Riesenrad-Sturz bei Open Beatz

Ingenieur wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

4.11.2021, 15:06 Uhr
Weil die Türen einiger Gondeln des Riesenrades nicht richtig schlossen, ist ein Mann in den Tod gestürzt.

© EDUARD WEIGERT Weil die Türen einiger Gondeln des Riesenrades nicht richtig schlossen, ist ein Mann in den Tod gestürzt.

"Sie haben Ihre Berufsehre mit Füßen getreten", sagt Richter Christian Kretschmar abschließend, als er einen 63-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Der Mann vom Tüv Rheinland habe die Verlässlichkeit, für die der Tüv stehe, "aufs Gröbste enttäuscht".

Was war passiert? Das 31-jährige Opfer war extra zu dem Elektro-Festival aus Kolumbien nach Herzogenaurach-Poppenhof angereist. Am 20. Juli 2019 fuhr der Mann gemeinsam mit seiner Freundin Riesenrad, als er um kurz nach 18 Uhr aus der Gondel stürzte. Wenige Stunden später starb er im Krankenhaus.

Die Ermittlungen haben laut Anklageschrift ergeben, dass die Tür der Gondel nicht richtig verschlossen war, da der Sperrbolzen unsachgemäß eingebaut war. So konnte sich die Tür nach außen öffnen, und als der Kolumbianer in der Gondel aufstand und sich wohl gegen die Tür lehnte, geschah genau das - die Tür schwang nach außen auf, der Mann stürzte in den Tod.

Vor Gericht sitzen nun ein 63-jähriger Schausteller aus Worms und ein ebenfalls 63-jähriger Diplom-Ingenieur vom Tüv Rheinland. Nur die Beteiligung von Letzterem wird an diesem Tag verhandelt, das Verfahren gegen den Schausteller wird abgetrennt und am 25. November fortgesetzt.

Keine Ausführungsgenehmigung

Der Wormser jedenfalls war von den Open Beatz-Veranstaltern damit beauftragt worden, ein Riesenrad aufzustellen. Weil er selbst aber keines besaß, ließ er sich ein Riesenrad von einem anderen Schausteller aus Frankreich beschaffen. Dies hatte jedoch keine Ausführungsgenehmigung und hätte in Deutschland gar nicht aufgestellt werden dürfen. So zumindest verliest es Oberstaatsanwalt Peter Adelhardt in der Anklage.

Dennoch nahm der Angeklagte das Riesenrad auf Bitten des Wormsers hin ab und bescheinigte ihm Mängelfreiheit, so dass der Schausteller es in Betrieb nehmen konnte. Das gibt der 63-Jährige vor dem Schöffengericht zu. Er habe sein Gutachten erstellt, obwohl das Riesenrad noch nicht vollständig aufgebaut gewesen sei - "nur etwa zu 75 Prozent". Die Gondeln hingen seiner eigenen Aussage nach noch nicht, er hatte also nicht geprüft, ob die Gondeln richtig eingehängt und die Türen sachgemäß verschlossen sind. "Ich hätte den Prüfbericht zu diesem Zeitpunkt nicht erstellen dürfen", gibt der Angeklagte zu. "Das war ein Fehler, den ich mir heute nicht mehr erklären kann."

"Kette von Problemen"

In der Tat gab es bei dem Riesenrad "eine gewisse Anzahl fehlerhafter Gondeln, die Probleme mit den Verschlüssen hatten", berichtet der gerichtlich bestellte Gutachter. Der Betreiber hätte bei der Montage sorgfältiger sein müssen. Ohnehin hätte das Riesenrad mit der fehlenden Ausführungsgenehmigung gar nicht aufgestellt werden dürfen. Ebenso sei keine Gebrauchsabnahme durch die örtliche Bauordnungsbehörde, also das Landratsamt, erfolgt. Und es hätten Hinweise für die Fahrgäste - etwa in Form von Piktogrammen - gefehlt, wie sie sich in der Gondel zu verhalten haben, dass es eben nicht erlaubt sei, aufzustehen. Es sei also "eine Kette von Problemen" gewesen, so der Gutachter. "Wenn an einer Stelle richtig gehandelt worden wäre, wäre der Unfall nicht passiert."

Weil der Angeklagte ein Geständnis ablegt und bisher noch nicht vorbestraft ist, verurteilt ihn das Gericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Außerdem muss er 5000 Euro Geldbuße an die Elterninitiative krebskranker Kinder zahlen.

In seinem letzten Wort betont der 63-Jährige: "Ich habe einen schweren Fehler gemacht mit schwerwiegenden Folgen, und das tut mir unendlich leid."

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