Das sollten Sie lesen: Unsere Buch-Tipps für den November

5.11.2020, 17:01 Uhr
Was zum Thema Corona in den Buchläden liegt, kann man meist beherzt liegenlassen. Lola Randls Roman "Die Krone der Schöpfung" - für die sich bislang der Mensch hielt, bis ihn ein Virus toppte - aber nicht. Randls junge Heldin, von Berlin mit Mann in die Uckermark gezogen, amüsiert mit frechen Betrachtungen, hypochondrischen Fieberwallungen und einem Skript für eine Zombieserie auf Amazon. Ein Liebhaber muss auch mit rein, aber taugt er was? Herzerfrischend! (Matthes & Seitz, 18 Euro). Wolf Ebersberger
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Unser Tipp: Lola Randl und der Virus

Was zum Thema Corona in den Buchläden liegt, kann man meist beherzt liegenlassen. Lola Randls Roman "Die Krone der Schöpfung" - für die sich bislang der Mensch hielt, bis ihn ein Virus toppte - aber nicht. Randls junge Heldin, von Berlin mit Mann in die Uckermark gezogen, amüsiert mit frechen Betrachtungen, hypochondrischen Fieberwallungen und einem Skript für eine Zombieserie auf Amazon. Ein Liebhaber muss auch mit rein, aber taugt er was? Herzerfrischend! (Matthes & Seitz, 18 Euro). Wolf Ebersberger © Verlag Matthes und Seitz, ARC

"Ihr Königreich" ist ein märchenhafter Titel. Märchen können grausam sein. Autor Jo Nesbo ist Thrillergarant. Kein versoffener Ermittler Harry Hole taucht dieses Mal auf. Dafür eine kalte Landschaft im norwegischen Fjäll. Zwei Brüder,  beide über 30. Einer, der Verschlossenere, betreibt die Tankstelle. Der andere, passionierter Frauenheld, kehrt aus Amerika zurück. Es geht um alte Narben und neue Lust, um Missbrauch und Macht in der Provinz. Um Könige, die nie reich waren an Glück. Auf eine Kindheit, die keine war, folgt das mörderische Leben. Was für ein packendes Psychogram (Ullstein, 24,90). Christian Mückl
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Unser Tipp: Nesbos eiskaltes Königreich

"Ihr Königreich" ist ein märchenhafter Titel. Märchen können grausam sein. Autor Jo Nesbo ist Thrillergarant. Kein versoffener Ermittler Harry Hole taucht dieses Mal auf. Dafür eine kalte Landschaft im norwegischen Fjäll. Zwei Brüder,  beide über 30. Einer, der Verschlossenere, betreibt die Tankstelle. Der andere, passionierter Frauenheld, kehrt aus Amerika zurück. Es geht um alte Narben und neue Lust, um Missbrauch und Macht in der Provinz. Um Könige, die nie reich waren an Glück. Auf eine Kindheit, die keine war, folgt das mörderische Leben. Was für ein packendes Psychogram (Ullstein, 24,90). Christian Mückl © Verlag Heyne

Ja, es ist auch von seiner Homosexualität die Rede. Und um Models wie Claudia Schiffer geht es, die erst geliebt, dann geschasst wurden. Und um die lustigen wie listigen Sprüche, die Karl Lagerfeld, höchst medienbewusst und doch stets geistreich, gerne klopfte.  Alfons Kaisers erste große Biografie über den Modemacher würdigt vor allem aber, was  "Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris" an Kreativem leistete. Unermüdlich, einfallsreich, raffiniert in jeder Hinsicht: Man muss ihn bewundern  (C.H. Beck, 26 Euro). Wolf Ebersberger
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Unser Tipp: Intimes über Karl Lagerfeld

Ja, es ist auch von seiner Homosexualität die Rede. Und um Models wie Claudia Schiffer geht es, die erst geliebt, dann geschasst wurden. Und um die lustigen wie listigen Sprüche, die Karl Lagerfeld, höchst medienbewusst und doch stets geistreich, gerne klopfte.  Alfons Kaisers erste große Biografie über den Modemacher würdigt vor allem aber, was  "Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris" an Kreativem leistete. Unermüdlich, einfallsreich, raffiniert in jeder Hinsicht: Man muss ihn bewundern  (C.H. Beck, 26 Euro). Wolf Ebersberger © Verlag Beck, NNZ

