Beobachtungen aus Abenberg

Kommunalpolitik kurios: Beton-Monster, Fotobeweis und "göttliche Willkür"

28.10.2021, 15:05 Uhr
Hangsicherung, schön und gut. Aber gleich mit einer so genannten Legobetonwand, die fast so hoch ist wie die nächsten Häuser? Das geht nicht, fand der Stadtrat.  

© Robert Gerner Hangsicherung, schön und gut. Aber gleich mit einer so genannten Legobetonwand, die fast so hoch ist wie die nächsten Häuser? Das geht nicht, fand der Stadtrat.  

Es sind vermeintliche Kleinigkeiten, in die sich Kommunalpolitikerinnen und -politiker am heftigsten verbeißen können. Dinge wie Mauern, Dächer oder einzelne Häuser. Drei Beispiele aus der jüngsten Abenberger Stadtratssitzung.

Fall 1: Die Legobetonwand

Legobetonwand hört sich irgendwie putzig an. Die Legobetonwand, um die es in Abenberg geht, ist aber nicht putzig, sondern in der Rangliste der aktuellen Stadtgespräche auf einem vorderen Platz zu finden. Zu bewundern, besser: zu bestaunen ist sie in der Güssübelstraße, unweit der Burg. Sie ist zum Teil über fünf Meter hoch, erinnert Stadtratsmitglied Franz Bachmann (SPD) in ihrer Dimension „an die Klagemauer von Jerusalem“ und soll doch nur den steilen Hang vor dem Abrutschen sichern.

Das, da sind sich alle Fraktionen im Stadtrat einig, hätte man auch ein bisschen schöner hinbekommen können, in terrassierter Form vielleicht. Aber: Ehe der Stadtrat einschreiten konnte, stand die Wand schon. Es gab zwar, so klagten die Politikerinnen und Politiker in der Sitzung, vor zwei Jahren einen Plan, den man damals auch genehmigt habe. Aber das jetzige Ergebnis habe nichts mit den damaligen Plänen zu tun.

Und jetzt? Das gemeindliche Einvernehmen im Nachhinein erteilen, wie es die Verwaltung trotz Bedenken vorgeschlagen hatte? Ja, die Hausbesitzer hätten einen Fehler gemacht, die Stadt sei nicht eingebunden gewesen. Doch das Rother Landratsamt habe ja schon Zustimmung signalisiert, so Bürgermeisterin Susanne König. „Unsere Botschaft, dass der Weg falsch war, ist bei den Leuten schon angekommen.“

Mit ihrer Argumentation stand König aber erstmals seit ihrer Wahl im März 2020 völlig allein und auf verlorenem Posten. „Wenigstens die allerschlimmsten Bausünden“ müsse man doch verhindern, sagte Grünen-Sprecherin Birgit Helbig. „Optisch eigentlich untragbar“, pflichtete Wolfgang Amler für die SPD bei. Auch die anderen Sprecher verspürten keine große Lust, „ein monumentales Bauwerk an einer vielbefahrenen Straße posthum zu legitimieren“. Da werde ja das „Baurecht ad absurdum geführt“, so Christian Arnold von den Freien Wählern.

Die Schuld sahen manche aber nicht nur bei den Grundstücksbesitzern, sondern auch beim Landratsamt. Dort herrsche offenbar „göttliche Willkür“, schimpfte Manfred Lunkenheimer (Bürgerliste). Manchmal habe er das Gefühl, dass dort Entscheidungen „ausgewürfelt“ werden.

Am Ende lehnten es alle Fraktionen ab, im Nachhinein der Legobetonwand das gemeindliche Einvernehmen zu erteilen. Die einzige Pro-Stimme kam von der Bürgermeisterin. Aber die hat eben auch nur diese eine Stimme. Zu wenig angesichts der 18 Stadträtinnen und Stadträte, die sie vor sich sitzen hatte. Und jetzt? Kann sein, dass die Wand trotzdem bleiben darf. Entschieden wird nicht in Abenberg, sondern im Landratsamt Roth.

