Meister der kurzen Sätze

"5. Dimension": Warum man das neue Album von Rapper Marteria gehört haben sollte

15.10.2021, 14:26 Uhr
Mit seinem neuen Album "5. Dimension" knüpft Materia an die Anfänge seines Werks an.

© Stefan Sauer/dpa Mit seinem neuen Album "5. Dimension" knüpft Materia an die Anfänge seines Werks an.

Marteria ist ein Künstler der Auslassungen. Es gibt wohl kaum einen anderen Rapper hierzulande, der so konsequent das Stilmittel der Ellipse einsetzt. Sofern einzeln hingeworfene Namen und Nomen sich noch so bezeichnen lassen. "Weißer Sand. Die Schatten lang, die Sonne tief. Lucky Strike. Kristalleis. Alles rein, was es so an der Tanke gibt", heißt es etwa auf seinem neuen Album "5. Dimension". Einfache Impressionen, großes Pathos – und trotzdem ein rundes Bild samt Lebensgefühl.

Ein Album über die Nacht als letztes Abenteuer soll "5. Dimension" sein, so sagte es Laciny vorab der Wochenzeitung Zeit. Nur dort könne noch Unvorhergesehenes passieren. Daher sind diese zwölf Tracks auch keine ekstatische Durchfeierei. (Das darf aber natürlich trotzdem mal durchscheinen.) Und wenn diese Platte der Beweis für Unvorhergesehenes sein soll, widerlegt sich Laciny gleich selbst.

Denn "5. Dimension" könnte ein (sehr guter) Algorithmus zusammengestellt haben – unter der Aufgabenstellung, das bestmögliche typische Album des Rappers Marteria zu erschaffen. Da ist etwa der riesige Hit "Niemand bringt Marten um", da ist die Referenz an die Vereinigten Staaten mit "Marilyn", da sind die Features mit den Dauergästen Miss Platnum und Yasha. Nichts, was sich so nicht auf den letzten Platten finden ließ. Doch trotzdem ist da mehr Essenz, mehr Futter als zuletzt.

In "Strandkind" bringt ein Synthesizer eine knödelige Melodie ein, "Love, Peace & Happiness" lässt sich von einem Beat direkt aus dem Club tragen. Wenn es dann in "Traffic" heißt: "Deutschland, einig Kraterland. Habe gedacht, wir sind schon weiter", ist das natürlich nicht nur auf den Straßenbelag gemünzt. "5. Dimension" ist in seinen Gefühlen zerrissen zwischen Jugend im Osten, Erwachsensein, Ekstase und diesem Leben überhaupt.

Viel tiefer und melancholischer

Dieses Album wirkt so viel tiefer und melancholischer in seinem Sound als noch der unentschiedene Vorgänger "Roswell". All das ist weiterhin so selten im deutschsprachigen HipHop der Gegenwart, dass Marteria Ausnahmeerscheinung bleibt. Nicht nur sein unaufgeregter Flow, sein Stil bringen ihn wieder durch diese Platte, sondern eben die Reflexion, das Nachdenken. Marteria ist kein Künstler für Antworten. Er stellt lieber große Fragen. Zwischen all den kurzen Sätzen muss man dafür nur genau hinhören.


"5. Dimension" von Marteria erscheint als CD/LP/Digital am 15. Oktober bei Four Music/Sony. Am 04. Juni 2022 ist Marteria live bei Rock im Park zu sehen.

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