Das Ding der Woche: Der libanesische Film "Capernaum"

3.7.2019, 19:11 Uhr
Der Film "Capernaum" aus dem Libanon erzählt auf ergreifende Art und Weise das Drama einer verlorenen Kindheit.

© NN Der Film "Capernaum" aus dem Libanon erzählt auf ergreifende Art und Weise das Drama einer verlorenen Kindheit.

Ein Junge verklagt seine Eltern, weil sie ihn zur Welt gebracht haben: Was unerhört scheint, wird im Film "Capernaum" der Regisseurin Nadine Labaki zur letzten Hoffnung eines Kindes auf ein menschenwürdiges Leben. Vier Jahre recherchierte Nadine Labaki in libanesischen Jugendgefängnissen, Flüchtlingslagern, bei Familien und Straßenkindern: Ihr Befund ist erschütternd: Wenn sie ihre kleinen Gesprächspartner am Ende fragte, „bist du glücklich, dass du geboren wurdest“, habe die Antwort meistens "nein" gelautet, erzählte die Regisseurin in Interviews.

So ist die Geschichte des etwa zwölfjährigen Zain (Zain Al Rafeea), der zu Beginn mit Handschellen in einen Gerichtssaal geführt wird, zwar fiktiv, aber zugleich bitter wahrhaftig. Zain hat jemanden niedergestochen, "einen Hurensohn", wie er gegenüber dem Richter trotzig betont, um dann selbst zum Ankläger zu werden – gegen seine Eltern, die Kinder in die Welt setzen, ohne sich um sie zu kümmern.

Dem Richter schildert Zain seine bewegende Geschichte: Mit seinen zahlreichen Geschwistern lebt er in einer erbärmlichen Behausung im Elendsquartier von Beirut. Die Eltern haben weder Arbeit noch Papiere, das einzige, was sie können, ist Kinder zu produzieren, die – statt zur Schule zu gehen – Säfte auf der Straße verkaufen und selbst zur Ware werden.

Als Zain Blutflecken auf dem Bettlaken seiner geliebten elfjährigen Schwester Sahar (Cedra Izam) entdeckt, die ihre Geschlechtsreife bezeugen, können beide das nur für kurze Zeit geheimhalten. Sahar wird gegen Geld mit dem Vermieter verheiratet und Zain läuft vor einem Zuhause davon, das nie eines war. Im Straßengewirr Beiruts trifft er auf eine junge Frau aus Äthiopien, die genauso heimatlos ist wie er. Rahil (Yordanos Shifera) lebt illegal im Libanon, ihr Baby muss sie verstecken. Sie nimmt Zain bei sich auf, als sie verschwindet, wird Zain zum Ersatzvaters des Babys.

"Capernaum -Stadt der Hoffnung" erzählt von den Entrechteten dieser Welt. Mehrmals erhebt sich die Kamera in den Himmel hinauf, blickt von oben auf die gigantische Häuserwüste, um sich wieder in die Straßenschluchten zu stürzen und den Protagonisten gleichsam beizustehen – damit sie sichtbar werden. (DVD/Blu-ray/Alamode)

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