In Franken aufgetaucht: Einzigartige Bilder der Arktis-Expedition der "Graf Zeppelin"

29.1.2021, 15:05 Uhr
Eine Vielzahl solcher Panorama-Aufnahmen entstand während der Polarfahrt der "Graf Zeppelin". Gut kann man erkennen, dass das Bild aus neun Einzelaufnahmen zusammengesetzt ist. Acht Teilstücke gruppieren sich sternförmig um eine zentrale Aufnahme.

© Bayerische Vermessungsverwaltung Eine Vielzahl solcher Panorama-Aufnahmen entstand während der Polarfahrt der "Graf Zeppelin". Gut kann man erkennen, dass das Bild aus neun Einzelaufnahmen zusammengesetzt ist. Acht Teilstücke gruppieren sich sternförmig um eine zentrale Aufnahme.

Als Barbara Schennerlein im Juni 2012 gemeinsam mit vier russischen Forschern bei der Polarstation Buchta Tichaja auf der Hooker-Insel ankam, begann für die Dresdnerin eine Reise in eine andere Zeit. Die Station in der zu Russland gehörenden arktischen Inselgruppe Franz-Josef-Land war einstmals die nördlichste Forschungsstation der Welt - doch bereits 1959 war sie aufgegeben worden.

„Durch das Klima dort ist alles sehr gut konserviert. Man findet die alten Instrumente im Eis“, erzählt Schennerlein. In einer der alten Holzhütten vor Ort fand sie monatelang Unterschlupf. Sie schlug ihr Nachtlager in der Küche auf, die vier Männer nächtigen im Wohnraum.

"Ich habe keine Minute gezögert"

„Auch Russen kommen nicht so leicht auf die Insel“, verdeutlicht Schennerlein. Doch ihr Glück war es, dass sie Teil einer ersten Expedition kurz nach der Gründung des Nationalparks Russische Arktis werden durfte.

„Ich habe die Direktorin angeschrieben. Nachts um halb eins bekam ich eine Nachricht, ob ich nicht bei der Reise mitkommen möchte. Ich habe keine Minute gezögert und sofort zugesagt“, erzählt Schennerlein.

Auf der Insel konnte die Dresdnerin nun den Spuren ihrer Faszination nachgehen: der Polarfahrt des Luftschiffs LZ 127, genannt „Graf Zeppelin“. Dieses machte sich im Juli 1931 in die polaren Regionen der Sowjetunion auf, unter anderem um dort den genauen Küstenverlauf der vielen Inseln zu kartieren.

Bilder im Keller in Kartons

„Mit dem Schiff oder mit Hundeschlitten hätte das Jahre gedauert und wäre wegen der Eismassen sehr schwierig gewesen. So war es sehr viel wirtschaftlicher, große unbewohnte Gebiete zu vermessen“, erklärt Ann-Kathrin Johner vom Bayerischen Landesluftbildzentrum. Im dortigen Archiv befinden sich große Gelatine-Trockenplatten, Vorläufer des Films, mit Aufnahmen der außergewöhnlichen Expedition.

Diese Bilder wurden nun erstmals digitalisiert. Einige Aufnahmen sollen auch zu sehen sein, wenn die Dauerausstellung im neuen Domizil des Landesluftbildzentrums in Neustadt/Aisch in den kommenden Monaten eröffnet wird.

Nach Neustadt gelangt sind die Bilder, weil die Münchner Photogrammetrie GmbH Teil der Expedition war. Nach dem Niedergang der Nachfolgegesellschaft Inphoris ging das Material an das Landesluftbildarchiv über. Kurz vor dem Ende von Inphoris entdeckte Schennerlein dort noch einige Schätze.


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„Die wussten gar nicht, dass sie noch was hatten. Aber das war ein echter Glücksfall. Im Keller hatten sie noch einige Kartons. Darin waren die Original-Panoramakamera, von den Glasplatten abgezogene Negative und auch einige Positive“, erzählt Schennerlein.

Panoramakamera mit neun Linsen

Claudius Aschenbrenner von der Photogrammetrie GmbH hatte eigens für die Polarfahrt eine Panoramakamera mit neun Linsen entwickelt, die im Boden des Luftschiffs eingebaut wurde. Sie konnte im automatischen und halbautomatischen Betrieb reihenweise Senkrecht- und Schrägaufnahmen machen.

Mit den aus neun Aufnahmen zusammengesetzten Bildern konnten später Entfernungen gemessen und Karten von den bislang noch weitgehend unbekannten arktischen Regionen angefertigt werden.

Glasplatten, auf die eine Gelatine-Wasser-Emulsion aufgebracht worden war, waren ein Vorläufer des klassischen Films. „Ab dem Ersten Weltkrieg wurde langsam auf Film umgestellt. Man hat aber noch länger parallel gearbeitet, weil die Platten eine sehr hohe Auflösung hatten und man darauf viele Details erkennen konnte“, erläutert Johner.

Mit dem Luftschiff über den Nordpol

Vor der deutschen Expedition hatte schon das italienische Luftschiff „Norge“ mit dem Luftschiffpionier Umberto Nobile und dem Polarforscher Roald Amundsen im Jahr 1926 den Nordpol überflogen.

Die „Graf Zeppelin“ erkundete im Juli 1931 Franz-Josef-Land, das Archipel Sewernaja Semlja und die riesige Doppelinsel Nowaja Semlja. Vor der Hooker-Insel wasserte das Luftschiff und tauschte mit dem Eisbrecher „Malygin“ Post aus – mit dieser Aktion wurde ein Teil der Arktisfahrt finanziert.

Die dahinter der Expedition stehende internationale Gesellschaft Aeroarctic wollte nicht nur unbekanntes Gebiet erforschen. Letztlich hatte sie noch Größeres vor. „Die Vision war, internationalen Luftverkehr mit Luftschiffen über arktische Gebiete zu etablieren. Bei den geplanten Routen von Berlin nach San Francisco oder Tokio hätte man da eine irre Zeitersparnis gehabt“, betont die Professorin Cornelia Lüdecke, die den historischen Arbeitskreis der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung leitet.

Deutsche und sowjetische Forscher arbeiteten gemeinsam am Plan der arktischen Verkehrslinien. Doch die Weltwirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg, der Siegeszug der Flugzeuge und der Niedergang der Luftschiffe nach der „Hindenburg“-Katastrophe ließen das Projekt sterben.

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