Jan Cumme: "Spätestens am Barren wäre ich gescheitert"

14.3.2021, 14:14 Uhr
Jan Cumme:

© Foto: Privat

Herr Cumme, reden wir über Sport. Wie steht es um Ihren Bizeps-Umfang?

Jan Cumme: Der ist gering (lacht). Während Corona hat sich der Umfang deutlich zurückentwickelt. Da fehlen mir die adäquaten Impulse im Fitnessstudio, also etwas Schwereres als kleine Hanteln und mein Körpergewicht.

Und wie steht es allgemein um Ihre Fitness?

Gut. Ich habe mir im März, also gleich zu Beginn der Pandemie, eine Fahrradrolle als Hometrainer zugelegt. Und die läuft heiß bei mir. Dreimal die Woche bin ich damit auf dem Rennrad, manchmal noch kombiniert mit Joggen. Ansonsten versuche ich mit kleinen Hanteln und Thera-Bändern ein bisschen Krafttraining zu machen.

Mal allgemein gefragt: Was bedeutet Sport für Sie?

Für mich persönlich hat Sport einen gewissen Suchtcharakter. Ich bin süchtig nach dem Befriedigungsgefühl danach. Bei Sport geht es für mich darum, ein bisschen zu leiden, um sich dann wieder am Wohlergehen zu erfreuen. Ich mache Sport auch, um Grenzerfahrungen zu machen. Ich finde es toll, wenn man über Sport seinen Körper noch einmal intensiver wahrnimmt. Zum Beispiel trinke ich bei langen Sporteinheiten am Schluss viel zu wenig, da würde jeder Sportwissenschaftler schreien. Ich treibe hier ein Spiel mit meinem Körper. Ich liebe es, nach langen Rennradtouren anzukommen und vor Ort erst einmal in den Getränkemarkt zu rennen.

Sie gelten als einer der sportlichsten Lehrer am Gymnasium. Erklären Sie doch mal allen Schülern und Eltern: Mit welchen Sportarten halten Sie sich fit?

Ich würde mich als Radsportler einstufen und da wiederum in allererster Linie das Rennrad, Mountainbike an zweiter Stelle. Dann spiele ich im Kollegenkreis und mit Freunden regelmäßig Volleyball, wobei mich da jeder Vereinsspieler vermutlich eher mitleidig anschaut, weil es da an der Technik fehlt. Ansonsten gehe ich joggen, schwimmen und ins Fitnessstudio, gerne zum Spinning. In den letzten Jahren habe ich das Bergwandern für mich entdeckt und daraus Seminare in Kombination mit Geschichte gemacht. Bei mir muss sportlich jeden Tag etwas stattfinden.

Jan Cumme:

© Foto: Jonas Schmidt

 Sie leiten am Gymnasium auch die Theatergruppe. Ist Sport in gewisser Weise auch Theater?

Nein, das würde ich nicht sagen. Im Gegenteil: Im Theater darf man keinen sportlichen Ehrgeiz entwickeln. Während der Sport vom Wettkampf lebt, muss man im Theater bereit sein, unter seinen Möglichkeiten zu bleiben, und sich auch zum Affen machen können. Manchmal machen wir Wettkampfspiele, mit denen wir den körperlichen Ausdruck verbessern wollen. Da muss ich immer betonen: Leute, es geht nicht darum, zu gewinnen, sondern es geht darum, mit größter Freude etwas darzustellen. Allerdings gibt es schon eine Überschneidung von Sport und Theater, wenn es um das Körperbewusstsein geht. Die Fähigkeit, seinen Körper wirkungsvoll einzusetzen, lernt man im Sport. Gerade bei Kampfszenen braucht man auch Akrobatik und Artistik. Da war ich immer froh, wenn ich junge Sportler in der Gruppe hatte.

Wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken, welcher Sport stand da im Vordergrund?

Eigentlich keiner. Ich bin relativ spät zum Sport gekommen. In meiner Kindheit habe ich mich viel bewegt, aber nicht gezielt Sport betrieben. Mit 16 habe ich mit dem Mountainbike angefangen, da gehörte ich zu den frühen Mountainbikern. Ansonsten war ich im Fitnessstudio, aber wie es als Teenager halt so ist, hat man da noch wenig Masse und steht da wie ein Spargel drin. Aber das Witzige ist ja: Ich treibe viel Sport, aber ich bin kein guter Sportler. Vielleicht liegt das daran, dass ich in meiner Kindheit zu wenig Vereinssportarten ausprobiert habe. Mir fehlt die Feinmotorik. Ich quäle mich gerne, aber das, was für mich einen guten Sportler ausmacht, nämlich dieses überragende Körpergefühl und die Fähigkeit, den Körper zu koordinieren, das ist bei mir nicht so stark ausgeprägt. Bei mir ging es mit Sport erst im Studium los, und je älter ich wurde, desto stärker wurde es. Das hat wahrscheinlich auch mit der Midlife-Crisis zu tun. Vielleicht ist es auch ein bisschen berufsbedingt. Ich habe immer mit jungen, quirligen Leuten zu tun. Ich kann nicht mit meinesgleichen gemütlich vor mich hinaltern, wenn ich immer die fitte Version der Menschheit vor mir habe.

Einspruch: Es gibt genügend Lehrer, die so vor sich hinaltern.

(lacht) Das mag mitunter auch stimmen. Aber im Ernst: Ich habe das mit meiner Kollegin Irmengard Reichardt schon mal besprochen, mit der ich viele Schulfahrten gemacht habe. Da haben wir uns oft gedacht: Wenn man mit jungen Leuten unterwegs ist, bleibt man selbst ein bisschen jünger. Und ich möchte auf Fahrten vorweggehen können und nicht derjenige sein, wo die Schüler sagen: Jetzt müssen wir wieder auf den Alten warten.

