Mensch der Woche

"Ich hatte eine Armada an Schutzengeln": Messe-Chef Roland Fleck über sein zweites Leben

23.10.2021, 06:00 Uhr
Er verdankt dem Herz-Gefäß-Zentrum des Nürnberger Klinikums nach einer Aorten-Dissektion sein zweites Leben: Messe-Chef Roland Fleck.

© Giulia Iannicelli, NN Er verdankt dem Herz-Gefäß-Zentrum des Nürnberger Klinikums nach einer Aorten-Dissektion sein zweites Leben: Messe-Chef Roland Fleck.

Manchmal bekommt man eine zweite Chance - Roland Fleck bekam ein zweites Leben geschenkt. Denn der Geschäftsführer der Nürnberger Messe und frühere Nürnberger Wirtschaftsreferent stand vor drei Jahren dem Tod näher als dem Leben. Gerettet wurde er von den Herz-Gefäß-Spezialisten des Nürnberger Südklinikums. Seinen 60. Geburtstag hat Fleck jetzt zum Anlass genommen, um sich mit einem Spendenscheck von 18 000 Euro beim Klinikum zu bedanken. „Nur durch die Fachkompetenz der Mediziner habe ich überlebt“, sagt er. „Dass ich meinen 60. Geburtstag erleben darf, dafür bin ich dankbar."

"Dankbar, dass ich meinen 60. Geburtstag erleben darf"

Statt Geschenken wünschte er sich von Freunden Spenden und stockte den Betrag selbst noch einmal auf. Er kommt der angegliederten Paracelsus-Privat-Universität, genauer deren „Skills-Lab“ zugute, in dem Medizinstudenten die Praxis quasi im Simulator erproben können. Auf Spenden wie diese sei man angewiesen, dankten ihm Klinikumsvorstand Achim Jockwig und der Chef der Herzchirurgie Theodor Fischlein, der Fleck damals auf dem OP-Tisch liegen hatte.


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Wer es nicht weiß, würde dem Messe-Chef heute nichts von alledem anmerken. Im dunkelblauen Anzug wirkt er aufgeräumt und dynamisch. Dass er vor drei Jahren selbst das Schlucken erst wieder neu lernen musste, darauf würde niemand kommen. Im Juni 2018 hatte Fleck eine Aorten-Dissektion, einen Riss der Hauptschlagader. Wäre er nicht rechtzeitig gerettet worden, säße er heute nicht mehr hier.

"Es wurde schwarz, dann weiß ich nichts mehr"

An den Abend als es passiert, erinnert sich Fleck noch gut. Er war im Industriemuseum Nürnberg bei einer Veranstaltung. Mit dem damaligen BDI-Chef Dieter Kempf verabredete er sich, noch vor dem Imbiss zu gehen. Ein Detail, das lebensrettend sein sollte. Denn Kempf war es, der ihn bewusstlos auf dem Parkplatz des Museums fand. „Wäre er nicht gekommen, mich hätte niemand dort so schnell gefunden“, sagt Fleck. Alles, an was er sich noch erinnern kann, ist, schnell die Treppe hinaufgegangen zu sein. „Dann hat es gestochen, es wurde schwarz, dann weiß ich nichts mehr.“

Eine ganze Armada an Schutzengeln muss im Einsatz gewesen sein, sagt Fleck. Neben Kempf der Notarzt, der sofort entschied, das Südklinikum anzusteuern. Dann die Mediziner dort, die sofort die OP einleiteten. „Die Zeit ist ein entscheidender Faktor“, sagt Fischlein. Je mehr Zeit vergeht, umso größer die Wahrscheinlichkeit schwerwiegend bleibender Schäden. Rund acht Stunden dauerte die Not-Operation.

Auch für die Ärzte eine Erfolgsstory

Dass Fleck heute wieder so hergestellt ist, sei auch für die Mediziner eine Erfolgsstory, sagt Fischlein. "Nachdem ich ihn von innen gesehen habe, war ich da nicht so sicher." Ein Teil der Aorta wurde mit einem Schlauch aus Plastik rekonstruiert. „Seine Ersatzteile halten, die überleben ihn“, sagt Fischlein und lacht. Aortenrisse sehen die Ärzte hier häufiger. Längst nicht jeder Patient steht danach wieder so gut da wie der Messe-Chef.


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Er kämpfte sich zurück ins Leben. Neun Monate lang. „Das verlangt einem Patienten extrem viel ab“, weiß Fischlein. Wer länger im Koma liegt, bei Fleck war es ein ganzer Monat, der muss erst seine Muskulatur wieder aufbauen. „Anfangs lag ich einfach nur da, sonst ging nicht viel“, erzählt Fleck über seine Anfangszeit in der Reha in Neustadt. Der Transport im Krankenwagen dorthin ist auch seine erste Erinnerung nach seinem Zusammenbruch. An die vier Wochen dazwischen hat er keinerlei Erinnerung. Dass seine Frau jeden Tag am Krankenbett saß, davon weiß er nichts mehr. „Für meine Frau und für meinen Sohn, war das natürlich eine sehr schwere Zeit“, sagt Fleck.

Das Schlucken wieder lernen

In der Reha lernte er alles wieder von Neuem, zunächst einmal zu schlucken, dann langsam die Muskel einzusetzen. „Vom Rollstuhl über Rollator zum Laufen“, fasst Fleck den mühsamen Weg zusammen. Halt gab ihm seine Familie, aber auch der Rückhalt in seiner Firma. „Da hat niemand spekuliert, ob ich vielleicht nicht mehr komme“, sagt Fleck. Nicht selbstverständlich sei so eine Loyalität.

Sein erster öffentlicher Auftritt war der Wirtschaftsstammtisch auf dem Volksfest 2019. Dort wollten natürlich viele wissen, was passiert ist. Seine Geschichte musste er seitdem oft erzählen. Klar sei das schon auch anstrengend, sagt Fleck. Vor allem aber freut er sich, heute fast wieder der Alte zu sein. Wieder als Geschäftsführer der Messe Group zu arbeiten. Bei den Ehrenämtern habe aber gewaltig reduziert. „Mein Koordinatensystem hat sich schon verändert“, sagt Fleck. „Meine Arbeit ist mir immer noch sehr wichtig, aber ich achte mehr auf Work-Life-Balance. Ich habe es vorher schon übertrieben.“

Pausen im hektischen Alltag zu machen und Bewegung empfiehlt Mediziner Fischlein als Prävention. Allen ab 50 Jahren legt er ans Herz, sich regelmäßig durchchecken zu lasen. „Denn wir wissen alle nicht, welche Läuse und Flöhe wir in uns haben.“ Auch ein Aortenriss kann, wie bei Fleck, ohne Vorankündigung kommen. Auf die Zeichen des Körpers sollte man achten, öfter mal in sich hineinspüren: „Das machen wir alle nicht, aber wir sollten es tun“, sagt Fischlein. „Denn wir haben nur ein Leben.“ Roland Fleck hat Verlängerung bekommen. Oder wie es Fischlein, gebürtiger Wiener, ausdrückt. „Er ist nochmal vom Schauferl gesprungen.“