Das sollten Sie lesen! Unsere Buchtipps im April

30.3.2021, 16:59 Uhr
Einander die schlimmsten Geheimnisse anzuvertrauen, kann eine Beziehung sprengen. Aber auch eine neue entfachen. Der Italiener Domenico Starnone (geb. 1943) erzählt in seinem schmalen, wunderbaren Roman "Im Vertrauen" von einer Ehe und ihren Härteproben. Es geht um Elternschaft. Und darum, dass immer einer zurückstecken muss, wenn der andere plötzlich die Chance bekommt, sich zu verwirklichen. Starnone findet den richtigen Ton für diese verzwickte Sache zwischen Vertrauen, Verantwortung – und Verärgerung. (Wagenbach, 20 Euro) Christian Mückl
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Einander die schlimmsten Geheimnisse anzuvertrauen, kann eine Beziehung sprengen. Aber auch eine neue entfachen. Der Italiener Domenico Starnone (geb. 1943) erzählt in seinem schmalen, wunderbaren Roman "Im Vertrauen" von einer Ehe und ihren Härteproben. Es geht um Elternschaft. Und darum, dass immer einer zurückstecken muss, wenn der andere plötzlich die Chance bekommt, sich zu verwirklichen. Starnone findet den richtigen Ton für diese verzwickte Sache zwischen Vertrauen, Verantwortung – und Verärgerung. (Wagenbach, 20 Euro) Christian Mückl © Wagenbach Verlag/Montage: Sabine Schmid

Videoüberwachung, Identitätskontrolle, freier Hass auf allen Kanälen und eine klausulierte, ja kastrierte Sprache: George Orwells 1949 erschienener Klassiker "1984" dachte Stalins Russland und Hitlers Deutschland gruselig in die Zukunft fort. Aber seine Kritik an jeder Form des Totalitarismus trifft uns auch heute noch. Und neu übersetzt von Gisbert Haefs ist der Roman richtiggehend unterhaltsam. Man vergisst ja leicht: Das Ganze ist auch eine Satire. (Manesse, 22 Euro). Wolf Ebersberger
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Videoüberwachung, Identitätskontrolle, freier Hass auf allen Kanälen und eine klausulierte, ja kastrierte Sprache: George Orwells 1949 erschienener Klassiker "1984" dachte Stalins Russland und Hitlers Deutschland gruselig in die Zukunft fort. Aber seine Kritik an jeder Form des Totalitarismus trifft uns auch heute noch. Und neu übersetzt von Gisbert Haefs ist der Roman richtiggehend unterhaltsam. Man vergisst ja leicht: Das Ganze ist auch eine Satire. (Manesse, 22 Euro). Wolf Ebersberger © Manesse Verlag/Montage: Sabine Schmid

Tove Ditlevsen (1917-1976) ist eine Entdeckung, wie sie nur selten vorkommt, und die drei Bände ihrer Kopenhagen-Trilogie liest man geradezu süchtig. Als Einstieg ist natürlich "Kindheit" ideal, auch wenn die Kindheit der dänischen Autorin alles andere war: arm, schäbig, kleingehalten im proletarischen Milieu der 20er Jahre. Und da wollte sie Dichterin werden? Dagmar Manzel macht aus dem Hörbuch eine distanziert zu Herzen gehende Geschichte, die auch Humor zulässt (DAV, 18 Euro, als Buch bei Aufbau). Wolf Ebersberger
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Tove Ditlevsen (1917-1976) ist eine Entdeckung, wie sie nur selten vorkommt, und die drei Bände ihrer Kopenhagen-Trilogie liest man geradezu süchtig. Als Einstieg ist natürlich "Kindheit" ideal, auch wenn die Kindheit der dänischen Autorin alles andere war: arm, schäbig, kleingehalten im proletarischen Milieu der 20er Jahre. Und da wollte sie Dichterin werden? Dagmar Manzel macht aus dem Hörbuch eine distanziert zu Herzen gehende Geschichte, die auch Humor zulässt (DAV, 18 Euro, als Buch bei Aufbau). Wolf Ebersberger © DAV/Montage: Sabine Schmid

Das Kind, die Mutter – die Mutter, das Kind. "Kleine Fluchten" ist ein kurzer Roman aus Frankreich über eine alleinerziehende Frau in der Großstadt, die allabendlich aus der Misere ihres Lebens auszubrechen versucht. Carole Fives erzählt ihn kühl, kompakt und, das Herzschmerzpotenzial des Themas links liegen lassend, steil auf eine Krimi-Pointe zusteuernd. Ein feministisches Buch, das sich dieses Etikett nicht extra aufkleben muss, um spannend zu sein. (Zsolnay, 19 Euro) Isabel Lauer
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Das Kind, die Mutter – die Mutter, das Kind. "Kleine Fluchten" ist ein kurzer Roman aus Frankreich über eine alleinerziehende Frau in der Großstadt, die allabendlich aus der Misere ihres Lebens auszubrechen versucht. Carole Fives erzählt ihn kühl, kompakt und, das Herzschmerzpotenzial des Themas links liegen lassend, steil auf eine Krimi-Pointe zusteuernd. Ein feministisches Buch, das sich dieses Etikett nicht extra aufkleben muss, um spannend zu sein. (Zsolnay, 19 Euro) Isabel Lauer © Zsolnay/Montage: Sabine Schmid