Elke Heidenreich zeigt sich von einer neuen Seite: als Kleider tragende und als leidenschaftlich liebende Frau. In jeder ihrer halb autobiografischen, halb anekdotischen Notizen "Männer in Kamelhaarmänteln" spielt ein Kleidungsstück eine Rolle. Oder ein Mann. Oder ein Paar Stöckelschuhe an der Reling eines Kreuzfahrtschiffs. Oder die Frisur! Zu dünn und untauglich fürs Fernsehen - Elke Heidenreich hasste ihre Haare schon immer, gesteht sie in diesem charmanten Erzählband. (Hanser, 22 Euro) Isabel Lauer
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Unser Tipp: Elke Heidenreich macht in Mode

Elke Heidenreich zeigt sich von einer neuen Seite: als Kleider tragende und als leidenschaftlich liebende Frau. In jeder ihrer halb autobiografischen, halb anekdotischen Notizen "Männer in Kamelhaarmänteln" spielt ein Kleidungsstück eine Rolle. Oder ein Mann. Oder ein Paar Stöckelschuhe an der Reling eines Kreuzfahrtschiffs. Oder die Frisur! Zu dünn und untauglich fürs Fernsehen - Elke Heidenreich hasste ihre Haare schon immer, gesteht sie in diesem charmanten Erzählband. (Hanser, 22 Euro) Isabel Lauer © Verlag Hanser, NNZ

Wenige Schriftsteller haben in den letzten Jahren die Trennlinie zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Intimität und Offenheit, Leben und Literatur so packend in dicke Bücher gesteckt wie Karl Ove Knausgard, dieser nordische Draufgänger des autofiktionalen Schreibens. Jetzt endlich gibt es sein Debüt von 1998, "Aus der Welt", auch auf Deutsch. Es lässt keine Wünsche offen: Sämtliche Skeptiker, die den Autor niedermachen wollen, wie auch jene, die den Sog seines Schreibstils von Anfang an schätzten, werden bedient. Dass Knausgard die Liebesbeziehung eines 26-jährigen Aushilfslehrers mit einer 13-jährigen Schülerin explizit beschreibt, ist nur eine von vielen Seiten des athmosphärisch starken Buchbrockens, den man als gelungene Reflexion über ein junges Männerleben lesen kann. "Aus der Welt" führt mitten hinein (Luchterhand, 26 Euro). Christian Mückl
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Unser Tipp: Knausgards Wagnis als junger Kerl

Wenige Schriftsteller haben in den letzten Jahren die Trennlinie zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Intimität und Offenheit, Leben und Literatur so packend in dicke Bücher gesteckt wie Karl Ove Knausgard, dieser nordische Draufgänger des autofiktionalen Schreibens. Jetzt endlich gibt es sein Debüt von 1998, "Aus der Welt", auch auf Deutsch. Es lässt keine Wünsche offen: Sämtliche Skeptiker, die den Autor niedermachen wollen, wie auch jene, die den Sog seines Schreibstils von Anfang an schätzten, werden bedient. Dass Knausgard die Liebesbeziehung eines 26-jährigen Aushilfslehrers mit einer 13-jährigen Schülerin explizit beschreibt, ist nur eine von vielen Seiten des athmosphärisch starken Buchbrockens, den man als gelungene Reflexion über ein junges Männerleben lesen kann. "Aus der Welt" führt mitten hinein (Luchterhand, 26 Euro). Christian Mückl © Luchterhand

"Wie alles kam" heißt Paul Maars autobiografisches Buch über seine Kindheit in Schweinfurt und dem ländlichen Obertheres, wo seine Großeltern ein Wirtshaus hatten. Ein berührendes, aufrichtiges und unterhaltsames Werk, nach dessen Lektüre man sich nur zu gut vorstellen kann, was den in Bamberg lebenden Schriftsteller zur Erfindung seines "Sams" inspirierte (S. Fischer, 22 Euro). Birgit Nüchterlein
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Unser Tipp: Als Paul Maar klein war

"Wie alles kam" heißt Paul Maars autobiografisches Buch über seine Kindheit in Schweinfurt und dem ländlichen Obertheres, wo seine Großeltern ein Wirtshaus hatten. Ein berührendes, aufrichtiges und unterhaltsames Werk, nach dessen Lektüre man sich nur zu gut vorstellen kann, was den in Bamberg lebenden Schriftsteller zur Erfindung seines "Sams" inspirierte (S. Fischer, 22 Euro). Birgit Nüchterlein © Verlag S. Fischer

