Das Paradies ist oft nur einige Quadratmeter groß

21.8.2007, 00:00 Uhr
Das Paradies ist oft nur einige Quadratmeter groß

© Christian Oberlander

Was ist er nun, der Schrebergarten? So typisch deutsch wie ein Strandkorb? Spießeridylle? Gartenzwergbiotop? Oder doch das wahre Paradies auf Erden mitten in der Stadt. Letzteres meint zumindest Deutschlands wohl bekanntester Russe, der Autor Wladimir Kaminer, der samt seiner Familie mit Spaten, Häcksler und Gartenschere das Abenteuer Schrebergarten wagt. Als Inhaber der Parzelle 118 in der Berliner Kleingartenkolonie «Glückliche Hütten« macht er täglich neue Erfahrungen und Bekanntschaften - auch mit den Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes, gegen die er natürlich über kurz oder lang verstößt. Nachlesen kann man das in Kaminers jüngstem Werk «Mein Leben im Schrebergarten«, das - vom Autor selbst gesprochen - auch als Hörbuch erschienen ist.

Kamera im Anschlag

Viel ernsthafter als der Berliner Schalk geht Christian Oberlander das «grüne« Thema an. Der Nürnberger, der sich selbst als «manischen« Fotografen bezeichnet, ist viel in der Stadt unterwegs - selbstverständlich meist mit der Kamera im Anschlag. Auf seinen Streifzügen stößt er auf die vielen «kleinen und unscheinbaren Themen, eben auf das, was vor der Tür passiert«, wie er sagt. Systematisch geht er dabei normalerweise nicht vor. Vielmehr ist die Natur sein Grundthema. «Mich interessiert das kleine Chaos beziehungsweise die chaotische Ordnung in der Natur«, erzählt er. Oft ist auf seinen Fotografien deshalb nichts Spektakuläres, sondern vor allem viel ungebändigtes Grün zu sehen - nichts, woran sich das Auge festhalten kann, nichts, was dem Bild einen gestalterischen Rahmen geben könnte.

Anders ist das in den Schrebergärten, in denen sich Oberlander nun umgesehen hat. «Spannend« findet er das, was er in den für wenig Geld gepachteten Naherholungsnischen entdeckte - er sieht die Szene unbefangen und ist weit davon entfernt, die üblichen Kleingärtner-Klischees ein weiteres Mal aufzuwärmen. «Das ist nicht so muffig wie man glaubt, die Parzellen sind vollkommen unterschiedlich, manche sind abgegrenzt, andere haben weder Hecken noch Zaun«, weiß er von seinen Besuchen in den Anlagen in Rehhof, Königshof und Johannis, im Knoblauchsland und an der Rothenburger Straße. Und: «Die Leute sind sehr kreativ, da steckt unglaublich viel Arbeit dahinter.«

Lauter Unikate

Heraus kommen bei so viel Einsatz lauter Unikate, die dem Fotografen manchmal auch mit einigem Stolz vorgeführt wurden. Ein Acht-Kilo-Trumm von einem Kohlrabi wird da ins Bild gerückt, und es sind bei weitem nicht nur die Gartenzwerge, die die Kolonien mit den wenige hundert Quadratmeter großen Grünflächen bevölkern. Seltsame Gnome, Steinlöwen, Brunnenfeen und Schaufensterfiguren dienen ebenso als individueller Gartenschmuck wie abenteuerlich mit der Heckenschere zurechtgestutzte Büsche. Freilich gilt hier das bekannte Toleranz-Prinzip von den Geschmäckern, über die man prima streiten kann.

Und wer bisher glaubte, dass in Kleingärten nur Rentner ihre Pflänzchen pflegen, dem wird Christian Oberlander gern das Gegenteil erzählen: Er hat junge Familien mit Kindern getroffen, und Gärtner aller möglichen Nationen. Eine generationenübergreifende Kulturen-Vielfalt also, die der Stadtverband Nürnberg der Kleingärtner gern bestätigt. Doch so offen ist der Verein dann doch nicht: Die künftigen Pächter sollten möglichst die deutsche Staatsbürgerschaft vorweisen können oder sie beantragt haben.

Die Gartenheger und -pfleger sind dem Lichtbildner und Naturfreund Christian Oberlander allerdings gar nicht so wichtig. Auf den meisten seiner Aufnahmen aus dem Schreber-Land fehlen die Menschen. Eher zufällig geraten sie vors Objektiv. «Leute zu fotografieren ist mir oft zu stressig«, gibt der Fotograf unumwunden zu. Vor dem Hintergrund, dass bei der Veröffentlichung der Fotos das Recht der Abgebildeten am Bild auch bei unspektakulären Szenen eine immer gewichtigere Rolle spielt, macht ihm das keinen rechten Spaß mehr.

Sprießendes Grün

Also rückt trotz des Blicks in einen geordneten und reglementierten Mikrokosmos wieder sein Hauptthema, die - diesmal freilich nicht chaotisch, sondern kontrolliert wachsende - Natur, in den Mittelpunkt. Trotzdem lassen viele von Oberlanders Fotos ahnen, wie viel Kraft in dem zurechtgestutzten und wohlgeplant gepflanzten Grün steckt. Etwa wenn sich Wein und Efeu zielstrebig die Häuserwände emporrankt, wenn gigantische Sonnenblumen in die Höhe schießen, Blumen farbenfroh und üppig sprießen.

Das ist dann zwar nicht ganz so wie im Pegnitzgrund, wo Oberlander, der selbst keinen Garten besitzt, sich gerne aufhält. Dort nämlich, wo sich Jogger, Radler, Spaziergänger, Kinder und Hunde samt Herrchen gerne austoben, habe die Natur so viel zu bieten, verändere sich innerhalb kurzer Zeit so viel, dass die Naturbetrachtung zu einer guten Wahrnehmungsübung wird.BIRGIT NÜCHTERLEIN