"Bei den Künstlern brennt buchstäblich die Hütte"

27.5.2020, 19:07 Uhr

© Foto: Verband für Popkultur in Bayern

Herr Schweinar, wie positiv gestimmt sind Sie nach der Ankündigung, dass kulturelle Veranstaltungen unter Auflagen ab 15. Juni wieder möglich sind?

Bernd Schweinar: Am positivsten finde ich, dass die Mittel für die Spielstätten von 30 auf wohl 42 Millionen Euro angehoben werden. Im ersten Entwurf waren einige noch durchs Raster gefallen. Dass jetzt wieder Veranstaltungen stattfinden können, bringt wohl eher den subventionierten Bühnen etwas. Ein freier Veranstalter kann mit der Regelung eigentlich überhaupt nichts anfangen. Er bräuchte wesentlich mehr Publikum, um annähernd seine Kosten decken zu können.

Sie haben gemeinsam mit unter anderem Volker Heißmann von der Fürther Comödie und Axel Ballreich vom Concertbüro Franken das Kunstministerium darüber beraten, was die Branche braucht. Zunächst einmal fand davon aber so gut wie nichts Niederschlag, oder?

Schweinar: Ja, das stimmt. Wir sind aber weiter im Dialog mit dem Kunstministerium, derzeit erarbeiten wir gerechte Verteilkriterien für die Spielstätten. Und wir reden hier nicht von Gewinn, sondern von der Erstattung von Notbetriebskosten. Es geht darum, die Infrastruktur, die für die vielfältige bayerische Kulturlandschaft sorgt, über die Krise hinweg zu retten. Wenn es die nicht mehr gibt, dann gibt es auch keine Spielstätten für die Künstler mehr. Aber immerhin ist es uns, wie eingangs gesagt, schon gelungen, die dezentralen Veranstalter, die elementar für die Kultur im ländlichen Raum sorgen, mit in den Rettungsschirm zu packen. Wenn die fehlen, wird es in vielen Kleinstädten schlicht kein Kulturangebot mehr geben.

Derzeit gibt es noch das Problem mit den Großveranstaltungen beziehungsweise mit der fehlenden Definition dafür. Solange es keine offizielle politische Richtlinie gibt, können Festivals oder Konzerte oft nicht abgesagt werden, weil den Veranstaltern kein Verbot der örtlichen Behörden vorliegt und sie im Fall einer Absage ohne Anordnung regresspflichtig sind. Warum sträubt sich die bayerische Regierung da so?

Schweinar: Man kann nur spekulieren. Rechtssicherheit wäre gegeben, wenn es zum Beispiel heißen würden, Veranstaltungen ab 1000 Leuten sind bis Ende August verboten. Warum sich die Regierung drückt, ist schwer aus ihr herauszukitzeln. Die Behörden vor Ort wiederum warten vermutlich oft lange, weil sie die Verantwortung scheuen. Einer unserer früheren Dozenten aus dem Münchner Kreisverwaltungsreferat schilderte die grundsätzliche Problematik so: Wenn bei einer Veranstaltung etwas passiert, die wir genehmigt hatten, steht am nächsten Morgen die Staatsanwaltschaft bei uns in der Tür und beschlagnahmt die Akten. Davor haben Beamte wahrscheinlich Angst. Aber den Veranstaltern macht diese Situation massive Probleme. Die Versicherungswirtschaft sagt uns, dass sie im Moment keine neuen Ausfallversicherungen bis Sommer 2021 abschließt. Das ist fatal und zeigt, dass die Aussicht auf einen Impfstoff im Moment vieles lenkt. Bereits jetzt tobt ein regelrechter Kampf um Termine in Hallen für den Herbst 2021.

Ein Knackpunkt waren in den vergangenen Wochen auch die soloselbstständigen Kreativen. Auch dieses Hilfspaket – je 1000 Euro für drei Monate — hat Ihr Bündnis scharf kritisiert. Warum?

Schweinar: Dieses Thema liegt uns weiterhin schwer im Magen. Es geht ja nicht nur um Künstler, sondern auch um die Menschen, die die Produktion im Hintergrund auf die Beine stellen. Fakt ist, viele leben derzeit von Erspartem oder Krediten. Man hört, dass vom Bund ein wie auch immer gearteter Lösungsvorschlag kommen soll. Gerüchten zufolge ist angedacht, dass Soloselbstständige einen prozentualen Gagen-Ausgleich bekommen sollen, berechnet nach dem Verdienst der vergangenen drei Jahre. Aber wie gesagt, das sind nur Gerüchte. Wir haben schon so viel eingebracht in Berlin und sind schon so oft gescheitert. Wenn das also nicht klappt, muss man sich in Bayern dringend noch einmal neu zusammensetzen. Den Künstlern hier brennt buchstäblich die Hütte! Es ist doch absolut unverantwortlich, wenn manch ein Politiker Kultur jetzt ganz offen als verzichtbar ansieht. Wir werden auch nach Corona noch viel über die Wertigkeit von Kultur reden müssen. Und auch über Förderung beziehungsweise über das Thema subventionierte und nichtsubventionierte Kultur.

Selbst wenn sich in Sachen Unterstützung noch mehr tut: Wie viel Kultur wird überleben?

Schweinar: Tja, wenn ich das wüsste. Ich hoffe natürlich, dass möglichst viel überlebt. Uns ist aber, glaube ich, allen bewusst, dass sich der Bereich ausdünnen wird. Was ich auch dem Ministerpräsidenten Markus Söder gesagt habe: Wir müssen langfristiger denken. Erlösung bringt uns wirklich nur ein Impfstoff. Und das wird ja vermutlich noch dauern. Die Rettungsschirme momentan laufen nur bis 31. Dezember, das heißt, wir müssen frühzeitig weiter in die politische Diskussion kommen. Natürlich sind die Mittel endlich. Da graut mir davor. Und ich beneide keinen Politiker, der sich momentan diesen ganzen Diskussionen und Rechnereien stellen muss.

www.kulturrettungsschirm.bayern

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