Brücke bedroht Dresdens Elbpanorama

13.1.2006, 00:00 Uhr
Brücke bedroht Dresdens Elbpanorama

In die Dresdner Elbauen ist er noch möglich, doch geht es nach der Stadtregierung, wird es den Canaletto-Blick bald nicht mehr geben. Im März sollen Bagger anrücken, um das Elbtal dort zu roden, wo es eine vierspurige Brücke überspannen soll. Etwas mehr als die Hälfte der Dresdner hat zugestimmt, die andere rüstet sich für den Kulturkampf. Kurz vor Weihnachten hatte das sächsische Oberverwaltungsgericht den Bau der «Waldschlösschenbrücke“ genehmigt. «Mit diesem riesigen Straßenbauwerk opfert Dresden gerade in dem Moment ein Stück ‚Seele’, in dem mit der wiederaufgebauten Frauenkirche sein Herz neu zu schlagen begonnen hat“, urteilt der frühere sächsische Landeskonservator Heinrich Magirius.

Die Welterbe-Kommission der Unesco ist durch das Projekt aufgeschreckt worden und fordert eine genaue Prüfung. Das Brückenvorhaben ist kostspielig und gilt als verkehrsplanerisch fragwürdig. Dresdens Verwaltung kümmerte die Einlassung nicht. Sie wird massenhaft Bäume fällen und Planierraupen im Elbhang wühlen lassen. Aber wohl nur bis Juni, dann wird die Welterbe-Kommission auf ihrer Jahrestagung ein Veto einlegen. Für den Sommer ist eine «Stadtbildverträglichkeitsprüfung“ durch die Unesco angekündigt. Womöglich wird das Bundesverwaltungsgericht den Bau stoppen. Was dann? Die Bäume werden weg, der Hang zerfleddert sein und zur Fußball-WM, wenn alle Welt auf Deutschland schaut, wird es als Barbar gebrandmarkt werden.

Potsdam und Köln, wo die Stadtsilhouetten durch Hochhausbauten bedroht waren, hatten bereits mit dem Feuer gespielt und sich dabei verbrannt. Auch Dresden wird es so ergehen, denn das Unesco-Kuratorium kennt keine Gnade, wenn es um Schützenswertes geht. In Potsdam und Köln waren die Bauvorhaben noch im Planungsstadium, als die Stadtväter sich besannen. In Dresden wollen sie partout Ende März die Kettensägen losbrüllen lassen. Neu, funktional, autogerecht soll das Brückenwerk sein. Es wird, sollte es gebaut werden, eine ganze Landschaft zerstören.

Aufdringliche Form

Schöne Ansichten sind der Luxus, den Menschen sich nicht nehmen lassen wollen. Es gibt so wenig davon. Diese Aussichten verknüpfen unsere Gegenwart mit der Vergangenheit, sie sind Geschichte, Tradition, das, was wir mit unseren Vorfahren teilen. Die Dresdner Brückenkonstruktion ist von aufdringlicher Formgebung, sie giert danach, alle Blicke auf sich zu ziehen. Das massige Bauwerk soll von zwei hochragenden Bögen gehalten werden, die Architekten halten das für futuristisch. Aber warum gerade in dieser sensiblen landschaftlichen Situation? Zudem sollen vier gewaltige Auf- und Abfahrten entstehen, die gewaltigen Landschaftsraum fressen.

Denkmalpfleger Magirius weist auf «die Folgemaßnahmen dieses gigantischen Verkehrsbauwerks“ hin. Elbflorenz, im Zweiten Weltkrieg niedergebombt, ist nicht irgendeine Stadt. «Dresden ist es bisher gelungen, über viele Katastrophen hinweg - vor allem auch dank der großzügigen landschaftlichen Lage am Elbstrom - seine Identität zu wahren und zurückzuerobern“, sagt er. Durch dieses monströse Bauvorhaben ist das plötzlich in Frage gestellt. Die meisten Besucher der Stadt sind Kulturtouristen. Neben Semperoper, Zwinger und Gemäldegalerien geben sie als zweiten Grund für ihren Besuch die schöne landschaftliche Einbettung Dresdens zwischen Uferhöhen und Auen an dem Fluss an, der sich im Stadtgebiet elegant in die Kurve legt. Das hat nicht nur Dichter und Denker entzückt, sondern begeistert Millionen Zugereiste. Warum stellt eine Stadt diesen Standortvorteil wegen einer riesigen Brücke, die optisch absolut dominierend sein wird, in Frage? Man wird den Tourismus beschädigen, die Wirtschaftskraft herabschrauben, sein Ansehen aufs Spiel setzen und sich womöglich lächerlich machen.

ROLAND MISCHKE