Die dunkle Seite, sie lockt in Matias Faldbakkens neuem Roman "Wir sind fünf". Seine Frau und frühere Jugendliebe verweigert Tormod Blystad ein drittes Kind. Also bastelt er sich, Handwerker genug, einen Lehmklumpen im Heimwerker-Atelier. Das Ding, halb Golem, halb kleines Gespenst, gewinnt Eigendynamik bis zum Horror. Der Schreck und das Idyll waren schon immer nahe Nachbarn in Faldbakkens Romanen -  von seiner Porno-Parodie "The Cocka Hola Company" 2003 bis zum letzten Buch "The Hills" über den Untergang eines ehrwürdigen Hotels. Der Himmelsblick auf die häusliche Heimat bekommt ordentliche Kratzer in "Wir sind fünf". Mit keinem Wort macht Faldbakken sich lustig über die Sehnsucht nach Normalität und Harmonie. Aber er macht sich so seine Gedanken ... (Heyne, 22 Euro). Christian Mückl
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Unser Tipp: Faldbakken und der Horror der Häuslichkeit

Die dunkle Seite, sie lockt in Matias Faldbakkens neuem Roman "Wir sind fünf". Seine Frau und frühere Jugendliebe verweigert Tormod Blystad ein drittes Kind. Also bastelt er sich, Handwerker genug, einen Lehmklumpen im Heimwerker-Atelier. Das Ding, halb Golem, halb kleines Gespenst, gewinnt Eigendynamik bis zum Horror. Der Schreck und das Idyll waren schon immer nahe Nachbarn in Faldbakkens Romanen -  von seiner Porno-Parodie "The Cocka Hola Company" 2003 bis zum letzten Buch "The Hills" über den Untergang eines ehrwürdigen Hotels. Der Himmelsblick auf die häusliche Heimat bekommt ordentliche Kratzer in "Wir sind fünf". Mit keinem Wort macht Faldbakken sich lustig über die Sehnsucht nach Normalität und Harmonie. Aber er macht sich so seine Gedanken ... (Heyne, 22 Euro). Christian Mückl © e-arc-tmp-20201105_162132-10.jpg, NNZ

Japans Parks und Wälder sind ein Traum im Herbst - aber ein noch größerer im Frühjahr. Doch die Kirschen würden nicht so üppig und divers blühen ohne einen pflanzenverrückten Engländer, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Arten pflegte und ansiedelte. Naoko Abe hat mit "Hanami" die landeskundlich interessante Biografie von Collingwood "Cherry" Ingram (1880-1981) recherchiert. (S. Fischer, 23 Euro) Isabel Lauer
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Unser Tipp: Japans blühende Gärten

Japans Parks und Wälder sind ein Traum im Herbst - aber ein noch größerer im Frühjahr. Doch die Kirschen würden nicht so üppig und divers blühen ohne einen pflanzenverrückten Engländer, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Arten pflegte und ansiedelte. Naoko Abe hat mit "Hanami" die landeskundlich interessante Biografie von Collingwood "Cherry" Ingram (1880-1981) recherchiert. (S. Fischer, 23 Euro) Isabel Lauer © Verlag Fischer

Als Roberto Bolano 2003 an der spanischen Mittelmeerküste mit nur 50 Jahren starb, hinterließ er einen Nachlass, der dem blühenden, bizarren, geschichtenträchtigen Leben in seinen Büchern in nichts nachstand. Romanfragmente ("Das Dritte Reich"), Gedichte ("Die romantischen Hunde"), Erzählungen ("Mörderische Huren")  waren das - worauf nun die drei Stories "Cowboygräber" folgen. Weiter treiben sich fiktive Schriftsteller darin herum, es gibt Roadmovies durch Bolanos chilenische Heimat und einen Militärputsch in Santiago, den der junge Erzähler mit großem Gähnen quittiert. Ein Buch voller Schelmenstücke eines literarisch Besessenen (Hanser, 22 Euro) Christian Mückl
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Unser Tipp: Bolano und die frühen, wilden Wege

Als Roberto Bolano 2003 an der spanischen Mittelmeerküste mit nur 50 Jahren starb, hinterließ er einen Nachlass, der dem blühenden, bizarren, geschichtenträchtigen Leben in seinen Büchern in nichts nachstand. Romanfragmente ("Das Dritte Reich"), Gedichte ("Die romantischen Hunde"), Erzählungen ("Mörderische Huren")  waren das - worauf nun die drei Stories "Cowboygräber" folgen. Weiter treiben sich fiktive Schriftsteller darin herum, es gibt Roadmovies durch Bolanos chilenische Heimat und einen Militärputsch in Santiago, den der junge Erzähler mit großem Gähnen quittiert. Ein Buch voller Schelmenstücke eines literarisch Besessenen (Hanser, 22 Euro) Christian Mückl © Verlag Hanser, NNZ

