Trainingsparcours

In Roßtal lernen Hunde, Leben zu retten

28.10.2021, 11:00 Uhr
In Roßtal lernen Hunde, Leben zu retten

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Betonbrocken und -platten liegen kreuz und quer, dazwischen Mauerfragmente. Unter den Schuhen knirschen zerbrochene Ziegel – das Gelände gleicht einer Schutthalde. Doch das Chaos hat System, ist statisch geprüft und von der Baubehörde genehmigt. Das Trümmersuchfeld des Rettungshundezugs Biberttal ist einer von drei solcher Parcours in ganz Deutschland, "von der Qualität her aber einmalig", sagt Walter Fretschner (67), stellvertretender Vorsitzender des Vereins und seit Mitte der siebziger Jahre in der Ausbildung von Hunden aktiv.

Bei den Profis im Rettungshundewesen hat das Gelände einen hervorragenden Ruf. "Die Leute kommen mit ihren Hunden aus ganz Deutschland, mitunter auch aus Österreich, selbst ein Gruppe aus Frankreich war kürzlich da, um bei uns für den Ernstfall zu trainieren", berichtet die Vereinsvorsitzende Doris Sluzalek. In der Regel dauert es zwei Jahre, bevor die Lebensretter auf vier Pfoten in den Einsatz geschickt werden können, um nach Gasexplosionen, Häusereinstürzen, Erdbeben oder Überschwemmungen wie im Juli im Ahrtal nach vermissten Menschen zu suchen.

Drei Teams kurz vor der Prüfung

Von den 41 Mitgliedern im Hundezug sind aktuell 13 mit ihren Hunden in Ausbildung, drei stehen kurz vor der Prüfung. Angeschlossen sind die Roßtaler an die Bundesarbeitsgemeinschaft Rettungshunde führender Organisationen, über die sie auch für Einsätze angefordert werden. Ein Mensch-Hunde-Team aus dem Verein war im Ahrtal mit dabei.

Vor gut 30 Jahren, nachdem der Verein – damals noch als Rettungshundestaffel Nürnberg – nach Roßtal umgezogen war, hat Fretschner den Trainingsparcours aus Schutt "mit Unterstützung vieler", wie er betont, aufgebaut und seitdem ständig erweitert und optimiert. Ein Abrissunternehmen hat das Material geliefert, zeitweise war auch ein Kran vor Ort.

In Roßtal lernen Hunde, Leben zu retten

© Foto: Hans-Joachim Winckler

"Wir könnten hier einen ganzen Omnibus voller Leute verstecken", sagt Fretschner, 55 Hohlräume gibt es hier. Die Lebensretter auf vier Pfoten lernen auf dem Schuttberg, menschliche Witterung aufzuspüren und mit Bellen anzuzeigen, wenn sie fündig wurden. Fretschner hat einige Herausforderungen eingebaut: beispielsweise abgedichtete Gruben, wo der Hund durch eine Kies- oder Sandschicht den Menschen wittern muss. Das tiefste Versteck liegt sechs Meter unter dem Schutt.


Casting für Vierbeiner mit verborgenen Talenten


In Löchern einer Wand, die mit Gitter abgesperrt sind, locken Leckerlis. Hunde, die in Fretschners Schule gehen, sollten sich davon nicht ablenken lassen. Mit Futter zu belohnen, lehnt er komplett ab: "Das ausgiebige Lob muss genügen, ich will ja, dass der Hund seine Nase zu 100 Prozent auf die menschliche Witterung konzentriert, statt Fressbares zu suchen." Sein Ziel: "Mit dem Hund eins zu werden, sodass der auf jedes mit ruhiger Stimme gegebene Kommando hört." Sichtzeichen nützen im Rettungshundewesen wenig, denn "die Teams sind oft im Dunkeln unterwegs".

Das 14.500 Quadratmeter große Vereinsgelände, das der Rettungshundezug von der Gemeinde gepachtet hat, bietet auch einen Geschicklichkeitsparcours. Der 16 Monate alte Bernhardinerwelpe Charlie macht hier gerade erste, noch tapsige Gehversuche über Wippe, Gitter oder Bretter, die teils hoch hinaus führen – nichts für ängstliche Charaktere.

Verschiedenste Untergründe kennenzulernen, auch bis zu mehreren Metern über dem Boden, gehört zur Grundausbildung. "Auf den Geräten lernen die Hunde, ihre Füße richtig zu sortieren, denn sie kennen eigentlich nur ihre Vorderpfoten, die Hinterläufe ziehen sie eher hinterher. Auf einer Leiter funktioniert das aber nicht", erklärt Sluzalek.

In einem Waldstück kann die Flächensuche geübt werden, eine große Wiese bietet Platz für das Training von Unterordnung und Gehorsam, eine zweite dient dem Freilauf. Sluzalek, die selbst erst vor ein paar Jahren zu den Roßtalern gestoßen ist, ist begeistert von der Vielseitigkeit des Areals: "Es bietet alles, um den Hund zu fordern, gleich ob Kopf oder Nase."

Fretschners vierjähriger Benji, ein Steirischer Rauhhaarbracken-Rüde, meistert den Geschicklichkeitsparcours mit links. Auch im Trümmerfeld sucht er zielstrebig und schwanzwedelnd die Hohlräume ab. Für den Einsatz aber ist er weniger geeignet, sagt Fretschner, "er stellt sich a bisserl". Im freien Gelände schaltet Benji hin und wieder auf Durchzug und dreht seine eigenen Touren. "Im Einsatz", so Fretschner, "trennt sich die Spreu vom Weizen." Und es ist eben nicht jeder Hund als Rettungshund geeignet, "das muss man als Halter auch akzeptieren", sagt Sluzalek.

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