Bestes Entertainment: Saša Stanišic beim LesArt-Festival

9.11.2019, 09:50 Uhr
Bestes Entertainment: Saša Stanišic beim LesArt-Festival

© Foto: Martina Kramer

Saša Stanišic steht in der Karlshalle in Ansbach, er hat ein Wasserglas. Und er unterhält die Zuschauer im voll besetzten Saal von der ersten Minute an, mit Anekdoten, mit Kommentaren zum eigenen Schreiben, mit einer Lesung, die mehr Erzählen ist und so klingt, wie man es beim Lesen seines aktuellen Buches "Herkunft" empfindet: Ein kluger Freund berichtet von der Welt, wie er sie sieht und sah. Eineinhalb Stunden bestes Entertainment. Geht doch.

Die Veranstalter des "LesArt"-Festivals, das derzeit in Ansbach, Lauf und Schwabach läuft, hatten ein gutes Näschen, als sie, wie die Organisatorin in Ansbach erzählt, schon im Januar Kontakt mit dem Verlag aufnahmen. Dass aus dem angekündigten Roman eines der besten Bücher dieses Jahres wurde, konnte da höchstens der Lektor ahnen. Jetzt ist Saša Stanišic, der in Bosnien geboren wurde, mit 14 Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland floh und dem aktuellen Europa der ängstlichen Nationalisten schreibend einen Spiegel vorhält, ein Star.

Handke bleibt Thema

Das hat auch mit seiner Dankesrede zum Deutschen Buchpreis im Oktober in Frankfurt zu tun: Stanišic sagte sehr deutlich seine Meinung zum neuen Nobelpreisträger Peter Handke, der seit den 90er Jahren sehr deutlich aufseiten der Serben zum Bosnien-Krieg Stellung bezogen hatte. Mittlerweile will Stanišic, Sohn einer muslimischen Bosnierin und eines serbischen Vaters, keine Interviews mehr zu dem Thema geben. Aber er twittert fast täglich darüber (und postet dazwischen lustige Fotos aus Ansbach und Schwabach); dass Handke den Genozid an den Bosniern durch die Serben sträflich relativiere und sich nicht nur in seinen Texten, sondern auch durch zahlreiche Besuche und Aktionen auf die Seite der nationalistischen Serben stelle, steht für ihn außer Frage. Kein Wort dazu aber bei den Lesungen. Der meist gut gelaunte, jugendliche 41-Jährige kommt – wie immer – mit Pullunder auf die Bühne, erzählt, wie er sich tatsächlich im überschaubaren Ansbacher Hofgarten beim Joggen verirrt hat und ihm ein ortskundiger Uwe (Danke!) hinausgeholfen hat. "Hier werden Jogger freundlich angesprochen, das ist toll!".

So geht der Abend weiter. Stanišic ist eigentlich ein Meister der kurzen Form, sein Buch ist eine glitzernde Kette von Geschichten aus der Kindheit und Jugend, die golden anfing – im bosnischen Višegrad – und düster weiterging – in Heidelberg als Flüchtling. Für Ansbach sucht der leidenschaftliche Fußballfan, der seine Liebe zu Roter Stern Belgrad bald auf den HSV übertrug, die eher anekdotischen Texte aus, nicht die über die fast mystische Vorgeschichte seiner Familie und die nachdenklichen Texte über Herkunft und Zukunft, die das Buch erst zu diesem lesenswerten Amalgam aus Erlebtem und Durchdachtem machen.

Er erzählt, wie er als kleiner Junge beim nationalen Jugend-Staffettenlauf mitmachte – und im entscheidenden Moment derart dringend pinkeln musste, dass das große Ereignis zur Qual wurde; wie er mit flatterndem rotweißem Schal zum Spiel Roter Stern gegen Bayern 1991 nach Belgrad fuhr – und vom entscheidenden Tor nichts mitbekam, weil "das ganze Stadion stand, vielleicht stand sogar das ganze Land zum letzten mal gemeinsam hinter einer Sache."

Stanišic hat noch viel mehr zu erzählen, er erzählt gut, mit Humor und Weisheit. Wer so offene, unterhaltsame Autoren hat, kann getrost auf die Wasserglas-Lesung setzen.

Die LesArt findet noch bis Sonntag, 10. November,  statt.

Infos: www.kubiss.de/lesart/

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