Chöre in Corona-Zeiten: Wie kann man sicher singen?

5.7.2020, 05:58 Uhr
Bei ihren Versuchen haben die Wissenschaftler die Ausbreitung und Verteilung der Tröpfchen und Aerosole im Raum näher untersucht. Dafür verwendeten sie auch E-Zigarettenrauch - natürlich nikotinfreien. 

© Uni-Klinikum Erlangen Bei ihren Versuchen haben die Wissenschaftler die Ausbreitung und Verteilung der Tröpfchen und Aerosole im Raum näher untersucht. Dafür verwendeten sie auch E-Zigarettenrauch - natürlich nikotinfreien. 

Verantwortlich für die Studie sind Professor Dr. Matthias Echternach, Leiter der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO-Klinik der LMU München, und Dr. Stefan Kniesburges, Strömungmechaniker an der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Erlangen. Ganz abgeschlossen ist sie noch nicht, die Datenauswertung zu den Messungen mit Blasinstrumenten steht noch aus. Bezogen auf die Chöre ist man allerdings schon weit, ein Beitrag für eine wissenschaftliche Fachzeitschrift steht kurz vor der Veröffentlichung. Wir haben mit Dr. Stefan Kniesburges über die ersten Ergebnisse gesprochen - und gefragt, ob das Singen im Chor sicher ist.

Herr Dr. Kniesburges, für Ihre Studie haben Sie mit E-Zigarettenrauch gearbeitet. Inwiefern?

Bei einem der beiden Versuchsaufbauten haben wir tatsächlich E-Zigarettenrauch verwendet beziehungsweise das Trägermaterial, das unbedenklich ist - und natürlich nikotinfrei. Sänger des BR-Chors mussten dann verschiedene Aufgaben erledigen, zum Beispiel "Freude schöner Götterfunken" laut und leise singen, aber auch den Text sprechen. Außerdem haben wir mit Atmen, Husten und Sprechen experimentiert und auch die Effekte einer normalen Chirurgenmaske getestet. Vor jeder Aufgabe musste die Lunge mit diesem Gas gefüllt werden und mehrere Kameras haben aufgezeichnet, was passiert. Uns hat interessiert, wie sich die Wolke tatsächlich ausbreitet, auch nach Beendigung des Gesangs. Mit dem Rauch haben wir die Aerosole in der Ausatemluft markiert. Im Gegensatz zu Tröpfchen, die auf den Boden fallen, verteilen sie sich in der Raumluft.

Dr. Stefan Kniesburges vom Uni-Klinikum Erlangen. 

Dr. Stefan Kniesburges vom Uni-Klinikum Erlangen.  © Uni-Klinikum Erlangen

Und was kam dabei heraus?

Wir waren überrascht, wie weit sich die Wolken ausbreiten, gerade beim Singen mit einer sehr klaren Artikulation. Wir hatten Weiten im Durchschnitt zwischen 80 Zentimetern und einem Meter nach Beendigung des Singens, bei manchen Probanden bis zu 1,40 Meter. Das Ganze ist also hochindividuell und hängt zum Beispiel auch von der Tonhöhe ab. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein Abstand von mindestens zwei Metern nötig ist, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren.

Die bayerische Staatsregierung hat ohnehin schon zwei Meter Abstand bei Chorproben festgelegt. Und ausreichendes Lüften, was Sie auch unbedingt empfehlen. Aber im Winter ist das schwierig, oder?

Im Winter ist das Lüften sogar effektiver, weil der Luftaustausch durch die unterschiedlichen Temperaturen viel besser funktioniert. Aber natürlich wird den Sängern dann schneller kalt, was auch für die Stimmbänder schlecht ist. Die Gesangsaufgaben waren etwa 8 Sekunden lang, in der Realität wird natürlich auch mal eine Dreiviertelstunde am Stück gesungen, das heißt, es wird ständig Aerosol nachgepackt.

Und was ist mit Masken?

Für professionelle Chöre ist Maskentragen nichts, da wird zu viel feine Akustik und genaue Artikulation geschluckt. Im Laiengesang oder bei religiösen Zeremonien kann man aber durchaus mit Masken arbeiten. Es gab ja einige Ereignisse, wo Infektionen stattgefunden haben in diesem Zusammenhang. Gespuckte Tröpfchen kann man durch Masken komplett abfangen. Aerosol tritt allerdings dennoch aus, wenn auch nicht so stark.

Das heißt, Sie können besorgten Laiensängern ihre Sorgen nehmen? Wenn man 2 bis 2,5 Meter Abstand hält, ausreichende Lüftungsintervalle einplant und eine Maske trägt, ist das gemeinsame Singen relativ risikoarm?

Ja, unter diesen Bedingungen halten wir Chorproben für möglich. In der jetzigen Zeit mit den relativ geringen Infektionszahlen ist das Risiko auf jeden Fall vertretbar. Die Lockerung der Maskenpflicht bei Gottesdiensten sehen wir kritisch: Gerade wenn Kirchenlieder von der Gemeinde so richtig geschmettert werden, sollte ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.

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