Nachteile für Arbeitnehmer

Hinter dem Wort Homeoffice steckt oft etwas anderes

8.8.2021, 08:43 Uhr
Oft ist von Homeoffice die Rede, wenn eigentlich "mobiles Arbeiten" gemeint ist. Hier gibt es weniger Vorschriften zur Sicherheit und Gesundheit.

© Julian Stratenschulte, dpa Oft ist von Homeoffice die Rede, wenn eigentlich "mobiles Arbeiten" gemeint ist. Hier gibt es weniger Vorschriften zur Sicherheit und Gesundheit.

Gerne betonen Unternehmen, wie viel Freiheit und Flexibilität sie ihren Mitarbeitern gewähren. Doch es gibt eine Kehrseite der Medaille. Da sitzen die Arbeitnehmer mitunter am Küchentisch oder in der hintersten Ecke des Schlafzimmers und belasten ihre Gesundheit mit schlechter Beleuchtung und ungeeignetem Mobiliar. „Viele Unternehmen entziehen sich ihrer Verantwortung“, sagt der Nürnberger Jurist Wolfgang Manske, Gründer der arbeitsrechtlichen Spezialkanzlei Manske und Partner.

"Trickserei der Arbeitgeber"

Die Rede ist fast immer vom Homeoffice, oft auch liebevoll Heimbüro genannt. Deutlich seltener wird der Begriff „mobiles Arbeiten“ verwendet. Doch meist ist genau dieser Terminus in den relevanten Vereinbarungen schriftlich fixiert. Und der Unterschied ist beachtlich. „Oft ist mobiles Arbeiten eigentlich eine Trickserei der Arbeitgeber, um ihren Fürsorgepflichten zu entgehen“, sagt Manske.

Beim echten Homeoffice handelt es sich um eine dauerhafte Einrichtung, der Fachbegriff ist Telearbeit. Hier ist der Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass der Arbeitnehmer zuhause einen vollwertigen Arbeitsplatz hat, der sicher eingerichtet ist. Er muss den gleichen gesetzlichen Anforderungen genügen wie der betriebliche Arbeitsplatz. „Es sollen sogar Betriebsräte Hausbesuche machen, um das zu überprüfen“, sagt Manske. „Aber das ist graue Theorie, davon hört man praktisch so gut wie nie.“

Küchenhocker statt Bürostuhl

Für das Homeoffice sind Punkte wie Mobiliar, Beleuchtung und die Ausstattung mit Arbeitsmitteln in der Arbeitsstättenverordnung geregelt, für mobiles Arbeiten hingegen nicht. In der Praxis ist es daher bei der Mobilarbeit schlicht eine Frage der privaten Wohnsituation, ob der Arbeitnehmer auf einem ergonomischen Stuhl, auf einem Küchenhocker oder auf einer Parkbank sitzt. Der Arbeitgeber stellt meist nur ein Laptop zur Verfügung.

„Das Arbeiten von zuhause wurde durch die Notsituation der Pandemie zu einem Thema, das auch im Nachgang eine riesige Bedeutung hat“, sagt Manske. Trotz möglicher Schattenseiten wie der Vermischung von Berufs- und Privatleben oder fehlende soziale Kontakte mit Kollegen schätzen viele Arbeitnehmer auch Vorteile wie das Ende des Pendelns. Daher wollen etliche das mobile Arbeiten oder Homeoffice beibehalten.

Rückkehrrecht muss garantiert sein

„Entscheidend ist, dass die Freiwilligkeit gewährleistet sein muss“, betont Manske. „Es muss auch ein Rückkehrrecht an den betrieblichen Arbeitsplatz garantiert sein. Manche merken erst nach einiger Zeit, dass die Arbeit zuhause für sie auf Dauer doch nicht passt.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat kürzlich bei einem Besuch in Fürth vorgeschlagen, die Erfahrungen der Corona-Zeit konstruktiv zu nutzen: „Um einen modernen Ordnungsrahmen für mobiles Arbeiten zu schaffen.“ Er möchte „den Beschäftigten den Rücken stärken, auch nach Corona an ein oder zwei Tagen im Monat mobil zu arbeiten.“

Als Vorbild nennt Heil die Niederlande, dort können Beschäftigte seit 2015 ihren Arbeitgeber um Homeoffice bitten. „Dieser kann das dann auch ablehnen, allerdings nicht willkürlich, sondern nur, wenn es betrieblich nicht möglich ist.“
Im Bereich Steuern und Sicherheit konnten für das Homeoffice bereits einige Lücken geschlossen werden, zum Beispiel im Unfallschutz: „Verrückterweise war es vorher so, dass Sie nicht versichert waren, wenn Sie vor dem Arbeitsbeginn zuhause Ihr Kind in die Kita gebracht haben“, sagt Heil. „Jetzt sind Sie versichert.“

Auch die Rechte von Betriebsräten seien bei der Gestaltung der mobilen Arbeit gestärkt worden.
Doch es gibt noch viel zu tun, betont Heil mit Blick auf die Risiken der neuen Flexibilität: „Homeoffice darf nicht zur vollständigen Entgrenzung des Privatlebens führen durch Arbeit, die das Private auffrisst.“

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