Anne Weber wirkte wie vom Donner gerührt, als sie für "Annette" im Oktober den Deutschen Buchpreis erhielt. Die Auszeichnung ist verdient, die Geschichte ein Kunstwerk. Denn sie ist in Versen gedichtet, früher schrieb man so Heldenerzählungen auf. Und Weber erzählt ja die Lebensgeschichte einer Heldin: der französischen Widerstandskämpferin, Ärztin und Staatsfeindin Anne Beaumanoir. Warum kämpfen, und warum politisch? Die Autorin und die Figur eröffnen dem Leser neue Blicke auf diese Kernfrage des 20. Jahrhunderts. (Matthes & Seitz, 22 Euro) Isabel Lauer   
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Unser Tipp: Annette Webers taffe Heldin

Anne Weber wirkte wie vom Donner gerührt, als sie für "Annette" im Oktober den Deutschen Buchpreis erhielt. Die Auszeichnung ist verdient, die Geschichte ein Kunstwerk. Denn sie ist in Versen gedichtet, früher schrieb man so Heldenerzählungen auf. Und Weber erzählt ja die Lebensgeschichte einer Heldin: der französischen Widerstandskämpferin, Ärztin und Staatsfeindin Anne Beaumanoir. Warum kämpfen, und warum politisch? Die Autorin und die Figur eröffnen dem Leser neue Blicke auf diese Kernfrage des 20. Jahrhunderts. (Matthes & Seitz, 22 Euro) Isabel Lauer   © Verlag Matthes und Seitz

Max Reinhardt ist einer der bedeutendsten Theatermenschen des 20. Jahrhunderts. Sein märchenhaft wirkendes Leben vom Schauspieler über den Erfolgsregisseur zum Theaterintendanten und Mitbegründer der Salzburger Festspiele erzählt die Autorin und Journalistin Sibylle Zehle in dem Buch "Max Reinhardt - Ein Leben als Festspiel" anekdotenreich, immer nah an den Schauplätzen und unter Rückgriff auf viele Zeitzeugenberichte. Man erfährt dadurch viel vom kosmopolitischen Aufbruchsgeist der 1920er Jahre, von Max Reinhardts Vorliebe für das Theatralische am Leben, aber auch von seinen Selbstzweifeln und Spleens: Wer würde denn heute noch mit Anzug und Krawatte Langlauf machen? Leider fand Reinhardt Erfolgsgeschichte vom Festspielfürsten und Schlossherrn von Leopoldskron ein jähes und bitteres Ende, als ihn die Nazis diffamierten, enteigneten und ins amerikanische Exil zwangen. In den USA fasste Reinhardt niemals wirklich Fuß, kämpfte mit finanziellen und anderen Nöten und starb während des Zweiten Weltkriegs - ohne seine geliebten Salzburger Festspiele nochmal wiederzusehen. Ein ergreifendes Buch, reich an Bildern, reich an Emotionen. (Brandstätter Verlag, 50 Euro) Thomas Heinold
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Unser Tipp: Max Reinhardts Vertreibung

Max Reinhardt ist einer der bedeutendsten Theatermenschen des 20. Jahrhunderts. Sein märchenhaft wirkendes Leben vom Schauspieler über den Erfolgsregisseur zum Theaterintendanten und Mitbegründer der Salzburger Festspiele erzählt die Autorin und Journalistin Sibylle Zehle in dem Buch "Max Reinhardt - Ein Leben als Festspiel" anekdotenreich, immer nah an den Schauplätzen und unter Rückgriff auf viele Zeitzeugenberichte. Man erfährt dadurch viel vom kosmopolitischen Aufbruchsgeist der 1920er Jahre, von Max Reinhardts Vorliebe für das Theatralische am Leben, aber auch von seinen Selbstzweifeln und Spleens: Wer würde denn heute noch mit Anzug und Krawatte Langlauf machen? Leider fand Reinhardt Erfolgsgeschichte vom Festspielfürsten und Schlossherrn von Leopoldskron ein jähes und bitteres Ende, als ihn die Nazis diffamierten, enteigneten und ins amerikanische Exil zwangen. In den USA fasste Reinhardt niemals wirklich Fuß, kämpfte mit finanziellen und anderen Nöten und starb während des Zweiten Weltkriegs - ohne seine geliebten Salzburger Festspiele nochmal wiederzusehen. Ein ergreifendes Buch, reich an Bildern, reich an Emotionen. (Brandstätter Verlag, 50 Euro) Thomas Heinold © Brandstätter Verlag

