BAU [ SPIEL ] HAUS

26.2.2019, 08:00 Uhr
BAU [ SPIEL ] HAUS

© Klassik Stiftung Weimar

Herr Hensel, als traditionelle Spielzeugstadt ist Nürnberg ja der ideale Ort für eine Ausstellung zu diesem Thema. Die Besucherinnen und Besucher erwartet aber keine reine Spielzeug-Schau?

Hensel: Die wäre schon kolossal, wenn Sie bedenken, was alles als Spielzeug gelten kann. Aber BAU [ SPIEL ] HAUS nimmt mehr in den Blick: nicht nur Spielzeuge, sondern auch die Architekturen, Räume und Möbel, in und mit denen gespielt wurde und wird – im Geist des Bauhaus.

Wie entstand diese Idee und welche Rolle kommt dem Spiel im Bauhaus-Konzept zu?

Die Initialzündung passierte im sogenannten AppHaus des Softwareentwicklers SAP in Heidelberg. Dort stach mir ein Besprechungsraum ins Auge, der mit Auszügen des Bauhaus-Manifests von Walter Gropius aus dem Jahr 1919 tapeziert ist und mit einem Plakat im Stil des berühmten, für die Weimarer Bauhaus-Ausstellung von 1923 gestalteten Plakats aufwartet, das für das AppHaus wirbt.
Als ich dann bei Recherchen auf das Kinderzimmermobiliar von Alma Siedhoff-Buscher stieß, ergaben sich sofort Bezüge zwischen aktuellen polyfunktionalen Kreativräumen und den Spielzonen des Bauhauses.
Schon der Bauhaus-Meister Johannes Itten postulierte: „Das Spiel wird zum Fest, aus dem Fest wird Arbeit, und Arbeit wird zum Spiel“. Spielen, Spielräume und Spielzeuge waren für das Bauhaus zentral – als Gegenstände und Prozesse, die gestaltet wurden, und als Objekte, mit deren Hilfe gestaltet wurde.

BAU [ SPIEL ] HAUS

© Rudolf Lutz

Die Nürnberger Ausstellung BAU [ SPIEL ] HAUS konzentriert sich also nicht nur auf die Bauhaus-Ära selbst? 

Richtig – das älteste Exponat ist ein Emblembuch aus dem 17. Jahrhundert, das jüngste ein Dartblaster, mit dem Schaumstoffprojektile verschossen werden können. Zwischen diesen Polen spannen wir ein Netz von Beziehungen auf, mit Knotenpunkten bei der Pädagogik Friedrich Fröbels im 
19. und der Maria Montessoris im frühen 20. Jahrhundert, beim Black Mountain College in den USA, bei LEGO®, Hartz-IV-Designermöbeln, Computerspielen oder den Amazon Spheres, riesigen, als kugelförmige Wintergärten gestalteten Großraumbüros..

BAU [ SPIEL ] HAUS

© VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG

Für das Neue Museum, das auf Kunst und Design nach 1945 spezialisiert ist, ist eine Ausstellung mit historischen Elementen keine Selbstverständlichkeit.

Das Historische ist ja nur ein Aspekt. Zu unserem Kuratorenteam gehören auch zwei zeitgenössische Künstler von Weltrang – Liam Gillick hat die Ausstellungsarchitektur konzipiert und Olaf Nicolai wird eine eigens entworfene Arbeit zeigen und begleitende Publikationen gestalten. Darüberhinaus präsentieren wir künstlerische Positionen von Eva Grubinger und Yto Barrada.

BAU [ SPIEL ] HAUS bringt eine Vielzahl von Exponaten, Spielkonzepten und deren Ausprägungen in verschiedenen Lebensbereichen zusammen. Verraten Sie uns Ihr persönliches Highlight?

Die nach dem einen Lieblingsexponat ist naturgemäß die Frage, die den Kurator am meisten quält (lacht). Mir sind während der Arbeit alle Stücke ans Herz gewachsen, intellektuell, aber auch von ihrem Schauwert her. Aber ich spiele das Spiel gerne mit und nenne heute die Wurfpuppen von Alma Siedhoff-Buscher. Diese Puppen, entworfen um 1924 und bestehend aus einem zopfartigen Bastgeflecht mit Holzkugeln und Chenille-Kleidern, lassen spielerisch Materialeigenschaften erfühlen: hart und weich, rau und glatt. Sie können aber auch geworfen und aufgefangen werden oder kommen bizarr verdreht auf dem Boden zu liegen. Stiftet das eine ein Miteinander, beflügelt das andere die Vorstellungskraft. Reizvoll und raffiniert sind die Wurfpuppen aber auch, weil sie den Menschen einerseits, ganz buchstäblich, deformieren können, und ihm andererseits, bildlich gesprochen, Flügel verleihen.

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