Capital Bra und Apache 207: Das ist ihr Erfolgsgeheimnis

6.11.2020, 14:55 Uhr
Auf die Plätze, fertig, los in die Charts: Rapper Capital Bra aus Berlin.

© dieserbobby, dpa Auf die Plätze, fertig, los in die Charts: Rapper Capital Bra aus Berlin.

Capital Bra ist der Künstler mit den meisten Nummer-Eins-Hits in der Geschichte der deutschen Charts. Kein Witz. Er hat mit 19 Einträgen – alle in den vergangenen zweieinhalb Jahren – mehr erste Plätze als die Rolling Stones (6) und die Beatles (11) zusammen.

Capital Bra und Apache 207 haben das Kunststück geschafft, auf Youtube ein Video mit über 100 Millionen Klicks zu platzieren.
100 Millionen! Zum Vergleich: Helene Fischers Über-Hit "Atemlos" – das bei Hochzeits-DJs wahrscheinlich meistgewünschte Lied aller Zeiten – kommt gerade mal auf 74 Millionen. Was machen die Rapper anders?

Warum sind diese Typen so erfolgreich?

Das Absurde an der Sache ist: Auf den ersten Blick wirken Apache und Capital Bra wie, nun ja, Witzfiguren. Apache 207 zeigt sich im Video zu "Bläulich" mit einem Baby-Lauflerngerät, bekleidet nur mit einer Stoffwindel. Capital Bra trägt seine Cap gerne falsch herum und lässt vorne ein Büschel Haare in die Stirn fallen – ein Stil, der zwar einigermaßen lächerlich aussieht, aber bei deutschen Jugendlichen zahlreiche Nachahmer findet.

Popmusik: Beide kommen aus dem HipHop, haben die übliche Sozialisation mit Open Mics, Jams und Freestyle-Sessions hinter sich. Aber sie in die Sparte Rapmusik einzuordnen, wäre grundfalsch. Was sie machen, ist lupenreine Popmusik, einfach und eingängig. Klar gibt es HipHop-Elemente, aber die gibt es mittlerweile fast in jedem Pop-Song.

Lange Haare und eine gute Portion Selbstironie: Der Rapper Apache 207

Lange Haare und eine gute Portion Selbstironie: Der Rapper Apache 207 © Apache 207/Facebook

Apache und Bra singen gern, wenn auch nicht besonders gut. Das macht nichts, weil erstens die ihnen eigene Mischung aus Rap und Gesang weniger anfällig für schiefe Töne ist, und zweitens in den heutigen Tonstudios sehr viel technisch glattgezogen werden kann. So entstehen kuschelige Refrains zum Mitsäuseln.

Selbstironie: Wenn Apache 207 die schwarze Mähne offen und sehr, sehr lang trägt, dann bricht das alle Klischees, die im Rap lange vorherrschten. Fährt er auch noch mit golden glitzernden Nike-Rollschuhen herum, wird die ganze Harte-Männer-Ästhetik der Branche ad absurdum geführt. Auch Capital Bra nimmt sich selbst nicht zu ernst. Sein Nuschelgesang ist, wenn man so will, eine Parodie auf echten Gesang – er zelebriert ihn, als wollte er sagen: Ihr denkt, ich kann das nicht? Mir egal, ich mach es einfach!

Erfolgreicher als Helene Fischer: Rapper Capital Bra.

Erfolgreicher als Helene Fischer: Rapper Capital Bra. © Uli Deck, dpa

Inhalt: Die Texte der beiden folgen – entgegen der Optik – exakt dem HipHop-Klischee. Autos, Frauen, Bling Bling und immer wieder das Rühmen der eigenen Überlegenheit. Schaut her, ich hab klein angefangen und es allen gezeigt!

Leider auch immer wieder Schwulenfeindliches, Frauenfeindliches. Dass sich dieses Gedankengut in der Popkultur breitgemacht hat, ist der wohl gravierendste Vorwurf, den man der einstigen Subkultur HipHop machen muss. Sie hat die kommerzielle Musikwelt im Sturm genommen, es aber nicht geschafft, dabei erwachsen zu werden – auch wenn es viele Protagonisten gibt, die mittlerweile sehr wohl darauf achtgeben, in ihren Texten keine Menschenverachtung zu heroisieren.

Form: Die Songs sind exakt an den Algorithmus von Streaming-Diensten wie Spotify angepasst. Kaum ein Lied dauert länger als drei Minuten. Während es oft nur zwei kurze Strophen gibt, werden die Refrains wiederholt, wiederholt, wiederholt. Weil das Rezept so gut funktioniert, wird es auch mit jeder neuen Single – genau – wiederholt. Dass Streaming-Dienste heutzutage entscheidend zum (Single-)Charterfolg von Künstlern beitragen, ist der Hauptgrund für Capital Bras viele Nummer-Eins-Hits.

Worauf es in den Charts ankommt

Eine Möglichkeit, in den Albumcharts zu steigen, sind die sogenannten Boxen. Für die Errechnung der Chartposition zählen nämlich nicht die Verkäufe, sondern die Einnahmen. Das heißt, je teurer das Album, desto wertvoller jede verkaufte Einheit. Also werden in Boxen zur neuen CD ein billiges Promo-T-Shirt, ein signiertes Poster und weitere Merchandise-Artikel hineingelegt – und schon kostet das Ganze 50 Euro, nicht 20. Rapper haben schon vor Jahren als erste begriffen, dass man so auf legale Weise die Charts zu seinen Gunsten manipulieren kann.


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Soziale Medien: Apache 207 und Capital Bra – beziehungsweise deren Social-Media-Teams – beherrschen das Werben im Internet perfekt. Sie sind Influencer. Apache hat 1,5 Millionen Follower auf Instagram, Capital Bra sogar 4,2 Millionen.

Der Rap-Indianer: Apache 207 aus Mannheim.

Der Rap-Indianer: Apache 207 aus Mannheim. © © Bertinaxe, Sony

Die Marketing-Maschinerie läuft, ohne Werbebanner oder Massenmedien, weshalb sie auch deutlich billiger ist. Die beiden brauchen kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitung. Das ist auch der Grund, warum viele Menschen über 40 von "Capi" und Apache noch nie etwas gehört haben. Kaum eine Branche hat sich so schnell und so erfolgreich an die Mechanismen des World Wide Web angepasst wie die Rapmusik.

Fazit: Apache 207, Capital Bra und die Rapper (einige Rapperinnen gibt es mittlerweile auch), die in ihrem Windschatten Erfolge feiern, stehen nicht von ungefähr an der Spitze der Charts. Sie sind keine schlechten Musiker, vor allem aber sind sie hervorragende Geschäftsleute, die eine perfekte Formel gefunden haben.


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Wenn Ihnen also die Namen dieser ungewöhnlichen Chartstürmer nichts sagen, sehen Sie im Zimmer ihres Sohnes oder ihrer Enkelin nach. Die Chancen stehen gut, dass der langhaarige Apache mit den goldenen Rollschuhen oder der schmächtige Capi mit der Käppi dort als Poster an der Wand hängt.

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