In den Himmel der Musik

17.3.2019, 20:59 Uhr

Ihr Chefdirigent Kahchun Wong verfolgt damit sein Ziel, den Symphonikern das große spätromantische Repertoire zu erschließen, konsequent weiter. Auch in der reduzierten, rund auf ein Viertel der Instrumente verzichtenden Partiturfassung von Erwin Stein bedeutet dieses Werk für die Symphoniker und für Wong noch eine künstlerische Herausforderung.

Ob sie gelingt, beantwortet sich erst im großen Final-Adagio. Die Zartheit, ja Behutsamkeit der Streicher, die Beseeltheit der Musik, die lyrische Friedfertigkeit, die in drei Anläufen schließlich zur finalen Erlösung führt, all das sollte im besten Sinne des Wortes "himmlisch" klingen. Aber das tut es nur, wenn in den fünf Sätzen zuvor die Tiefen des Zweifels, der Angst und der Schuld durchschritten wurden.

Wong ging diesen Weg – mit großer Disziplin und Akribie. Die Symphoniker folgten ihm – und brachten eine der ambitioniertesten Leistungen ihrer Orchestergeschichte.

Obwohl die Fanfaren des Kopfsatzes noch mit breiter Brust musiziert wurden, erzeugten scharfe Einwürfe des Blechs und Paukenattacken bald eine unheilvolle Atmosphäre. Grundiert von Trauermarschmotiven entstand eine dystopische Welt, in der die von Streichern und Klarinetten behaupteten lyrischen Momente stets bedroht waren. Geisterhafte Motive von Spielmannszügen und Militärkapellen verstärkten diese Unsicherheit.

Wong und die Symphoniker schaffen es, dass sich die Dramaturgie in szenischer Plastizität entwickelte. Nicht selten wirkten einzelne Motive wie durch ein Vergrößerungsglas betrachtet, Mahlers Mahlstrom wirkte so noch unerbittlicher, von fast überprononcierter Schärfe.

Dieser Dramaturgie folgend, mussten die beiden nächsten Sätze wie vergebliche Beschwichtigungen erscheinen. Wong ließ der von Wiener Klassik gefärbten Behaglichkeit im Tempo di Menuetto kaum Raum, balancierte lieber fortwährend an der Kippkante zur Groteske. Das Scherzando gerierte sich danach als aufrührerisch-geisterhafter Tanz, die Sehnsucht nach Schutz wirkte so entrückt wie die aus der Ferne das eigentlich übliche Posthorn ersetzende Trompete.

Zur verbalen Erkenntnis verdichtet wurde die Düsternis im Altsolo-Nocturne des 4. Satzes. Marina Prudenskaya (zu Wulf Konolds Zeiten im Opernensemble) warnte mit abgeschatteter Tiefe wie Erda in Wagners "Ring des Nibelungen" vor der Gefährdung des Menschen, um in diesem Moment der eingestandenen Verletzlichkeit ein Bekenntnis zur (Lebens-)Lust zu formulieren. Typisch Mahler, wird dieser vermeintliche Sündenfall samt anschließender Beichte gleich mit groteskem Humor gekontert, der Kinder- und Frauenchor des Lehrergesangvereins Nürnberg gab dieser kurzen Sequenz die richtige Portion Ironie.

Ob sich im Finale nun tatsächlich der Himmel oder nur eine aus Erschöpfung geborenen Vision davon auftut? Der von Wong und den Symphonikern behutsam begonnene und mit viel Sinn für Feinheiten entwickelte Finalsatz vermochte hier keine Antwort zu geben. Wie sollte er auch?

Es reicht doch zu wissen, dass den Symphonikern mit Mahlers 3. Sinfonie mehr gelang als nur ein Achtungserfolg. Ihre mit viel Beifall bedachte Interpretation hatte ein gutes Stück jener Größe und Reife, die dieses Werk erfordert. Chapeau!

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