Massiver Widerstand in Röthenbach

Kampfansage gegen ICE-Werk: "Jägersee wird zum neuen Hambacher Forst"

22.10.2021, 12:59 Uhr
Mit Kerzen und Transparenten machten Demonstranten vor der Schwarzachhalle ihrem Unmut Luft. Der Widerstand gegen den Bau eines ICE-Instandhaltungswerks im Süden von Nürnberg ist riesengroß.  

© Robert Schmitt, NN Mit Kerzen und Transparenten machten Demonstranten vor der Schwarzachhalle ihrem Unmut Luft. Der Widerstand gegen den Bau eines ICE-Instandhaltungswerks im Süden von Nürnberg ist riesengroß.  

Röthenbach liegt etwa 600 Meter von den geplanten riesigen Hallen samt umfangreichem Gleissystem entfernt. „Der Jägersee-Forst wird dann ebenso durch die bundesdeutschen Medien gehen wie der Hambacher Forst“, kündigte Zeller ähnlichen Widerstand an wie er in Nordrhein-Westfalen gegen die Braunkohlerodung geleistet worden ist. Wie sehr das Bahnwerk den Bürgern auf den Nägeln brennt, zeigte die Dauer die Info-Veranstaltung. Der Dialog zwischen Bahn-Projektleitung und Kritikern dauerte von 19 Uhr bis kurz vor Mitternacht.

Auch der zweite Standort weiter nördlich, im Anschluss an das Gewerbegebiet, fand keinen Funken Gnade vor den Augen der knapp 300 Teilnehmer in und vor der Schwarzachhalle. Hauptargument für beide Planungen: Die Rodung von 45 Hektar Bannwald würde „einer ökologischen Katastrophe“ gleichkommen, erklärte Andreas Teichert für die Bürgerinitiative. „Wir wollen, dass die Bahn woanders baut“, lautete die nahezu einhellig verkündete Meinung der Versammlung.

Das ICE-Werk hier würde die Klimaanlage der Region zerstören, hieß es. Denn der Wald habe nach übereinstimmender Darstellung von Fachleuten wichtige Funktionen für den Nürnberger Süden und die angrenzenden Gemeinden. „Vor allem für das Kleinklima und die Wasserrückhaltung.“ Ferner bezweifelten viele Teilnehmer den Flächenbedarf von höchstens 45 Hektar. „Sie brauchen über 100 Hektar“, rechnete ein Redner vor.

Sorgen wegen Lärmbelastung

Ebenso stark kritisierten die Röthenbacher den Lärm, den sie von den an- und abfahrenden Zügen sowie den Arbeiten im Werk erwarten. Eine besondere Rolle spielten dabei, ebenfalls wie in Harrlach, die Hup-Tests. „Dann stehen wir nachts im Bett“, hieß es. Dazu gab Bahn-Projektleiter Carsten Burmeister ein noch stärkeres Bekenntnis zu Lärmschutz ab als bei der Versammlung im Rother Ortsteil. „Wir werden das Lärmproblem sicher in den Griff bekommen“, kündige er an.

Insbesondere will sich die Bahn bei der Berechnung der Schallbelastung nicht mehr auf einen Mittelwert stützen. Das Unternehmen will eigene Schallkarten erstellen, die den an der Wohnbebauung ankommenden Hup-Lärm exakt berechnen, um speziellen Lärmschutz zu ergreifen, der in die Planfeststellung einfließen soll.

Zugleich wies Burmeister alle Mutmaßungen zum größeren Flächenbedarf zurück. „Wir brauchen höchstens 45 Hektar“, betonte er mehrmals. Vor allem dieser Eingriff in „ein intaktes Ökosystem“ brachte die Bürgerinnen und Bürger auf die Palme. „Es ist völlig paradox, das Werk in den Bannwald und so nah an Wohngebiete setzen zu wollen“, sagte Friedrich Zeller.

„Das ist Raub der Heimat“, fügte Andreas Teichert hinzu und erhielt dafür Jubel und stehenden Beifall, der bei ähnlichen Äußerungen immer wieder aufbrandete. Ein kleiner Film mit emotionalen Bildern der Tier- und Pflanzenwelt im gesamten Muna-Wald unterstrich die Argumente der Bürgerinitiative.

"Zynisch und arrogant"

Teichert warf der Bahn vor, zynisch und arrogant auf die Sorgen der Bevölkerung zu reagieren. „Verschonen Sie uns mit ihren Killer-Phrasen“, so Teichert in Richtung Projektleitung und erklärte, die Bahn strebe „nach maximal möglichem Gewinn“. Freilich sei das die Basis für Wohlstand, gestand Teichert zu. „Aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit.“

Fast fünf Stunden lang machten die Röthenbacher in der Schwarzachhalle ihrem Ärger Luft.  

Fast fünf Stunden lang machten die Röthenbacher in der Schwarzachhalle ihrem Ärger Luft.   © Robert Schmitt, NN

Eine Rednerin betonte die bereits bestehende Belastung in Röthenbach durch die Autobahnen und bezweifelte die Aussagekraft der Dezibel-Berechnungen. „Zahlen sind eines, die reale Belastung ist etwas anderes“, erklärte sie, „sie ist schon heute so hoch, dass die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt ist. „Da käme der Lärm des Werks nun noch obendrauf.“

Um diese Befürchtungen der Bevölkerung auch an höherer Stelle zur Geltung zu bringen, wird das Wendelsteiner Gemeinderatsmitglied Maximilian Lindner (SPD) nächste Woche nach Berlin fahren, um dort mit Sören Bartol, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, und dem neuen Abgeordneten Jan Plobner zu sprechen.

"33 Bahn-Gebote"

Die Gemeinde Wendelstein hatte die Bürgerversammlung bestens vorbereitet. Ein ausgefeiltes Hygienekonzept und eine kleine Polizei-Equipe sicherten die Rahmenbedingungen. Um auch Bürgern ohne Impfschutz die Teilnahme zu ermöglichen, war mit erheblichem technischen Aufwand eine Videoübertragung aus der Halle auf den Platz davor organisiert worden, die perfekt klappte. Selbst Fragen konnten per Funk-Mikrophon von außen gestellt werden.

Entlang des Wegs zur Halle hatten sich zahlreiche Kritiker der Bahnpläne mit Plakaten und Bannern postiert. Hinzu kam ein Kerzenspalier, das dem Protest einen fast spirituellen Charakter verlieh. In Anlehnung an die Tafeln mit den zehn Geboten, die Moses seinem Volk vom Berg Sinai mitgebracht hatte, übergaben zwei Mädchen Carsten Burmeister eigens gefertigte Tafeln mit „33 Bahn-Geboten“.

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