„Das Interview“ von Theo van Gogh in Fürth

6.12.2010, 14:45 Uhr
 „Das Interview“ von Theo van Gogh in Fürth

© Sobczyk

Das ist demütigend: Da tritt gerade die Regierung zurück, doch der wackere, sogar in der Kriegsberichterstattung versierte politische Journalist Pierre Peters kommt nicht zum Zug. Den Ministerpräsidenten wird ein anderer befragen. Peters, Mitte 40, soll stattdessen „zwei Titten interviewen“. Die sind mit Silikon aufgerüstet und gehören dem angesagten Fernsehfilmsternchen Katja Stuurmann, Mitte 20.

Das Zwei-Personen-Kammerspiel, das sich da anbahnt, basiert auf dem vorletzten Film des niederländischen Regisseurs, Publizisten und Satirikers Theo van Gogh, der 2004 von einem islamischen Fundamentalisten ermordet wurde. 2006 wurde die Bühnenfassung von Theodor Holman uraufgeführt.

Kampf auf der Rampe

Im Kulturforum reicht eine mit rosafarbenem Teppich ausgelegte und von ein paar Trennvorhängen umgebene Rampe völlig aus, um die Luxuswohnung der drallen Soap-Blondine darzustellen (Bühne: Christian van Loock). Für den Journalisten Peters wird die schräge Ebene überraschend zum Schauplatz eines verbalen Schlagabtausches, den er so nicht erwartet hat. Denn das Starlet aus RZ/AZ („Reiche Zeiten, arme Zeiten“), das er schnell im Sack zu haben glaubte, zeigt Zähne, ist zwar blond, aber nicht blöd.

Eine brisante Versuchsanordnung ist da zu beobachten, in der ein Mann und eine Frau aufeinandertreffen, die beide Darsteller der Mediengesellschaft sind. Das Spiel mit Schein und Sein, Wahrheit, Bluff und Lüge ist deshalb programmiert und nicht weiter überraschend. So punktet das Stück auch weniger als Medienschelte denn als scharfe Nahkampf-Nahaufnahme eines auf Augenhöhe streitenden Paares.

Esther Kuhn ist als junge denkfähige Blondine genauso kokettes und verletzliches Weibchen wie schnippische und selbstbewusste Xanthippe. Herbert Schäfer spielt den Pierre (Katja nennt ihn „Bier“) als selbstverliebtes Weichei, das gerne seine Wunden leckt. Beide bringen gemeinsam ein nuancenreiches Spiel in Gang, in dem Fallhöhen überzeugend ausgelotet und Rollen getauscht werden, wenn Katja mit dem Camcorder im Anschlag Pierre interviewt statt umgekehrt.

In diesem Psychoduell sind die wunden Punkte des anderen schnell ausgemacht, etwas zu schnell vielleicht. Mit Wonne wird darin gestochert. Doch egal, ob erotische Spannung oder Vater-Tochter-Spiel — wer hier die Oberhand gewinnt, behält sie nicht lange.

An der langen Leine

Gefühlsausbrüche und Provokation, Demütigung, Mitleid und Selbstentblößung, alle Register werden — freilich nicht zum ersten Mal auf der Theaterbühne — gezogen. Das könnte richtig ätzend werden, doch in Werner Müllers aufmerksamer Regie werden die beiden Gegenspieler nicht von der Leine und wirklich aufeinander losgelassen. Die harmonischen Momente überwiegen, und als Zuschauer sieht man diesem spannenden und unterhaltsamen Experiment mehr als Außenstehender zu, als dass man sich von ihm berühren lässt.

Für das überraschende Ende ist das freilich die passende Vorlage. Dann sind die Machtverhältnisse eindeutig geklärt — und es sind nicht dieselben, die zu Beginn zu erwarten waren.

Weitere Aufführungen 9. und 11. Dezember, 13. bis 15. sowie 20. und 21. Januar. Kartentel.: 0911/9742400.

 

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