Atemloses Action-Kino: Blockbuster "Tenet" startet

27.8.2020, 10:25 Uhr
Elizabeth Debicki und John David Washington im atemlosen Action-Thriller "Tenet", der am 26.8. in den deutschen Kinos gestartet ist. 

© --, dpa Elizabeth Debicki und John David Washington im atemlosen Action-Thriller "Tenet", der am 26.8. in den deutschen Kinos gestartet ist. 

Soviel ist klar: Dieser Film geht nur im Kino, auf der ganz großen Leinwand. Unmöglich die Vorstellung, ihn zuhause als Stream auf dem Bildschirm zu sehen. Und weil "Tenet" die wohl spektakulärsten Actionszenen der Kinogeschichte zu bieten hat – in atemberaubenden, so noch nie gesehenen gleichzeitig vorwärts und rückwärts laufenden Bildern –, könnte es gut sein, dass dieser erste Blockbuster-Start nach dem Lockdown tatsächlich die dringend ersehnte Überlebenshilfe für die von Corona heftig angeschlagene Kinobranche ist.

Auch Christopher Nolan dürfte das hoffen – nicht nur, um die 200 Millionen Dollar Produktionskosten einzuspielen. Seit "Memento" und "Inception" gilt der Brite als einer der innovativsten Filmemacher, der sich hyperkomplizierte, meist auf verschiedenen Zeitachsen spielende Plots ausdenkt. Zugleich ist er ein leidenschaftlicher Verfechter von echtem Film (auch "Tenet" wurde analog auf Zelluloid gedreht) und vor allem des echten Kinoerlebnisses.

"Wir werden von der Zukunft angegriffen"

Geht es für die Kinos also derzeit ums Überleben, so steht die Welt in "Tenet" vor noch einer weit größeren Katastrophe, wobei das erst nach und nach klar wird. Zunächst einmal sieht man, wie ein vollbesetztes Opernhaus in Kiew von zwei gegnerischen Sonderkommandos in hochgerüsteter Kriegsmontur gestürmt wird. Nolan und sein Kameramann Hoyt Van Hoytema zünden schon da ein Feuerwerk virtuos choreografierter, entfesselter Bewegung.

Der namenlos bleibende "Protagonist", der sich bei dem Einsatz als Held bewährt hat (John David Washington spielt ihn mit der Aura smarter Coolness), wird daraufhin vom amerikanischen Geheimdienst mit einer neuen Mission betraut: Er soll den Dritten Weltkrieg verhindern, genauer: den Untergang der Welt. Am Schießstand führt ihm eine Wissenschaftlerin ein Phänomen vor, das der CIA Anlass zu größter Sorge gibt. Die Pistolenkugeln fliegen zurück in die Waffe, sie sind "invertiert" und bewegen sich in der Zeit zurück.

Das gleiche, so wird man bald erleben, passiert mit Autos, Booten, Häusern, Explosionen, Flugzeugen – und mit den Menschen. "Wir werden von der Zukunft angegriffen", erklärt ihm die mächtige Priya (Dimple Kapadia), die der Protagonist auf seiner Mission, die ihn um die halbe Welt führt, in Mumbai trifft.

Den Schlüssel zu dieser Zukunft und zur Auslöschung der gesamten Menschheit hält der russische Oligarch und Waffenhändler Sator in Händen (Kenneth Branagh als eiskalter Superschurke). Sator hat sich nicht nur die Algorithmen für sämtliche Atomwaffenmodelle der Welt verschafft, er ist offenbar auch derjenige, der die "temporale Zangenbewegung", das Aufeinanderprallen von Gegenwart und Zukunft, dirigiert.

Um zu ihm zu gelangen, nimmt der Protagonist Kontakt zu dessen Ehefrau Kat auf (stark, zart und von vollendeter Eleganz: Elizabeth Debicki), die ihren Mann aus gutem Grund von Herzen hasst. Und die in dem Protagonisten aus ebenfalls guten Gründen mehr als nur Beschützerinstinkte weckt.

Pures Action- und Adrenalinkino

Einschließlich des bombastischen Showdowns – dessen Inszenierung an Nolans Kriegsfilm "Dunkirk" erinnert – ist "Tenet" pures Action- und Adrenalinkino mit Verfolgungsjagden, die in einer Einstellung zugleich vorwärts und rückwärts laufen, in denen Explosionen implodieren, Häuser unten einstürzen und sich oben wieder aufbauen. Der Crash einer am Boden gekaperten, mit Sators Goldbarren tonnenschwer beladenen Boeing in eine große, gläserne Halle ist die spektakulärste von vielen spektakulären Szenen. Und selbst ein linear ablaufendes Katamaranrennen, bei dem Kat sich ihres verfluchten Ehemanns zu entledigen versucht, lässt einen kaum Atem holen.

Kaum Zeit für Charakterentwicklung

Nur selten – zu selten – tritt Nolan auf die Bremse. Gelegenheit für eine tiefere Figurenzeichnung bleibt da kaum. Auch die komplexen philosophischen Gedanken über Quantenphysik, die Zeit und ihre Umkehrung – um die es im Kern hier ja geht –, werden vom Chaos der Kämpfe und Explosionen schnell übertönt, wozu der hämmernde Sound von Ludwig Göransson seinen Teil beiträgt.

Dabei hat vor allem Robert Pattinson als des Protagonisten Sidekick Neill (und möglicherweise ein Wandler zwischen den Welten), Sätze parat, über die man gerne mal kurz nachdenken würde, wie "Was hier passiert, ist noch nicht geschehen". Oder, als der Protagonist sich in die Zukunft wagt: "Wenn Sie zurückgehen, passen Sie auf, dass Sie sich nicht selbst begegnen."

Gut, kann man auch später drüber nachdenken – oder man geht noch ein zweites und drittes Mal in "Tenet". Was action-gestählte Zuschauer liebend gern tun werden. Für die Kinos wäre es auch nicht schlecht. (150 Min.)

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