolzburg und auch in Langenzenn wäre daher meiner Ansicht nach geboten." Hindenburg zeige sich in der Rückschau als Gegner von freien Wahlen und Grundrechten. Diese deutlichen Ergebnisse habe der Kreisheimatpfleger auch den anderen Bürgermeistern im Landkreis Fürth vorgestellt, berichtet Obst.


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Was nun Langenzenn mit seiner Hindenburgstraße und Zirndorf mit seinem Hindenburgplatz mache, wisse er nicht. "Wir wollen uns mit dem Thema beschäftigen", stellt Obst klar. Zunächst soll die Rückmeldung der Anwohnerinnen und Anwohner abgewartet werden. Danach wolle der Gemeinderat wieder diskutieren, wie man am besten mit dem Thema umgehe.

Vielleicht könne der Name behalten werden, aber an zentraler Stelle klar gemacht werden, dass hier eine Straße nach einer problematischen historischen Figur benannt worden ist, schlägt Obst vor. Ebenfalls sei aber auch diskutiert worden, den Anwohnerinnen und Anwohnern die Kosten der Umbenennung zu erstatten. Noch sei keine Entscheidung getroffen worden, sagt Obst, der vor allem auf einen "transparenten Prozess" setzt.

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