Fernsehen

Das Moderatoren-Karussell dreht sich

16.6.2021, 12:14 Uhr
Schluss mit "heute": Claus Kleber geht in Rente.

© Thomas Frey, dpa Schluss mit "heute": Claus Kleber geht in Rente.

Claus Kleber geht in den Ruhestand. Das ist ganz normal. Der langjährige Moderator des „Heute-Journals“ hat die Altersgrenze erreicht. Er wird 66 Jahre alt sein, wenn er zum Jahresende das ZDF verlässt.

Trotzdem zieht ein Raunen durch die Gemeinde der Medien-Kundigen. Denn in den letzten Monaten wechselten auffällig viele bekannte News-Gesichter von den öffentlich-rechtlichen Sendern zu den Privaten. Ex-„Tagesschau“-Sprecher Jan Hofer war der erste. Freilich ist auch er bereits im Rentenalter. Bei RTL darf er ab Herbst mit einer eigenen Show dazuverdienen. Im Unterhaltungs-Renner „Let’s Dance“ hat er sich schon mal gezeigt.

Gab es Zerwürfnisse?

Ihm folgten seine Kolleginnen Linda Zervakis und Pinar Atalay, ebenfalls prominent durch Nachrichten-Präsentation bei der ARD und noch lange nicht an Altersgrenzen gelangt. Gerüchte über Zerwürfnisse in den Redaktionen wurden zerstreut. Manche mutmaßen, es könnte an der Bezahlung liegen. So grandios wie Intendanten werden Nachrichtensprecher aus dem Topf der Rundfunkgebühren lange nicht bezahlt. Vielleicht lag es an der mangelnden Karriere-Perspektive im Job. Mit Caren Miosga und Ingo Zamperoni sind die auffälligen Moderatoren-Rollen in den „Tagesthemen“ wohl langfristig besetzt.

Gerade diese Nachrichten-Sendung der ARD hat weiterhin die weitaus größte Publikums-Reichweite. Selbst das ZDF erreicht nur halb so viele Zuschauer. Von RTL oder ProSieben, wohin Zervakis und Atalay ausgewandert sind, gar nicht zu reden. Doch genau dieses Defizit wollen die Privaten jetzt ausgleichen. Ihre reklame-durchsetzten Unterhaltungsformate schwächeln. Ekel-Shows wie „Dschungelcamp“ verlieren den Grusel. Der Casting-Voyeurismus ist ausgelaugt.

Linda Zervakis hat die "Tagesschau" schon verlassen.

Linda Zervakis hat die "Tagesschau" schon verlassen. © picture alliance/dpa/ARD, NNZ

Die jungen Zuschauer laufen den Privaten zu Streaming-Diensten wie Netflix davon. Diese Generation ist mit faktenorientierter Information kaum zu fesseln. Viele befriedigen den Informationsbedarf mit dem Durchscrollen der aktuellen Schlagzeilen auf dem Handy. Darum treten die Privatsender jetzt mit einer Informations-Kampagne in Konkurrenz zu den Öffentlich-Rechtlichen um das reifere Publikum. Sowohl RTL wie ProSieben planen neue Nachrichten-Fenster und Gesprächsrunden ein. In „ProSieben Spezial“ durfte Linda Zervakis schon Kanzlerkandidaten befragen. Und RTL will ein „Triell“ zur Bundestagswahl zwei Wochen vor ARD und ZDF ausstrahlen.

Klassischer Wettbewerb?

Hier liegen die Chancen für die Wechsel-Fälle aus dem öffentlich-rechtlichen Raum. Gleichzeitig versprechen sich die Privaten durch die in diesem Raum erworbene Bekanntheit des Personals Werbeeffekte für ihre neuen Formate. Das klingt nach klassischem Wettbewerb. Und es sollte dem Markt der Meinungen gut tun, wenn er fruchtet.

Die Sorgen, dass Nachrichtensendungen zu sehr zum Boulevard verkommen, wenn sie von werbefinanzierten Sendern produziert werden, muss man sich inzwischen wohl nicht mehr machen. Die News-Shows privater Kanäle wie „Welt“ oder „n-tv“ ähneln denen öffentlich-rechtlicher stark – höchstens dass bei der Vorhersage des Wetters mehr Wert auf weiblichen Sex-Appeal gelegt wird. Die Gefahr liegt eher in der weltanschaulichen Festlegung eines Senders, wie es bei den amerikanischen Fox News im Zusammenspiel mit Donald Trump zu beobachten war. Doch selbst dieser Sender hat die letzten Fakes des Ex-Präsidenten nicht mehr kritiklos zu Propaganda verarbeitet.

Aus rechten Kreisen

Auf rechtsradikalen Meinungs-Plattformen im Internet sind die öffentlich-rechtlichen Programme in letzter Zeit stark mit Propaganda-Vorwürfen überhäuft worden. Von „Systemmedien“ ist dort die Rede, von „Staatsfunk“. Dabei ist die Entstehungsgeschichte des ZDF ein Musterbeispiel dafür, wie in Deutschland ein tatsächlicher Staatsfunk (den der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer begründen wollte) verhindert worden ist.

Vielleicht ist Claus Kleber einfach der widerlichen Beschimpfungen aus diesen Kreisen überdrüssig, wenn er den Ruhestand einer angebotenen Vertragsverlängerung vorzieht. Ein Wachstum an Information aber, auch bei Privat-Sendern, kann diese Feindschaft wirksam bekämpfen.

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