Geschäft mit Lust: Stück zur Sex-Arbeit am Staatstheater Nürnberg

22.1.2020, 07:50 Uhr
Geschäft mit Lust: Stück zur Sex-Arbeit am Staatstheater Nürnberg

© Foto: André De Geare

Sex geht uns alle an, "ohne ihn gäbe es uns nicht", betont Regisseur Wenzel. Prostitution ist eine unabänderliche Tatsache, auch wenn immer wieder an Gesetzen geschraubt wird, Sperrbezirke benannt und Richtlinien erlassen werden. Sie hat unendlich viele Gesichter und ist seit Jahrhunderten genauso klischeebehaftet wie moralisch abgewertet.

Frei von Vorurteilen

Wenzel Winzer, seit 2017/18 Regieassistent am Schauspielhaus Nürnberg, wollte das Thema nicht theoretisch abarbeiten. "Als ich gesehen habe, dass es in Nürnberg noch einen richtigen Rotlichtbezirk gibt an der Frauentormauer, war mein Interesse an dem Thema noch größer", erzählt er. Lange versuchte er, die Sex-Anbieterinnen zu Interviews zu überreden – zunächst erfolglos. Erst über die Nürnberger Fachberatungsstelle Kassandra, die sich um Prostituierte als Ansprechpartner kümmert, und den Verein Jadwiga, der sich für die Rechte der Opfer von Frauenhandel einsetzt, kamen Kontakte zustande.

"Das Erstaunliche bei allen Gesprächen war: Man fühlt sich sofort extrem wohl im Dialog mit den Frauen. Das sagten auch die Schauspielerinnen", berichtet Wenzel. Das mag daran liegen, dass die aktiven Sex-Arbeiterinnen von jeglichen Vorurteilen frei sind und locker über ihren Job erzählten, den sie oft schlicht als Broterwerb, manchmal aber auch als wichtige physische und psychologische Dienstleistung betrachten.

Selbstbewusste Geschäftsfrauen

Längst nicht jede arbeitet abhängig von einem Zuhälter. Aber es gibt eben auch die üblen Fälle, in denen ganz junge Mädchen mit dem "Loverboy"-Trick emotional extrem eng an einen Mann gebunden werden, der sie schamlos ausnutzt. Soziale Abhängigkeit (oft von ausländischen Frauen, die weder Aufenthaltsrechte noch Sprachkenntnisse haben) kommt dazu. "Ein Straßenstrich ist tatsächlich eine üble Sache", hat Winzer erfahren.

Drei Prostituierte – darunter eine Domina aus München – kamen zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch ins Theater. Sie und das Team haben offenbar schnell eine große Offenheit gefunden. "Ohne über die eigene Sexualität zu sprechen, wäre dieses Projekt sowieso nicht gegangen", so Winzer.

Rosa Plüschteppich

Aus den zahllosen Erfahrungsberichten der Interviewpartner (darunter auch Polizisten und Verwaltungsmenschen, die mit Prostitution zu tun haben) schrieb er eine vielstimmige Textcollage, die nun mit Anna Klimovitskaya, Lisa Mies und Adeline Schebesch auf die Bühne kommt. Das Ambiente wird deutlich dem Klischee entsprechen, das jeder von einem "Etablissement" im Hinterkopf hat: Rosa Plüschteppich, Glittervorhang, schummrige Beleuchtung.

"Es geht mir darum, dass sich jede Zuschauerin und jeder Zuschauer seinen Vorurteilen stellt und mit neugierigem Blick hinschaut", betont der junge Regisseur nach seiner Recherche. Gespräche mit Fach-Frauen sind nach einigen Vorstellungen geplant.

Premiere 23. Januar, 20 Uhr, Karten-Telefon: 09 11/ 216 27 77, oder tickets.nordbayern.de.

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