Neben Axel Hacke und Jan Weiler steht er ein bisschen in der zweiten Reihe. Dabei ist Jochen Schmidt nicht nur mindestens so komisch, seine ironische Weltsicht hat auch noch literarische Qualitäten. Das betrifft die Romane wie die neuen Kolumnen in "Ich weiß noch, wie King Kong starb". Da  macht sich der Ostberliner über die eigene Überforderung als Jungvater lustig, seziert die Tischsitten seiner Eltern oder träumt von der idealen weiblichen Begleitung jedes Schriftstellers: Dienstmagd Céleste machte ja auch wirklich alles für Marcel Proust! (C.H.Beck, 22 Euro) Wolf Ebersberger  
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Neben Axel Hacke und Jan Weiler steht er ein bisschen in der zweiten Reihe. Dabei ist Jochen Schmidt nicht nur mindestens so komisch, seine ironische Weltsicht hat auch noch literarische Qualitäten. Das betrifft die Romane wie die neuen Kolumnen in "Ich weiß noch, wie King Kong starb". Da  macht sich der Ostberliner über die eigene Überforderung als Jungvater lustig, seziert die Tischsitten seiner Eltern oder träumt von der idealen weiblichen Begleitung jedes Schriftstellers: Dienstmagd Céleste machte ja auch wirklich alles für Marcel Proust! (C.H.Beck, 22 Euro) Wolf Ebersberger
  © C.H. Beck/Montage: Sabine Schmid

"Dina, es war die Pest. Nur die Pest!" ruft der Bezirksarzt, als er aus der Quarantäne nach Hause zurückkehrt. Kaum vorstellbar, dass wir das einmal nach Corona rufen werden. Aber zur Zeit der "Großen Säuberung" unter Stalin war die Lungenpest, die 1939 in Russland ausbrach, das kleinere Übel. Ausgerechnet der Effizienz des gefürchteten Geheimdienstes NKWD war es damals zu verdanken, dass alle Infizierten und ihre Kontaktpersonen sofort ausfindig gemacht und isoliert wurden. In nur wenigen Tagen war der tödliche Spuk vorbei. Ljudmila Ulitzkajas "Eine Seuche in der Stadt", schon 1978 verfasst, ist passend zur Corona-Pandemie jetzt als Buch erschienen. Und liest sich spannend wie ein Krimi. (Hanser, 16 Euro) Regina Urban
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"Dina, es war die Pest. Nur die Pest!" ruft der Bezirksarzt, als er aus der Quarantäne nach Hause zurückkehrt. Kaum vorstellbar, dass wir das einmal nach Corona rufen werden. Aber zur Zeit der "Großen Säuberung" unter Stalin war die Lungenpest, die 1939 in Russland ausbrach, das kleinere Übel. Ausgerechnet der Effizienz des gefürchteten Geheimdienstes NKWD war es damals zu verdanken, dass alle Infizierten und ihre Kontaktpersonen sofort ausfindig gemacht und isoliert wurden. In nur wenigen Tagen war der tödliche Spuk vorbei. Ljudmila Ulitzkajas "Eine Seuche in der Stadt", schon 1978 verfasst, ist passend zur Corona-Pandemie jetzt als Buch erschienen. Und liest sich spannend wie ein Krimi. (Hanser, 16 Euro) Regina Urban © Hanser/Montage: Sabine Schmid

Wer wissen will, warum Oblomow, der weltabgewandte und philosophisch faule Antiheld aus Iwan Gontscharows gleichnamigem legendären Buch, so wurde wie er war, der greife zum ersten Roman des russischen Autors (1812–1891), der nun in wunderbarster Übersetzung von Vera Bischitzky auf Deutsch vorliegt: "Eine gewöhnliche Geschichte" (Hanser, 36 Euro). Der junge Alexander aus tiefster Provinz erlebt im pulsierenden St. Petersburg seine Éducation sentimentale, wird von Liebe und Gesellschaft gleichermaßen enttäuscht und lässt in seinem Charakter schon einiges von dem erkennen, was den späteren Urtyp eines Aussteigers auszeichnet. Funkelnde Dialoge und ein Ende, das nahelegt, dass die wahre Erfüllung doch nur im Rückzug aus dieser Welt liegen kann. Bernd Noack
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Wer wissen will, warum Oblomow, der weltabgewandte und philosophisch faule Antiheld aus Iwan Gontscharows gleichnamigem legendären Buch, so wurde wie er war, der greife zum ersten Roman des russischen Autors (1812–1891), der nun in wunderbarster Übersetzung von Vera Bischitzky auf Deutsch vorliegt: "Eine gewöhnliche Geschichte" (Hanser, 36 Euro). Der junge Alexander aus tiefster Provinz erlebt im pulsierenden St. Petersburg seine Éducation sentimentale, wird von Liebe und Gesellschaft gleichermaßen enttäuscht und lässt in seinem Charakter schon einiges von dem erkennen, was den späteren Urtyp eines Aussteigers auszeichnet. Funkelnde Dialoge und ein Ende, das nahelegt, dass die wahre Erfüllung doch nur im Rückzug aus dieser Welt liegen kann. Bernd Noack © Hanser Verlag/Montage: Sabine Schmid