Abgesehen von den Fahrten: Hilft Ihnen Sport in Ihrem Alltag als Lehrer?

Ganz massiv. Erstens als Ausgleich, Problem dieses Berufs ist ja das Abschalten. Man nimmt wahnsinnig viel mit in die Zeit, in der offiziell keine Schule ist. Und zweitens ist Lehrer sein ein kreativer Beruf. Wenn Unterricht nicht langweilig sein soll, ist Kreativität gefordert. Diese kreativen Impulse stellen sich auch beim Sporteln ein.

Beliebter Lehrer: Auch für den Abischerz am Weißenburger Gymnasium ist Jan Cumme (Zweiter von rechts) immer zu haben.

Beliebter Lehrer: Auch für den Abischerz am Weißenburger Gymnasium ist Jan Cumme (Zweiter von rechts) immer zu haben. © WT-Archiv

 Bekommt Sport in der Schule genügend Raum?

Ich finde, dass der Sportunterricht oft sträflich unterschätzt wird. Gerade in der aktuellen Digitalisierungsdebatte ist es mir wichtig, das Korrektiv Sport hochzuhalten. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir die motorischen und kreativen Fächer verstärken sollten und nicht einfach denken, wir digitalisieren jetzt durch die Gegend und versuchen damit passgenau auf irgendeinen Beruf vorzubereiten. Wir dürfen nicht so tun, als könnte man Schüler programmieren. Wir setzen die Schüler vor die Bildschirme und beklagen uns gleichzeitig, dass junge Menschen immer stärker unter Bewegungsmangel leiden. Wir wollen kreativ sein, aber wir lassen Kreativität nur noch bedingt zu. Die große Kreativität wird nicht mit dem Laptop geschult.

War es für Sie auch eine Option, Sportlehrer zu werden?

Ich hätte, glaube ich, nie den Eignungstest bestanden (lacht). Spätestens beim Geräteturnen am Barren wäre ich gescheitert. Schwimmen, Ausdauer hätte ich noch trainieren können. Tatsächlich habe ich mir das aber nicht ernsthaft überlegt. Damals habe ich auch noch nicht so viel Sport gemacht.

Zeit für ein paar kurze Fragen. Ihr Lieblingssport?

Rennradfahren, aber ich genieße es zwischendurch auch, mit Volleyball einen sozialen Sport zu machen.

Und am Fernseher?

Puh, fast gar nichts. Ich schaue so gut wie nie Sport. Zuschauen finde ich nur interessant, wenn es ins Akrobatische geht. Deshalb finde ich Turnen eindrucksvoll. Das sind Leute, die Kraft mit unheimlicher Geschicklichkeit kombinieren. Rennradfahren ist letztlich eine stupide Tätigkeit, aber der Turner macht sich zum Kunstwerk, da berühren sich Sport und Ästhetik. Das ist auch genau das, was mir fehlt, nämlich den Körper wundersam einsetzen zu können.

Ihr persönlicher Rekord?

Das war ein unfreiwilliger. Da war ich auf einer Mehrtagestour mit dem Rennrad und mit Camping-Gepäck in Südtirol unterwegs und habe die Strecke unterschätzt. Am Ende bin ich an einem Tag 240 Kilometer gefahren – mit zwei Alpenpässen, und der letzte davon kam überraschend. Ansonsten liebe ich es einfach, mich im Sommer einen Tag auf das Fahrrad zu setzen. Meine Lieblingstour ist von hier zum Alpsee im Allgäu, das mache ich mindestens einmal im Jahr.

Mit wem würden Sie gerne einmal das Trikot tauschen?

Mit keinem. Gerade weil ich viel Sport mache, merke ich, wie unendlich groß der Abstand ist. Ich stehe bei den Profis staunend da und denke: Wie um alles in der Welt kann man das hinkriegen? Es bedarf einer solchen Qual. Deswegen käme ich nie auf die Idee tauschen zu wollen.

Sportunterricht war für Sie . . .

. . . eine schöne Sache, abgesehen von Fußball. Turnen war immer grässlich, aber da war ich nicht der Einzige. Ich kann mich an Turnstunden erinnern, das war einfach nur noch lustig, weil das so peinlich war, was wir da gemacht haben.

Ein Leben ohne Sport wäre . . .

. . . mittlerweile völlig undenkbar und ich glaube auch relativ bald vorbei bei mir (lacht).

Was war das schönste, sportliche Kompliment eines Schülers oder einer Schülerin?

Also das platteste Kompliment kam relativ bald, nachdem ich hier an der Schule begonnen habe. Da habe ich mir einmal das Jackett ausgezogen, weil es heiß war. Dann hat eine Schülerin vorgeschrien: "Herr Cumme, Sie haben ja einen Knackarsch." Ansonsten kommen öfter Spaß-Komplimente oder ich werde bei den Schülerumfragen in der Abi-Zeitung genannt, zum Beispiel bei "Wer ist Mr. Sixpack?" Ich nehme das mit Humor, aber ein bisschen geschmeichelt fühlt man sich schon, wenn die Schüler das Gefühl haben, dass man sportlich unterwegs ist.

Zur Person

Jan Cumme (47) kommt ursprünglich aus Erlangen. Nach dem Lehramtsstudium an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) kam er 2004 nach Weißenburg an das Werner-von-Siemens-Gymnasium. Er unterrichtet Deutsch, Geschichte und Sozialkunde. 2007 hat er die Theatergruppe des Gymnasiums ins Leben gerufen. Neben dem Sport begeistert sich der Weißenburger für Musik. Er spielt Klavier und singt bei den "Weißenburger Vocalisten".

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