Bayreuther Festspielhaus: Kostenexplosion am stillen Örtchen

15.1.2020, 16:19 Uhr
Bayreuther Festspielhaus: Kostenexplosion am stillen Örtchen

© Foto: Sven Lutz

Denn zum einen bot er nicht nur Männlein und Weiblein Obdach für erleichternde Geschäfte, sondern beherbergte auch die Festival-Dependance der leider inzwischen geschlossenen "Markgrafen"-Buchhandlung und das eigene Festspiel-Postamt.

Nun haben aber Feuchtigkeit und Salpeter der von drei Generationen dankbar genutzten Stätte derart zugesetzt, dass sie nach 88 Jahren abgerissen werden musste und aktuell ein Neubau am Wolfgang-Wagner-Platz entsteht. Ursprünglich waren für das 110 Quadratmeter neue Häuschen 540 000 Euro im städtischen Haushalt veranschlagt. Nun werden für den — nunja — fast Kulturbau 130 000 Euro mehr fällig.

Aber nicht, weil hier goldene Wasserhähne mit Schwan-Applikationen und maßgefertigte Pissoirs in Form von Siegfried-Hörnern verbaut würden, sondern weil schlicht die Architekten von Anfang an zu niedrig kalkuliert haben.

Also musste Bayreuths Baureferentin Urte Kelm kleinlaut um einen Nachschlag im mit neun Gruppierungen einigermaßen buntscheckig aufgestellten Stadtrat, in dem Mehrheiten seit Jahren äußerst schwer zu organisieren sind, bitten.

Nun wird sich mancher fragen, was denn die Stadt mit dem Festspielgelände zu schaffen hat. Kurze Antwort: Es gehört ihr. Die Festspiel-Stiftung hat das Areal nur gemietet und ist deshalb auch nicht für den Bauunterhalt zuständig.

Für alle, die sich jetzt empören und von einer Extrabratwurst für hochmögende Festspielgäste sprechen wollen, sei hier auch von einem besonderen Akt der Demokratisierung berichtet. Bislang standen die Toilettentüren nämlich tatsächlich nur während der eigentlichen Festspielzeit offen. Nun soll aber ganzjährig Service geboten werden.

Mit andern Worten: Wer auf seiner Wanderung zum Waldsaum der Bürgerreuth oder zur öffentlichen "Freiluftanlage" (samt Kneipp-Bad) in Nöte kommen sollte, findet hier künftig auch im Oktober oder April eine stille Herberge.

Bedenkt man also die Ausdehnung der Öffnungszeiten von fünf auf 52 Wochen, was einer Steigerung von 940 Prozent entspricht, so relativieren sich die Mehrkosten irgendwie. Und gesetzt den Fall, auch die neue Anlage böte ihren Gästen 88 Jahre Schutz und Schirm, dann hätte die Kommune pro Jahr 761 Euro reine Baukosten aufbringen müssen. In Summe also eher ein kleines, denn ein großes Geschäft.

Verwandte Themen


Keine Kommentare