Schon der Titel "Der Deutsche - Fortpflanzung, Herdenleben, Revierverhalten" ist eine Provokation, denn er klingt nach einem Werk aus der Zoologie. Dabei zählt der Autor des Buches, Jens Jessen, zu den renommiertesten Journalisten Deutschlands, war Feuilletonchef der Berliner Zeitung und der Zeit. In dem kurzen, aber weit ausgreifenden Essay spießt er viele Eigentümlichkeiten seiner Landsleute auf und ordnet sie kulturhistorisch und soziologisch erhellend ein. Warum ist der Deutsche - was bei Jessen immer auch "die Deutsche" meint, aber das neumodische Gendern von Begriffen ist seine Sache nicht - inzwischen oft so salopp gekleidet, warum so antiintellektuell eingestellt, warum ist ihm das Hochhalten seiner Region, in der er lebt oder aus der er stammt, so wichtig? Warum liebt er Gemütlichkeit und herzerwärmende Pseudo-Romantik und ist doch in Massen dem schlimmsten Verbrecher der Menschheit, Adolf Hitler, gefolgt? Der Deutsche ist bei Jessen eben nicht nur ein possierliches Tierchen, sondern kann sich von einem Moment zum anderen in ein gefährliches Raubtier verwandeln. Man mag den Beobachtungen und Begründungen, die Jessen anführt, längst nicht immer zustimmen. Das Denken regen sie aber auf jeden Fall an, und wenn es nur der Widerspruch ist. Ja, Jens Jessen bekennt sich offen dazu, ein Intellektueller zu sein und seine Landsleute aus dieser Perspektive zu beurteilen. Trotzdem ist er alles andere als ein "Bewohner des Elfenbeinturms". Nein, vieles was er bei dem und bei der Deutschen vorfindet, ist nicht nur scharfsinnig beobachtet, sondern auch dem alltäglichen Leben abgeschaut. Wer dieses Buch liest, blickt auch in einen Spiegel, der nichts beschönigt. (Zu Klampen, 16 Euro) Thomas Heinold
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Unser Tipp: Der Deutsche - ein rätselhaftes Wesen

Schon der Titel "Der Deutsche - Fortpflanzung, Herdenleben, Revierverhalten" ist eine Provokation, denn er klingt nach einem Werk aus der Zoologie. Dabei zählt der Autor des Buches, Jens Jessen, zu den renommiertesten Journalisten Deutschlands, war Feuilletonchef der Berliner Zeitung und der Zeit. In dem kurzen, aber weit ausgreifenden Essay spießt er viele Eigentümlichkeiten seiner Landsleute auf und ordnet sie kulturhistorisch und soziologisch erhellend ein. Warum ist der Deutsche - was bei Jessen immer auch "die Deutsche" meint, aber das neumodische Gendern von Begriffen ist seine Sache nicht - inzwischen oft so salopp gekleidet, warum so antiintellektuell eingestellt, warum ist ihm das Hochhalten seiner Region, in der er lebt oder aus der er stammt, so wichtig? Warum liebt er Gemütlichkeit und herzerwärmende Pseudo-Romantik und ist doch in Massen dem schlimmsten Verbrecher der Menschheit, Adolf Hitler, gefolgt? Der Deutsche ist bei Jessen eben nicht nur ein possierliches Tierchen, sondern kann sich von einem Moment zum anderen in ein gefährliches Raubtier verwandeln. Man mag den Beobachtungen und Begründungen, die Jessen anführt, längst nicht immer zustimmen. Das Denken regen sie aber auf jeden Fall an, und wenn es nur der Widerspruch ist. Ja, Jens Jessen bekennt sich offen dazu, ein Intellektueller zu sein und seine Landsleute aus dieser Perspektive zu beurteilen. Trotzdem ist er alles andere als ein "Bewohner des Elfenbeinturms". Nein, vieles was er bei dem und bei der Deutschen vorfindet, ist nicht nur scharfsinnig beobachtet, sondern auch dem alltäglichen Leben abgeschaut. Wer dieses Buch liest, blickt auch in einen Spiegel, der nichts beschönigt. (Zu Klampen, 16 Euro) Thomas Heinold © Verlag zu Klampen

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