Kurzgeschichten haben es schwer auf dem Markt, dabei sind sie viel kunstvoller (und spannender) als mancher Roman. Siehe die junge irische Autorin Danielle McLaughlin, die gar nicht über "Dinosaurier auf anderen Planeten" schreibt, sondern über Ehen auf dem Land, die langsam zerbrechen, über einsame Frauen (eine war im Gefängnis, die andere lesbisch) und einsame Männer (er trank, wie so viele), über Hoffnungen, die immer wieder neu zerbrechen. Das ist fantastisch genau und fein getaktet: eine Erbin von James Joyce und William Trevor (Luchterhand, 20 Euro). Wolf Ebersberger
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Kurzgeschichten haben es schwer auf dem Markt, dabei sind sie viel kunstvoller (und spannender) als mancher Roman. Siehe die junge irische Autorin Danielle McLaughlin, die gar nicht über "Dinosaurier auf anderen Planeten" schreibt, sondern über Ehen auf dem Land, die langsam zerbrechen, über einsame Frauen (eine war im Gefängnis, die andere lesbisch) und einsame Männer (er trank, wie so viele), über Hoffnungen, die immer wieder neu zerbrechen. Das ist fantastisch genau und fein getaktet: eine Erbin von James Joyce und William Trevor (Luchterhand, 20 Euro). Wolf Ebersberger © Luchterhand/Montage: Sabine Schmid

Cees Noteboom ist 1933 geboren und Weltliterat. Aber auch er ist sterblich. "Blind lauf ich weiter, ein fahler Hund / in der Kälte. Hier muss es sein, / hier nehme ich Abschied von mir / und werde langsam / niemand." Sein jüngster Lyrik-Band "Abschied" (Suhrkamp, 22  Euro) gleicht einem Lied, das in einem Garten beginnt, dann vom Krieg erzählt, um bei einem Virus zu landen. Nooteboom schreibt über Endlichkeit. Und glücklicherweise über die Atempausen davor. Christian Mückl
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Cees Noteboom ist 1933 geboren und Weltliterat. Aber auch er ist sterblich. "Blind lauf ich weiter, ein fahler Hund / in der Kälte. Hier muss es sein, / hier nehme ich Abschied von mir / und werde langsam / niemand." Sein jüngster Lyrik-Band "Abschied" (Suhrkamp, 22  Euro) gleicht einem Lied, das in einem Garten beginnt, dann vom Krieg erzählt, um bei einem Virus zu landen. Nooteboom schreibt über Endlichkeit. Und glücklicherweise über die Atempausen davor. Christian Mückl © Suhrkamp/Montage: Sabine Schmid

Irgendwie kontemplativ ist man in diesen Tagen ja zwangsläufig und sowieso. Da kann es nicht schaden, wenn man ein Buch zur Hand hat, das einen entführt aus dem Alltag, versetzt in ferne, ungesehene Welten und dazu auch noch taugt, im eigenen Inneren ein bisschen Ruhe und vielleicht sogar einen Funken Erkenntnis zu finden. "Der Schneeleopard" von Sylvain Tesson ist solch eines: die Suche nach einem sagenumwobenen Tier in den Gebirgen Tibets wird zu einem großen Bekenntnis zur Stille und einem spannend-poetischen Abgesang auf den Wahnsinn und die Wirrnisse der angeblich so zivilisierten Gegenwart (Rowohlt, 20 Euro). Bernd Noack
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Irgendwie kontemplativ ist man in diesen Tagen ja zwangsläufig und sowieso. Da kann es nicht schaden, wenn man ein Buch zur Hand hat, das einen entführt aus dem Alltag, versetzt in ferne, ungesehene Welten und dazu auch noch taugt, im eigenen Inneren ein bisschen Ruhe und vielleicht sogar einen Funken Erkenntnis zu finden. "Der Schneeleopard" von Sylvain Tesson ist solch eines: die Suche nach einem sagenumwobenen Tier in den Gebirgen Tibets wird zu einem großen Bekenntnis zur Stille und einem spannend-poetischen Abgesang auf den Wahnsinn und die Wirrnisse der angeblich so zivilisierten Gegenwart (Rowohlt, 20 Euro). Bernd Noack © Rowohlt/Montage: Sabine Schmid

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