Fall 2: Das flache Dach

Hin und wieder kommt es vor, dass ein Stadt- oder Gemeinderat einen alten Beschluss aufhebt und einen neuen fasst. Was relativ selten vorkommt: dass ein Beschluss nur vier Wochen hält und dann wieder kassiert wird. So geschehen bei einer vermeintlich harmlosen Bauvoranfrage. In der Septembersitzung hatte sich ein Bauwerber mit einer solchen Voranfrage an die Verwaltung beziehungsweise an den Stadtrat gewandt. Im Steinweg, unweit der Altstadt, wolle er ein Einfamilienhaus bauen. Mit einer Dachneigung von 25 Prozent.

Schön, sagte der Stadtrat. Das Einfamilienhaus geht schon in Ordnung. Aber die Dachneigung muss mindestens 45 Grad betragen. Fränkischer Stil eben. Wegen der Nähe zur Burg, wegen der Nähe zur Innenstadt. Einen rechtskräftigen Bebauungsplan, wo man schon im Vorfeld klare Vorgaben hätte machen können, gibt es an dieser Stelle nicht. Deshalb muss jeder Einzelfall neu bewertet werden.

Daraufhin hat der Bauwerber in der Nähe seines Grundstücks einige Fotos von Häusern gemacht und diese Fotos der Verwaltung zukommen lassen. Auf diesen Fotos sind lauter Bauwerke mit flach geneigten Dächern zu sehen, darunter eines von einem Neubau im toskanischen Stil, den der Stadtrat erst vor ein paar Monaten mit einigem Bauchgrimmen durchgewunken hatte. „Das fällt uns jetzt wieder auf die Füße“, klagten Markus Hofmann und Bertram Helbig für die CSU.

Ohne richtigen Bebauungsplan befinde man sich in einer permanenten Grauzone, klagten Sprecher anderer Fraktionen. Eine knappe Mehrheit ließ sich von den (bildlichen) Argumenten des Bauwerbers überzeugen. Am Ende stimmten zehn Stadträte dafür, den September-Beschluss aufzuheben, neun waren dagegen. Dem 25-Grad-Dach wurde eine Genehmigung in Aussicht gestellt.

Fall 3: Das Einzeldenkmal

Das Haus im Burgsteig 10, gleich unterhalb der Burg, ist vermutlich eines der letzten in Abenberg, das seit dem Bau im späten 18. Jahrhundert weitgehend unverändert geblieben ist. Die früheren Eigentümer, so glaubt Franz Bachmann (SPD), waren finanziell nie auf Rosen gebettet, deshalb sieht das Haus praktisch noch genau so aus wie vor knapp 250 Jahren, zumindest was die Kubatur angeht. Es ist als „Einzeldenkmal“ in die Denkmalliste eingetragen. Und steht deshalb unter Schutz. Eigentlich. Jetzt stimmte der Stadtrat bei zwei Gegenstimmen aber zu, dass das Haus abgerissen und in weitgehend identischer Form neu gebaut werden darf.

Trotz Denkmalschutz: Das Haus Burgsteig 10, direkt unterhalb der Burg, darf abgerissen werden, weil eine Sanierung „ein Fass ohne Boden“ wäre. Nur der Gewölbekeller bleibt.  

Trotz Denkmalschutz: Das Haus Burgsteig 10, direkt unterhalb der Burg, darf abgerissen werden, weil eine Sanierung „ein Fass ohne Boden“ wäre. Nur der Gewölbekeller bleibt.   © Robert Gerner

Denn: Das Gemäuer ist so marode, dass eine Sanierung „ein Fass ohne Boden“ wäre, wie Michael Braun von den Grünen festgestellt hat. Der Zimmerer war selbst auf der Baustelle und in Untersuchungen eingebunden. Selbst die Untere Denkmalschutzbehörde am Landratsamt, in solchen Dingen eher streng, habe eingesehen, dass eine Sanierung keinen Sinn mache. Die Käufer des seit langem leer stehendem Anwesens nahm Braun in Schutz: „Geplant war beim Kauf, das Haus als Ganzes zu erhalten.“

Jetzt bleibt nur der Gewölbekeller übrig. Immerhin: Der bleibt unverändert. Dem Antrag zum Abriss von Dachgeschoss und Erdgeschoss beziehungsweise zum Neubau des Zweifamilienhauses mit steilem Dach gab der Stadtrat statt.